Problem von Anonym - 16 Jahre

Freund hatte viele sexpartner vor mir

hallo, ich habe wirklich niemanden mit dem ich darüber reden kann. Ich bin 16 und mein freund ist 27, sind seit einem halben jahr zusammen und eigentlich läuft alles toll. Meine eltern mögen ihn auch. Habe aber außer ihnen niemandem von der beziehung erzählt, da ich angst habe von meinen freunden dafür verurteilt zu werden.

nun zum eigentlichen problem: mein freund ist die erste person mit der ich je sex hatte. Er hingegen war bis vor ca. 2 jahren noch sowas wie ne männliche schlampe. Lauter one night stands. Er meinte es waren bestimmt über 50. das alles hat er mir erzählt, wo wir noch nicht zusammen waren. Damals hat mich diese information auch nicht gekümmert.

aber nun stört es mich doch so sehr. Immer während oder nach dem sex denke ich mir, dass es für mich jedes mal was besonderes ist, für ihn wohl kaum. es macht mich außerdem so wütend, wenn er andere frauen abwertend schlampen nennt und sagt „ja da war schon jeder drin“.

er versteht wohl nicht, dass es auch ein problem sein kann, wenn man schon als mann mal “in jeder drin war“.

ich sage ihm nicht, dass ich ein problem mit seiner vergangenheit habe. es war vor meiner zeit und er ist mir ja treu. ändern kann man das vergangene auch nicht.

trotzdem macht es mich fertig. Und ich denk mir jedes mal: warum musst du so gewesen sein?!

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

wenn du meine ehrliche Meinung hören willst: Ein solches Verhalten von ihm ist absolut inakzeptabel.

Und ich rede nicht davon, mit wie vielen Frauen er in seinem Leben geschlafen hat - das kann er entscheiden, wie er will, solange er Single ist. Beziehungsweise war. Aber das ändert nichts daran, dass das Wort "Schlampe" eine Beleidigung ist, und dass es abwertend ist, von einer Frau zu sagen, dass "jeder schon mal in ihr drin war".

Auch Frauen, die sich sexuell ausleben, wählen ihre Partner bewusst - sei es, weil sie sie attraktiv finden, sei es aus anderen Gründen. Das Wort "Schlampe" ist also schon deshalb unangebracht, weil eine Frau, die so lebt, sich eben nicht erniedrigt und entwertet, wie das Wort es von ihr behauptet. Sie nutzt vielmehr einen Freiraum, den die Gesellschaft ihr - zum Glück - heute auch als Frau bietet, sie lebt ihre Sexualität selbstbewusst. Sie tut, was sie tun möchte - und solange das respektvoll und auf freiwilliger Basis geschieht, ist dagegen auch nichts einzuwenden.

Nun, warum ist es dann so, dass Männer, die viele Sexualpartnerinnen hatten, dafür sogar noch Anerkennung erfahren, während Frauen sich dafür rechtfertigen müssen - besonders vor Männern, aber auch vor anderen Frauen? Es ist ganz einfach: Hier ist ein Rollenbild lebendig. Es behauptet: Frauen sparen sich auf, träumen und schwärmen, warten auf die große Liebe, der sie sich dann ganz hingeben. Männer dagegen sind wild, ungezähmt, brauchen ihre Freiheit. Und die Frauen, die sie dazu brauchen, werden dann als "Schlampen" beschimpft.

Das ist, wie du ja selbst siehst, weder fair noch gerecht. Es gibt Frauen - und Männer -, denen die Liebe über alles gilt, die sich für den EINEN oder die EINE aufheben wollen. Und es gibt Frauen wie Männer, die ihr Sexleben freier gestalten, um vielleicht später einmal in feste Hände zu kommen. Beide Modelle sind in Ordnung. Was nicht in Ordnung ist, ist, dass es Männern zugestanden wird, während Frauen dafür abfällig behandelt werden.

Du kannst deinen Freund nicht daran hindern, so zu denken. Aber du solltest dir verbitten, dass er so redet. Es wäre schon deshalb nicht in Ordnung, weil es eine soziale Unverfrorenheit und boshaft ist - auch wenn er das anders sieht. Aber zunächst einmal geht es hier um deine Gefühle. Und du hast das Bedürfnis, dass Frauen, die für sich einen anderen Weg gewählt haben als du es hast, nicht dafür beschimpft werden. Das ist ein gutes und verständliches Anliegen, auf das dein Freund unbedingt Rücksicht nehmen sollte. Denn ER war es ja, dem diese Frauen sehr zupasse kamen, als er noch Single war - er hat "Schlampen" produziert, statt sie darüber zu belehren, dass sie doch lieber auf den Richtigen warten sollten. Dann braucht er hinterher auch nicht schlecht von ihnen zu denken.

Es ist an dir, ihm das deutlich zu sagen. Ich kann dir keine Empfehlung geben, was die Konsequenzen sein sollten, wenn er es nicht einsehen will, da nur du wissen kannst, wieviel dir die Beziehung wert ist. Ich bin keine Frau und kann mich wahrscheinlich nur bedingt in dich einfühlen. Aber ich verstehe deinen Wunsch, und ich glaube, dass er mehr als berechtigt ist.

Es ist nicht falsch, ein ausschweifendes Liebesleben zu führen, sofern man ungebunden ist. Doch es ist falsch, diejenigen, die Bestandteil dieses Lebens waren, deswegen zu verachten. Damit beleidigt er indirekt auch dich, liebe Anonyme. Denn du bist diejenige, wegen der er dieses Leben aufgegeben hat. Ist es das einzig Gute an dir, dass du keine "Schlampe" bist? Oder ist das Beste an dir, dass du eine tolle junge Frau bist, dass er dich liebt und du ihm etwas gibst, was die Anderen ihm nicht geben konnten? Dann sollte er besser aufhören, sie abzuwerten. Denn wenn er am liebsten nur mit einer Frau zusammen sein will, die keine "Schlampe" ist, dann könntest du auch entscheiden, keine "männliche Schlampe" zum Freund haben zu wollen. Natürlich sagst du, dass dich seine Vergangenheit nicht kümmert. Dir bleibt aber auch keine Wahl, wenn du mit ihm zusammen sein willst. Und wenn du dich dagegen entscheiden würdest, könntest du ohne Weiteres genau der Logik folgen, mit der er sagt, warum er dich zur Freundin will - und keine seiner One-Night-Stands.

Liebe Anonyme: Es ist deine Beziehung! Fordere den Respekt ein, der dir gebührt! Und allen Frauen!

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul