Problem von Anonym - 25 Jahre

Oma verteidigt meine grausame Mutter

Es ist schrecklich und ich brauche eure Hilfe. Meine Oma (die Mutter meiner Mutter) und ich haben erst seit Ende Januar wieder Kontakt miteinander, vorher ging das nicht, weil bis dahin meine Mutter noch bei ihr lebte. Meine Mutter und ich waren bis zu ihrem Tod spinnefeind (das habe ich in einem anderen Brief an euch erwähnt), doch jetzt nach ihrem Tod ist folgendes Problem aufgetaucht: wenn ich mit ihr Sonntag Abend telefoniere, geht es anfangs darum wie sehr meine Oma meine Mutter vermisst, obwohl meine Mutter in den letzten 25 Jahren besonders mir gegenüber im schlimmsten Maße grausam, gefährlich, brutal, und aggressiv war. Das ist das erste was mich daran aufregt. Desweiteren ist es ein Riesenproblem für mich dass sie sie verteidigt wenn ich die böse und schreckliche Wahrheit über sie sage. Ich war zum Beispiel schon einige Male im Krankenhaus weil meine Mutter mich verprügelt hat, aber das glaut meine Oma mir nicht und sagt ich war frech zu meiner Mutter. Sie glaubt mir auch nicht dass ich wegen meiner tyrannischen und gefährlichen Mutter schwer traumatisiert bin und es mir deswegen psychisch sehr schlecht geht. Ich hingegen bin froh dass sie endlich tot ist, weil die Zeit mit ihr eine schreckliche Kindheit und Jugend war, mit viel Gewalt ihrerseits, sie war ständig betrunken und hat mich physisch so wie psychisch schwerstens gequält.
Noch schlimmer ist dass meine Oma das nicht erkennt und das verletzt mich sehr. Andererseits will ich weiterhin mit ihr Kontakt haben, ich habe 4 Jahre nichts von ihr gehört und sie fehlt mir. Ich kann nur Sonntag Abend mit ihr telefonieren, wegen der Zeitverschiebung, sie lebt in Mexiko und liegt 7 Stunden hinter mir. Es graut mir vor ihren nächsten Geschichten darüber was für ein "guter Mensch " meine Mutter in den Augen meiner Oma ist. Ich will einfach nur dass meine Oma und ich wieder so unbeschwert wie früher, wo ich alleine bei ihr die Urlaube verbrachte, die Zeit zusammen genießen können ohne dass es um meine gestörte Mutter geht. Ich bin sehr verzweifelt über die Situation und will meine Oma nicht nochmal verlieren. Trotz der Probleme wegen meiner tyrannischen Mutter ist meine Oma eine wichtige Person für mich und ich habe sie sehr lieb. Bitte helft mir, ich weiß nicht mehr weiter und brauchen dringend Hilfe wie diese Beziehung wieder gerettet werden kann.

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

ich kann dich verstehen in deiner Verletztheit. Du wünschst dir, dass deine Oma dich schützt und tröstet. Das ist absolut nachvollziehbar.
Ich glaube dennoch, dass du in diesem Punkt zuviel von ihr erwartest und nur deine Position siehst. Wenn du deinen Blickwinkel auf sie erweiterst, siehst du eine Mutter, die ihr Kind verteidigen möchte. Das ist tief verankert und lässt sich nicht wegdiskutieren. Sie wird vermutlich Zeit ihres Lebens das Bild ihrer lieben Tochter aufrecht erhalten wollen. Sei es aus Selbstschutz, sei es aus einer verzerrten Wahrnehmung. Sie hat ihre Tochter sicher geliebt, auch wenn offenbar einiges in eurer Familie schief gegangen ist.

Ich denke, du musst irgendwie deinen Frieden damit finden. Das heißt, akzeptieren zu lernen, dass es diese beiden Pole gibt zwischen euch. Anzuerkennen, dass du deine Mutter hasst, aber sie gleichzeitig tief im Herzen ihrer eigenen Mutter ist. Das ist verdammt schwer auszuhalten, doch ich glaube, dass du es schaffen kannst. Gehe ein paar Schritte zurück, lass den Blick auf das große Ganze zu! Und übe dich in Nachsichtigkeit mit deiner Oma. Sie ist bestimmt auch durch ihr eigenes Leben darauf getrimmt, das Tuch des Schweigens und der Ignoranz über der Wahrheit zu belassen. Sei ihr deswegen nicht unnötig böse! Sie kann wohl nicht anders.
Was nicht heißt, dass du nicht mit ihr im Gespräch bleiben kannst. Und sie bitten kannst, das Thema Mutter auszuklammern. Oder ihr nahezulegen, dass es für dich zuviel ist, immer von "der guten Mutter" zu hören.
Du selbst kannst am besten einschätzen, um was du sie bitten darfst.
Letztlich geht es hier auch um gesundes Grenzensetzen: Deiner Oma gegenüber, aber auch dir selbst. Du darfst deiner Oma Grenzen setzen und auch mal ein Telefonat vorzeitig beenden, wenn es dir zuviel wird. Und du kannst dir selbst sagen, dass du dich gefälligst nicht in deinem Zorn einigeln willst.

Wie wäre es, wenn du dich ab jetzt ganz auf deine Oma und das Schöne zwischen euch besinnst? Du bist im Groll gefangen und lässt dich davon lähmen. Doch jetzt ist es doch Zeit für ein neues Leben. Da hat der alte Schmutz keinen Platz. Natürlich bedeutet das nicht, dass du die alten Wunden verdrängen solltest. Nein, im Gegenteil, wenn du da noch Bedarf hast, solltest du dich entsprechend kümmern. Doch drehst du dich im Kreis, wenn du deiner Oma immer wieder böse bist - es ändert sich nichts, außer dass du frustriert bist und im Alten verhaftet bleibst.
Solltest du Hilfe benötigen, was die konkrete Gesprächsführung mit deiner Oma angeht - also wie du damit umgehen kannst, wenn eure Sichtweisen völlig auseinanderdriften und du dich durch mentales Training allein nicht distanzieren kannst, wäre das auf jeden Fall ein Thema in einer Therapie.

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala