Problem von Nino - 13 Jahre

Meine Probleme

Ich bin seit einiger Zeit im Gymnasium und dort immer mega gestresst und fühle mich emotional leer und bin immer schlecht oder genervt drauf ich schlafe zwar fast immer 9 Stunden aber am nächsten Tag bin ich immer noch genauso müde wie vorher und habe mega augenringe. Ich fühle mich auch sehr isoliert ich mag es nicht wenn Freunde zu besuch sind und hoffe das sie wieder gehen. Mir fällt es auch allgemein schwer Leute anzusprechen oder über dieses Problem zu reden in der schule habe ich auch manchmal emotionale zusammenbrüche und fange deswegen an zu weinen. Ich nehme alles sehr persönlich und Grüble viel wenn jemand mich beleidigt bin ich schon sehr traurig

Bitte helft mir schnell
Nino

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Nino!

Wie gut, dass du uns geschrieben hast. Ich helfe dir sehr gerne weiter. Allerdings kann ich dir aus der Ferne nur grobe Richtungen nennen. Du wirst dich in verschiedene Bereiche reindenken und - fühlen müssen, um dem Ganzen auf die Spur zu kommen. Ich möchte dich zudem ermuntern, dich deinen Eltern oder anderen Erwachsenen anzuvertrauen, zu denen du ein gutes Verhältnis hast. Es ist dir zwar sehr unangenehm, doch langfristig wirst du mit diesem Kaliber nicht allein zurechtkommen. Daher: Spring bitte über deinen Schatten!

Ich finde es auffällig, dass du von verschiedenen Sachen in der Schule berichtest, aber du anscheinend keine größeren Probleme mit dem Unterricht bzw. dem Lernen hast (falls doch und du hast es nur nicht genannt, liegt hier vielleicht zum Teil der Schlüssel zur Lösung verborgen!).
Du nennst folgende Aspekte:
- Gestresstsein
- emotionale Leere
- Grübeln
- Gefühlsausbrüche
- Konflikt mit Anderen (allein sein wollen <--> sich isoliert fühlen)
- mangelnde Erholung, schlechter Schlaf

Es kann sein, dass dich der Beginn der Pubertät "eiskalt" erwischt hat. Vielleicht stellen die Hormone gerade viel in dir auf den Kopf und du wirst davon überfordert. Das kannst du bestimmt herausfinden, indem du dich fragst: Geht es mir eigentlich gut - werde aber immer wieder von Stimmungsschwankungen und oberflächlichen Genervtheiten überfallen? Oder ist da noch etwas Tiefergehendes, was mir zu schaffen macht?
--> Dazu zwei konkretere Fragen:
- Gibt es speziell seit deinem Schulwechsel aufs Gymnasium diese Schwierigkeiten? Oder ging es dir in der Grundschule auch manchmal so, aber vielleicht noch nicht so ausgeprägt?
- Hast du irgendwelche Nöte, die sich auf dein Befinden auswirken könnten, z.B. viel Streit mit deinen Eltern, eine Krankheit/Behinderung, schlechte Wohnverhältnisse...?

Es kann sein, dass du ein eher introvertierter Typ bist. Dann brauchst du möglichst viel Zeit für dich, um dich erholen zu können. Erst wenn du ausreichend allein warst, hast du wieder Kraft für Treffen mit Freund:innnen. Das Buch "Still und stark" von Susan Cain kann für dich interessant sein. Da geht es um introvertierte Jugendliche und wie sie optimal ihr Gleichgewicht von Alleinsein/Ruhe & Geselligkeit finden können.

Gerade das Thema Schlaf ist interessant. Es kann an vielen Dingen liegen, dass du dich nicht erholt fühlst. Hier ein paar Ideen dazu:
- zu wenig Schlaf (es kann sein, dass du eigentlich mehr als neun Stunden bräuchtest); also früher schlafen gehen
- zuviel Schlaf (ja, auch in deinem Alter kann es sein, dass du eigentlich mit weniger Stunden besser auskommen würdest!) --> da kannst du mal mit mehroder weniger Schlaf experimentieren. Am besten in den Ferien oder am Wochenende.
- stressender Medienkonsum vor dem Einschlafen (Smartphone, PC-Spiele, Musik...)
- zuviel und zu ungesundes Essen (direkt) vor dem Schlafengehen
- ungünstige Umgebung: z.B. ungemütliches Bett, stickiges Zimmer (lüften!), Lautstärke aus anderen Wohnungen,...
- Grübeln vor dem Einschlafen
=> möglichst viel zum Guten verändern: Für ausreichend Ruhe, frische Luft und Gemütlichkeit sorgen, die optimale Schlafstundenzahl für dich herausfinden, dich vor dem Schlafengehen entspannen, um Grübeln zu verhindern (z.B. durch Gespräche mit deinen Eltern über Themen, die dich beschäftigen, Rituale, wichtige Dinge tagsüber erledigen, Entspannungsübungen, kleine Massagen, Tagebuchschreiben, Fantasiereisen)

Tja, der letzte Punkt mit dem Grübeln bringt mich zu einer weiteren Sache, die du erforschen kannst.
Wenn ich mir alle Dinge so in ihrer Summe anschaue, die dich aktuell heimsuchen, denke ich auch an Hochsensibilität. Das ist, kurz gesagt: Eine andere Art, Reize aufzunehmen und zu verarbeiten "Aufgrund besonderer Eigenschaften ihres Nervensystems nehmen Hochsensible mehr und intensiver wahr als andere Menschen. Dies hat manche Vorteile, führt allerdings auch zu früherer Erschöpfung und scheinbar geringerer Belastbarkeit." (Quelle: www.hochsensibel.org). Das ist also keine Krankheit, sondern eher eine Eigenart der Persönlichkeit. Sie äußert sich ganz unterschiedlich. Manche reagieren sehr stark auf Geräusche, andere auf Zeitdruck, andere auf Gefühle ihrer Mitmenschen... meistens sind es gleich mehrere Bereiche, in denen mehr wahrgenommen wird. Das kann auch sehr schöne Seiten haben, z.B. viele kleine Glücksgefühle erleben, besser zuhören können, mehr interessante Einzelheiten erkennen. Ich habe ein passendes Video zur Beschreibung dieses Phänomens entdeckt: https://www.youtube.com/watch?v=6ryRrLGgnZE
Um einen ersten Eindruck zu bekommen, wie es hochsensiblen Jugendlichen gehen kann, habe ich dir einen Link zu Erfahrungsberichten herausgesucht. Es geht es teilweise auch um Schule: http://www.hochsensiblehilfe.de/angebot/hsjspr.htm

Egal, ob du hochsensibel bist oder nicht - Insgesamt geht es darum, dass du dir genau überlegst, was du brauchst, um dich gut zu fühlen. Wenn du davon zu wenig hast, musst du dafür sorgen, es zu bekommen. In der Schule kann das z.B. mehr Ruhe im Unterricht sein oder ein Platz am Fenster, um zwischendurch nach draußen zu sehen. Auch mit Freund:innen solltest du darauf achten, wer wirklich zu dir passt, wen du als Bereicherung in deiner Freizeit empfindest. Vielleicht musst du dir dabei auch eingestehen, dass einige keine echten Freunde sind. Sondern eher Bekannte oder Kumpels.
Auch umgekehrt gilt: Alles, was zuviel wird, musst du irgendwie reduzieren. Wenn das nicht geht, weil du den Schulalltag ja nicht einfach umgehen kannst, brauchst du zusätzliche Tricks. Nach dem Heimkommen ein Nickerchen machen zum Beispiel. Einen Spaziergang machen, Sport treiben. Bestimmt fällt dir etwas für dich Passendes ein (denke darüber nach, was dir in der Vergangenheit super geholfen hat oder was du dir gerade als sehr verlockend vorstellst).

Wenn Umgang mit Stress und starken Emotionen sehr wichtige Themen für dich sind, kannst du nach Angeboten in deiner Nähe suchen. Es gibt z.B. Leute, die sich auf die Beratung und Unterstützung von (hochsensiblen) Kindern und Jugendlichen spezialisiert haben. Sie bieten unter anderem Einzel - und Gruppentrainings an, klären altersgerecht über Dinge wie Introvertiertheit, Emotionalität, Hochsensibilität etc. auf und können so helfen, im Alltag nicht mehr so hilflos zu sein. Auch an Volkshochschulen (VHS) gibt es teilweise Kurse. Wichtig ist hier natürlich, dass du mit deinen Eltern sprichst. Sie können dir nicht nur helfen, dein Verhalten besser einzuschätzen, sondern dir auch bei der Suche nach passenden Angeboten zu helfen.

Du kannst dich jeder Zeit wieder melden, wenn du berichten möchtest, wie es bei dir weitergegangen ist.

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala