Problem von Diana - 29 Jahre

Ich glaube ich wurde mit 12 vergewaltigt

Hallo,

ihr habt einen Eintrag vom 29.08.2010 mit dem Titel "Mit 12 vergewaltigt". Mir ist etwas ähnliches passiert.

Ich war mit meinen Eltern im Urlaub auf Ko Samui (Thailand) ich war damals 12 Jahre alt. Der Betreiber (28 Jahre) des kleinen Resorts in dem wir eingebucht waren fand mich vom ersten Tag an "niedlich". Dazu muss man sagen, dass der Chef meines Vaters schon Jahrelang in dieses Resort fuhr und den Betreiber " gut" kannte. Meine Eltern hatten diese Reise und dieses Resort also auf eine Empfehlung gebucht und Zack (der Betreiber) war lange mit der Familie bekannt.

Er flirtete mich vom ersten Tag aktiv mit mir. Ich fand das natürlich als junges Mädchen klasse. Beachtung eines Erwachsenen bei den ganzen "blöden Jungs" in meiner Klasse. Eines Abends fragte er mich, ob wir noch spazieren gehen wollen. Ich sagte ja und wir gingen ein Stück. Er meinte er hätte sich in mich verliebt und gern Sex mit mir. Er würde es aber nicht überstürzen, ich sei doch noch so jung und unerfahren. Es reicht wenn ich erstmal sein Penis küsse. Ich kniete mich hin und er steckte mir sein Penis in den Mund. Er fing an sich in mir zu bewegen und raus und rein zugleiten. Irgendwann zog er sich zurück, gab mir einen Kuss und brachte mich zur Tür unseres Bungalows. Was ich meinen Eltern erzählt hab weiß ich nicht mehr,

Am nächsten Abend das gleiche, diesmal nahm er mich mit auf sein Zimmer. Er zog mir die Hosen herunter leckte mich und fasste meine Brüste an. Er war micht grob und fragte immer wieder, ob es mir gefallen würde. An diesem Abend suchten mich natürlich auch meine Eltern. Ihnen erzählte ich, er hätte mir noch die Mangos an dem Baum im Garten gezeigt und wir hätten die Zeit vergessen.

Am kommenden Abend gingen wir abends etwas essen. Meine Eltern luden Ihn mir ein (war ja ein Freund der Familie des Chefs meines Vaters und meine Eltern wollten sich bedanken für die Gastfreundschaft) und er begleitete uns natürlich. In dem Lokal fragte er mich dann in einem geeigneten Augenblick, so dass es meine Eltern nicht merkten: "Do you wanne have sex with me tonight". Ich ging also Abends brav mit, um mich zu verabschieden meine Eltern gingen schon mal vor. Er ging mit mir wieder an den Strand. Legte sich hin, mich setzte er neben sich. Er zog mich aus, zog sich ein Kondom über und hebte mich auf sich drauf. Er drang in mich ein und "dirigierte mich" vor und zurück. Er kam und ich "stieg ab".

Am nächsten Tag flogen wir ab. Ich verabschiedete mich. Wir tauschten noch einige Mails aus, in denen er mir versicherte mich zu lieben und ich sollte meinen Eltern nichts erzählen. Sie würden das nicht verstehen.

Ich habe es bis heute nicht meinen Eltern erzählt. Sie haben mich schon ein paar Mal gefragt, ob damals was passiert ist. Ich habe es immer verneint. Ich kann Ihnen auch keinen Vorwurf machen, Sie haben nach mir gesucht und ich habe immer passende Ausreden gefunden. Natürlich kann ein Außenstehender nun berechtigter Weise fragen: Wieso haben Sie mich allein gelassen. Ich denke Sie wollten mir meinen Freiraum lassen und dachten ich schwärme halt ein bisschen für diesen Mann.

Warum ich nun schreibe? Ich habe schon viel in meinem Leben erlebt. Diese Geschichte, Mobbing, einen schweren Autounfall mit schweren Verbrennungen , die ersten Sex Erlebnisse von dann 12 bis 17 waren alle mit älteren Jungs die nur mal Fi*** wollten und ich habe Sie gewähren lassen. Bis zu meinen ersten Freund der es dann wirklich ernst meinte und erst gar nicht mit mir schlafen wollte. Kurz um, ich bin mit vielen seelischen Belastungen allein klar gekommen.

Gestern nun waren wir mit einem meiner Chefs und seiner 11 jährigen Tochter, ein zauberhaftes junges Mädchen, essen. Ich habe Sie angesehen und in mir hat sich ein Schalter umgelegt. Sie ist ungefähr so alt wie ich damals und ich so alt wie er damals. Wenn ich mir vorstelle mein Freund (ich liebe Ihn sehr und er würde so was nie tun) doch wenn ich mir vorstelle er hätte jetzt mir Ihr Sex...... Ich könnte mir nur übergeben und weinen.

Was mach ich den jetzt? Ich glaube ich bin auch vergewaltigt worden. Zwar ohne "zwang und Schläge" doch war ich erst 12 und bewusst gewollt haben kann ich das nicht.

Mein ganzes Leben dreht sich bei mir um Anerkennung gewinnen und was andere von mir denken. Ich habe wirklich Angst das die vielen Erlebnisse spuren hinterlassen haben, ich immer selbst "notdürftig meine Seele geflickt habe" und nun die nähte seit gestern zerreißen.

Sollte ich mit jemandem Reden? Kann ich einfach zu einem Therapeuten gehen eine Termin machen und Ihm das erzählen?

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Diana,

Ich möchte dir mein vollstes Mitgefühl aussprechen! Ich kann mir gut vorstellen, wie all die furchtbaren Erlebnisse von damals wieder in dir hochgekommen sind, als du das junge Mädchen erlebt hast - in einer ganz ähnlichen Ausgangssituation zu deiner.
Dass du auch in den späteren Jahren immer wieder Erfahrung mit sexualisierter Gewalt gemacht hast, zeigt mir, wie wichtig es ist, jetzt zu handeln: Du fühlst dich so, als könntest du diesem inneren Druck nicht mehr lange standhalten. Die schlimmen Erlebnisse wollen endlich den Schweigepanzer durchbrechen und aktiv verarbeitet werden! Außerdem brauchst du professionelle Unterstützung, dich im Leben zu behaupten und nicht alles mit dir machen zu lassen. Es geht um DEINE Unversehrtheit, DEINE Grenzen, DEINE Wünsche!
Nicht das, was ein anderer Mensch haben will, ist allein ausschlaggebend. Es geht darum, dass du im Einklang mit dir selbst aktiv dein Leben führst, ohne die Marionette von anderen zu sein. Sonst wirst du immer wieder ausgenutzt werden und dich ohnmächtig ausgeliefert fühlen.

Es ist nun also an der Zeit, die Wunden der Vergangenheit angemessen zu versorgen, um zuversichtlich und selbstbestimmt im Leben zu stehen. Dafür scheint mir eine Psychotherapie am geeignetsten. Dazu dann noch mehr.

Zack hat dich vergewaltigt, das ist nicht zu bagatellisieren. Er hat eiskalt ausgenutzt, dass du ihm in jeder Hinsicht unterlegen warst. Es geht nicht darum, ob Gewalt mit Zwang ausgeübt wurde. Wenn ein Mensch die Grenzen eines anderen derart überschreitet, braucht es nicht das Kriterium einer benutzten Waffe oder körperlicher Gewalt. Die Waffen, die hier eingesetzt wurden, waren Manipulation, Ausnutzung deiner Wehrlosigkeit, deiner Arglosigkeit und deiner Unerfahrenheit unter Einsatz seiner Überlegenheit. Er hat alles genau kalkuliert. Darin kam auch vor, dass deine Eltern ihm freundschaftlich gegenüberstanden und dir eine lange Leine gelassen haben. Er wusste, wie er es anstellen muss - und hat noch dafür gesorgt, dass du schweigst. Du kannst dir sicher vorstellen, wieviele Male ich das A****- Wort in meinem Kopf habe, während ich dies schreibe!

Wäre nicht schon so viel Zeit verstrichen, würde ich dir raten, ihn anzuzeigen.
Nun geht es also vor allem darum, wie es für dich weitergehen kann.
Zuerst finde ich es wichtig, es deinen Eltern zu erzählen. Falls sie noch Kontakt zu ihm oder dem damaligen Chef haben sollten, wäre das ein Weg, Zack noch einen Riegel vorzuschieben. Denn du kannst dir sicher vorstellen, dass so ein Typ nicht nur dich vergewaltigt hat!
Deine Eltern haben damals etwas geahnt. Nun kannst du daran anknüpfen. Ich persönlich kann zwar nur den Kopf schütteln, dass sie dich mit dem Kerl allein gelassen haben bzw. dies mehrmals zugelassen haben, Freiheit hin - oder her. Sie hätten da mehr hinschauen müssen. Ja, sie haben nachgefragt. Aber sie haben es dabei bewenden lassen. Allein sein "Flirten" dürfte ihnen aufgefallen sein. Ich hätte dich ehrlich gesagt nicht mehr mitgehen lassen, wenn ich schon soweit war, nachzufragen, ob etwas vorgefallen sei. Da hätte ich eher gesagt: "Ich habe ein schlechtes Gefühl. Auch wenn du mir gerade versicherst, dass alles in Ordnung ist, möchte ich den Kontakt unterbinden." Nur ist es nicht sehr konstruktiv, ihnen nun nachträglich Schuld zuzuweisen. Mir geht es darum, dir zu zeigen, wo die Unterschiede verlaufen zwischen Freiheit lassen und Verantwortung für den Schutz des Kindes zu übernehmen. Es ist nicht in Ordnung, ein Kind mit einem Erwachsenen mitgehen zu lassen und das unter harmlosem Schwärmen oder Freiheitsbedürfnis zu verbuchen. Klar, vielleicht haben sie das auch nicht so gesehen. Vielleicht haben sie nur versucht, sich zu beruhigen. Das kann folglich nur durch eine ehrliche Aussprache mit ihnen geklärt werden.
Ich kann nur betonen, wie wichtig es ist, mit allen Sinnen wach zu sein, denn Alarmzeichen gibt es meistens schon vor den eigentlichen Übergriffen, in deinem Fall seine offensive Art und dass er mit dir jeden Abend allein sein wollte. - Du kannst es insofern besser als deine Eltern machen, indem du zukünftig selbst genau hinhörst - und schaust, was und wie jemand sagt, wie jemand dich oder andere anschaut usw. Auch deine Eltern können daraus lernen. Daher nochmals der Appell: Suche das offene Gespräch mit ihnen. Vielleicht würdest du auch bei ihnen einen Damm brechen und sie erleichtern - weil sie all die Jahre damit gelebt haben, dass da etwas "komisch, nicht richtig war".
Genauso sollte dein Freund (sofern du aktuell in einer Beziehung bist) alles erfahren. Wirklich alles. Bitte vertraue dich ihm an (oder nimm es dir für eine zukünftige Partnerschaft vor) - nicht nur du wirst dich besser danach fühlen, sondern auch für ihn ist es gut, wenn er Bescheid weiß. So kann er besser auf dich eingehen, mehr Verständnis entwickeln und dir bei weiteren Schritten beistehen.
Das Gleiche gilt für (engere) Freund:innen. Je mehr du dich anvertraust, desto eher kannst du Zuwendung, Hilfe und Erleichterung erfahren. Damit allein bleiben ist dagegen die ungünstigste Variante!

Zuletzt ist es absolut wichtig, dieses einschneidende Erlebnis psychologisch aufzuarbeiten. Ja, eine Therapie ist nötig - zusammen mit der schon genannten "sprachlichen Offensive".
Für eine Therapie kannst du über deine hausärztliche Praxis alles in die Wege leiten. Vielleicht würdest du dort gleich Empfehlungen erhalten, welche Therapeut:innen z.B. sehr erfahren um Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt sind, noch freie Plätze haben etc. Anschließend rufst du bei den in Frage kommenden Personen an. Leider kommt es Deutschland zu teilweise relativ langen Wartezeiten. Lass dich davon bitte nicht verunsichern. Selbst wenn es ein halbes Jahr dauern sollte - der Anfang wäre mit einem Termin gemacht!
Darüber hinaus kannst du überlegen, wie offensiv du mit deiner Vergewaltigung durch diesen Mann umgehen möchtest. Willst du ihn damit konfrontieren? Das wäre eine Möglichkeit, um dich zu ermächtigen, d.h. aus dem Gefühl, ein passives Opfer zu sein, herauszukommen. Varianten wären: Ihn direkt konfrontieren durch ein Telefonat oder ein Treffen, ihn indirekt konfrontieren durch einen Brief, eine Mail oder andere Personen, die für dich mit ihm sprechen. Dabei ginge es nicht darum, dass er es zugibt, dich vergewaltigt zu haben. Sondern dass DU ihm alles an den Kopf werfen und ihm demonstrieren kannst, dass du ihn durchschaut hast. Dass du weißt, dass es Unrecht ist und er sich damit strafbar gemacht hat (zumindest im deutschen Rechtssinn, wie es in Thailand gehandhabt wird, weiß ich leider nicht). Damit wärst du in der überlegenen Rolle, was nachträglich ein sehr befreiendes Gefühl sein kann! Falls er die Vergewaltigung dann sogar noch zugeben würde, könntest du ihm vielleicht sogar eines Tages verzeihen, sofern er aufrichtig bereuen würde. Doch das sind Bereiche, die am besten im therapeutischen Setting erörtert und geplant werden sollten.

Hier sind zwei Links, beide sind für dich und auch deine Eltern lesenswert.
- Der weiße Ring steht Menschen bei, die Gewalt durchstehen mussten: https://weisser-ring.de/praevention/tipps/vergewaltigung
- Außerdem habe ich zum Stichwort erwachsen gewordene Opfer einen Beitrag gefunden: https://www.schotterblume.de/index.php?navid=13&pos=339

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala