Problem von Annelin - 27 Jahre

Beste Freundin - Alkohol, etc.

Hallo, liebe Kummerkasten-Team,

ich weiß nicht mehr weiter. Meine beste Freundin (25) verändert sich immer mehr und das nicht zum Positiven. Sie war früher immer schüchtern und zurückhaltend. Jetzt geht sie sehr oft auf Partys und trinkt dort gerne auch mal zu viel Alkohol.
Vor einem knappen Jahr nahm sie bei einer Party auch mal Drogen, klappte daraufhin zusammen und war bewusstlos. Es hätte sie damals fast ihr Leben gekostet. Sie war daraufhin zwei Wochen im Krankenhaus. Ich war ziemlich sauer auf sie, dass sie Drogen genommen hatte und hielt ihr damals eine heftige Moralpredigt. Sie versprach, nie wieder welche zu nehmen. Ihr Versprechen hält sie bis jetzt auch ein.
Gestern bei einem Treffen erzählte sie mir, dass sie sich ritzt und oft auch extrem traurig sei. Ich habe sogar ihre Narben gesehen und es war einfach erschreckend. Ich fragte sie, ob sie Probleme habe und ob sie drüber reden möchte aber sie blockte ab. Ich schlug ihr letztendlich vor, zum Psychologen zu gehen. Ich bot ihr auch an, dass ich sie dahin begleiten würde, wenn sie es nicht schafft, alleine zu gehen. Aber sie möchte keinen Psychologen.
Hilfe... was kann ich tun? Wie kann ich ihr helfen?
Ich habe auch Angst, dass sie auf irgendeiner Party wieder Drogen nehmen könnte.
Wie kann ich sie von all dem Mist (Alkohol, Drogen, Ritzen) abhalten?
Ich möchte doch nur, dass es ihr gut geht :/

Liebe Grüße

Anna Anwort von Anna

Liebe Annelin,

vielen Dank für Dein Vertrauen uns gegenüber. Ich bin sehr beeindruckt davon, wie sehr Du Dich um Deine Freundin sorgst und bemühst und ich hoffe, dass ihr Dir nun ebenfalls etwas weiterhelfen kann.

Wie Du die Situation schilderst, kommt es mir so vor, als würdest Du Dich ganz alleine verantwortlich für Deine Freundin fühlen; andere Menschen kommen in Deinem Text gar nicht vor. Deshalb gleich am Anfang meine Frage: gibt es denn nicht auch noch andere nahestehenden Menschen, denen Du von Deinen Sorgen um Deine Freundin berichten könntest oder die sie vielleicht sogar teilen? Was ist mit ihrer Familie? Hat sie einen Partner oder noch andere Freundinnen?
Denn ich könnte mir vorstellen, dass Verantwortung über so lange Zeit gebündelt alleine auf Deinen Schultern zu schwer werden könnte und dass Du vielleicht selbst jemanden zum reden bräuchtest, wenn Du Dir so Sorgen um sie machst. Ein ganz wichtiger Punkt, den Du bitte nicht vergessen darfst. Du bist nämlich auch noch da und ich stelle es mir sehr schwer vor, zum Beispiel auf einer Party immer ein wachsames Auge auf jemanden zu haben und immer Angst haben zu müssen, die Freundin könnte sich selbst wieder in Schwierigkeiten bringen, wenn man nicht aufpasst.
Und so käme ich zu meinem nächsten Punkt: Deine Freundin ist 25 Jahre alt, also eine erwachsene Frau und für ihr Leben selbst verantwortlich. Natürlich heißt das nicht, dass sie keine Probleme mit sich selbst haben kann oder auch sehr unvernünftige Dinge tun kann. Aber das heißt, dass sie alt genug ist, über das, was sie tut nachzudenken und nur sich selbst Rechenschaft schuldig ist, niemand anderem.

Ich denke, Du tust schon alles, was Du in Deiner Position als Freundin tun kannst. Du bietest ihr Hilfe an, ein offenes Ohr, sogar tatkräftige Unterstützung, wenn sie sich weitere Hilfe suchen wollen würde. Aber als Freundin ist es nicht Deine Aufgabe, ständig darauf zu achten, was sie ihrem Körper zufügt, ob es Ritzen oder Drogen sind. Auch nicht, sie dazu zu drängen, sich psychologische Hilfe zu suchen. Ich kenne euch beide nicht, ich weiß nicht, wie die Situation, auch zwischen euch, aussieht, aber ich glaube, nur nach Deiner Schilderung, dass Du mehr Verantwortung übernimmst, als Du solltest.
Wie reagiert denn Deine Freundin darauf, wenn Du darauf achtest, dass sie auf Partys nicht über die Strenge schlägt? Wenn ihr beste Freundinnen seit redet ihr doch sicher auch über manches, über Probleme, die ihr beide jeweils habt, über das was in euch vorgeht. Sicher erzählt Deine Freundin, was sie so bedrückt, auch, wenn es nicht ganz so tief geht wie das, was sie dazu veranlasst, sich zu ritzen, oder? Sprich mit ihr über das, über das sie selbst auch reden möchte. Dränge sie nicht dazu, über Themen zu reden bei denen sie abblockt. Sie muss selbst wissen, worüber sie mit wem reden möchte - das ist nicht Deine Aufgabe.

Was ich aber sehr gut nachvollziehen kann, ist Deine Hilflosigkeit. Man ist nun mal nicht der Mensch, den man so liebt. Man kann nicht für ihn sprechen, für ihn handeln, man ist jemand anderes. Ein Außenstehender. Und wenn man dann mitansehen muss, wie schlecht es dem geliebten Menschen geht, ist das sehr schwer zu ertragen. Man würde ihm gerne sagen wie es richtig geht, ihm den richtigen Weg weisen, aber das ist nicht der Weg, der für diesen anderen Menschen der richtige ist. Den kann jeder nur für sich selbst finden. Und genau das ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, wenn derjenige immer scheitert und auf keinen grünen Zweig kommt. Segen, weil man nicht die Verantwortung für etwas übernehmen muss, auf das man keinen Einfluss hat.

Ich wünsche Dir alles Gute.
Viele liebe Grüße, Anna