Problem von Anonym - 22 Jahre

Gewalt in der Familie

Hallo,

ich bin am Ende meiner Kräfte. In den letzten Jahren ist so viel passiert dass es für mehrere Leben reicht. Ich bin als Scheidungskind aufgewachsen in einer Familie in der es ab der Trennung für mich kein liebevolles zu Hause mehr gab.
Als ich klein war, hat mein Vater mich missbraucht, aber daran fange ich erst seit einem halben Jahr an mich wirklich zu erinnern.
Ich war damals drei oder vier Jahre alt.
Meine Eltern trennten sich, aber es wurde nicht besser.
Ich bin mit 12 von meinem Nachhilfelehrer missbraucht worden, den ich Anfang letzten Jahres endlich angezeigt habe.
Meine Mutter hat mir damals nicht geglaubt. Sie fing erst an mir zu glauben als es zu spät war für eine Versöhnung.
Ich bin mit 18 ausgezogen und habe mit Prostitution mein Geld verdient.
Ich habe mein Abitur deswegen nicht geschafft.
2 Jahre war ich gefangen in der Prostitution, als ich mich endlich da raus kämpfte und einen Ausbildungsplatz als Hotelfachfrau in einem sehr großen Hotel bekam.
Das war die einzige Zeit in der ich kurz glücklich war.
Leider sollte dieses Glück nicht lange anhalten.
Ich war mit einer zehn Jahre älteren Frau befreundet, die früher als Prostituierte gearbeitet hat.
Stück für Stück war ich emotional und exitenziell so abhängig von ihr, dass ich sie nicht mehr verlassen konnte. Sie wollte, dass ich für sie arbeite.
Nur fünf Monate nach meinem Ausbildungsbeginn verlor ich meine Ausbildung wegen ihr. Dem Hotel war es einfach zu viel, dass ich immer wieder mit blauen Flecken zur Arbeit kam. Es war auch irgendwie meine Schuld, ich hab mir ja nicht helfen lassen, aber die Situation war so gefährlich und auswegslos, dass ich mich nicht getraut habe Hilfe anzunehmen.
In einer Nacht vorletzten Jahres hat sie mir gegen den Kopf getreten und das war dann der Punkt, wo ich wusste, dass es noch viel schlimmer enden könnte. Ich hab sie angezeigt und bin auf der Straße gelandet. Ohne Job, ohne Geld.
Ich habe eine Zeit lang in Straßenbahnen geschlafen und vor allem im Flughafen.
Irgendwann verließ mich die Kraft und ich ging wieder zu ihr zurück.
Ein paar Monate später ist sie dann in Untersuchungshaft gelandet, aber inzwischen wieder frei.
Aber ich muss sie trotzdem immer wieder bei Gerichtsverhandlungen sehen.
Das ist schwer.
Zudem sind in den letzten zwei Jahren meine Oma und meine Mama gestorben.
Meine Oma lag letztes Jahr tot zu Hause, meine Mama ist im Februar neben mir im Auto zusammengebrochen. Ich hab sie sterben sehen.
Das schlimmste war, dass ich über 200km von zu Hause entfernt war weil das alles auf der Beerdigung meiner Großtante passiert ist.
Ich kannte fast niemanden auf der Beerdigung. Meine Schwester war in den USA, mein Onkel kam nicht zur Beerdigung.
Ich war ganz alleine mit meiner Mutter auf diesem Parkplatz auf dem Friedhof und ich wusste nicht was ich tun soll.
Ich konnte nichts machen.

Seit ein paar Wochen weiß ich dass ich schwanger bin und das überfordert mich, denn ich stehe ganz alleine da.
Meine Schwester will mir mein zu Hause nehmen. Ich wohne seit dem Tod meiner Mutter in der Wohnung meiner Mutter, die wir geerbt haben.
Meine Schwester weiß von meiner Schwangerschaft, trotzdem will sie die Wohnung gegen meinen Willen verkaufen.
Sie hat ja auch ihr eigenes zu Hause und fängt an zu studieren. Ihr Leben läuft gut. Meine Schwester ist 3 Jahre jünger als ich, trotztdem ist sie sehr aggressiv und heute war es wieder richtig schlimm.
Sie war zu Hause weil ich seit Tagen nicht mehr mit ihr reden möchte.
Ich bin nicht darauf eingegangen.
Mein Schlüssel steckte in meiner Zimmertüre weil ich immer abschließe wenn ich das Haus verlasse.
Sie hat mich heute Morgen eingesperrt was mich fassungslos gemacht hat. Dann hat sie die Wohnung verlassen.
Eine halbe Stunde später kam sie wieder und ich wollte meinen Schlüssel wiederhaben.
Ich kann mich zu Hause nicht mehr vor ihr einschließen weil sie in der Zwischenzeit meinen Zimmerschlüssel vom Bund abgemacht hat.
Ich wollte ihr meinen Schlüssel als sie wiederkam wegnehmen, aber dann hat sie mir in den Bauch getreten.
Ich bin schwanger. Ich hatte total Angst um mein Baby.
Ich weiß nicht wie es weitergehen soll.


Liebe Grüße

Janine Wochnik Anwort von Janine Wochnik

Liebe Ratsuchende,

deine Geschichte zu lesen ist unglaublich schwer.
Man kann sich kaum vorstellen was du durchgemacht hast und immer noch durch machst!
Ich habe den größten Respekt vor dir!!!
Du gibst nie auf und du wehrst dich. Trotz allem was dir widerfahren ist. Trotz allem was dir hätte passieren können!
Du bist eine unheimlich starke Frau! Du kannst wirklich stolz auf dich sein!
Gib nicht auf! Du hast es so weit geschafft, alles was jetzt noch kommt, kann nur besser werden.
Dein Leben ist nicht leicht und es wird wahrscheinlich noch eine Weile so weiter gehen.
Das bedeutet aber nicht das es für immer so bleibt. Im Vergleich dazu was du bisher erlebt hast, wird der Rest für dich wahrscheinlich wie Urlaub!

Ich möchte dir als erstes ans Herz legen zu Pro Familia zu gehen. Die Leute die dort arbeiten wissen welche Hilfe du bekommen kannst für dich und das Baby.
Es tut mir leid das so zu sagen, aber das Baby hat jetzt Priorität. Es kann nicht für sich alleine sorgen. Und du musst das übernehmen. In der Lage, in der du dich befindest wird das aber verdammt schwer.
Ein Kind groß zu ziehen ist keine leichte Aufgabe. Und unter deinen Voraussetzungen ist es um ein vielfaches schwieriger.
Lass dir bitte helfen. Wenn nicht für dich, dann für dein Baby.
Pro Familia ist da eine gute Anlaufstelle.
Du kannst auch überlegen dir vom Jugendamt helfen zu lassen. Man hört viel schlechtes. Aber wie das immer so ist. Gute Dingen hört man eben sehr selten. Ein Lob wird weniger ausgesprochen. Die Menschen sind da einfach fauler.
Wie dem auch sei. Jugendämter haben gute Mittel für Familien. So kannst du zum Beispiel eine Familienhilfe bekommen.
Diese kann dir bei den Dingen im täglichen Leben helfen.
Wo bekommt man Gelder. Einkaufen gehen. Möbel aufbauen/tragen. Und vieles mehr.
Außerdem hast du immer jemanden, mit dem du reden kannst, der in schwierigen Zeiten Tipps hat.
Oder dir auch einfach mal zuhört.
Ich weiß, es fällt schwer Hilfe in solchen Maßen anzunehmen. Aber es gibt diese Angebote und das ist toll!
Du brauchst auch keine Angst haben. Sie werden dir nur helfen. Sonst nichts.
Sei einfach ehrlich und offen. Nimm die Hilfe an und versuche mit denen zusammen zu arbeiten. Selbst wenn es etwas problematisch werden kann.

Was die Wohnung angeht, kannst du versuchen mit deiner Schwester nochmal zu sprechen. Erkläre ihr in Ruhe wie es dir geht. Und ansonsten lass dich von einem Anwalt beraten was für Möglichkeiten du hast.
Einfach so kann deine Schwester die Wohnung nicht verkaufen. Und wenn, dann gehört dir auch ein Teil des Geldes.
Was genau dabei heraus kommt kann ich dir nicht sagen. Ich bin kein Anwalt.
Ein solcher kann dir aber sehr wohl helfen.

Was deine Vergangenheit angeht, würde ich dir auf jeden Fall raten einen Psychologen aufzusuchen. Allerdings werden die Psychologen dir davon abraten in der Schwangerschaft eine Therapie zu machen, weil sich die Gefühle sehr auf das Kind übertragen. Es kann jedoch nicht schaden schon mal versuchen einen Termin zu bekommen. Dies kann durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Wenn du das nicht möchtest kannst du auch zu einer Frauenberatungsstelle gehen. Diese kennen Schicksale, ähnlich wie deines und haben sicherlich den ein oder Ratschlag für dich!

Du hast schon so vieles überstanden. Du schaffst den Rest ganz sicher.
Du musst dich jetzt darauf konzentrieren, dass es dir besser geht! Damit du deinem Kind eine Zukunft, ein Leben bieten kannst!
Und natürlich hast du es verdient ein gutes Leben zu führen! Und das kannst du schaffen! Es wird nicht leicht, doch ich glaube ganz fest daran, dass du es schaffst!
Glaube an dich! Glaube an deine Fähigkeiten. Dann wirst du alles schaffen, was du willst!
Gib nicht auf! Kämpfe!
Der Rest deines Lebens wartet auf dich. Die schönen Dinge des Lebens warten auf dich!
Ich drücke dir ganz fest die Daumen! Du wirst es schaffen!

Alles Gute.
Liebe Grüße,
Janine