Problem von Flo - 19 Jahre

Nichts hat für mich einen Wert

Hallo liebes Kummerkasten - Team,

ich bin nun 19 Jahre alt und mir kommt es vor, als ob nichts in diesem Leben für mich einen Wert hat. Und zwar nicht in dem Sinne, dass ich aus Ablehnung alles als "egal" abstemple, nein, mir kommt es so vor, als wäre ich nicht imstande, irgendetwas zu fühlen, mit "Herzblut" irgendwo dabei zu sein oder mich irgendwie im Leben weiterzubringen. Ich kann es leider nicht besonders gut in Worte fassen, aber egal was falsch mit mir ist, ich habe das Gefühl dass es mich über die Jahre hinweg kontinuierlich kaputt macht. Ich glaube, mein Umfeld schätzt mich sehr, da ich oft als scheinbar aufgeweckter, fröhlicher Mensch ganz umgänglich und unterhaltsam sein kann und das auch ohne mich zu verstellen, dennoch fühle ich mich die meiste Zeit eher "leer".
Zudem bringt mich diese Einstellung oft in andere Schwierigkeiten, z.B. mit meinen Eltern, die (verständlicherweise) von mir erwarten, Bock auf dieses Leben zu haben und etwas damit anzustellen, allerdings ganz oft kläglich daran scheitern, dass ich nichts aus eigenem Antrieb tue z.B. Reisen oder Praktika. Ich habe bereits überlegt, ob ich nicht einfach faul bin, aber, da ich mich vor Arbeit, die ansteht, noch nie gedrückt habe, schließe ich das mal aus. Es kommt mir einfach so vor, als hätte ich vor Jahren etwas verloren, was mich für das Leben "Begeisterung" zeigen ließ, und ich bin langsam am Verzweifeln, wie ich damit umgehen soll, da ich für mich und auch andere Menschen in mancherlei Hinsicht mit dieser Einstellung eine "Belastung" bin.

Ich hoffe, mein Problem ist nicht zu banal, ich hab mich mal bei euch auf der Seite umgeschaut und es gibt so viele Jugendliche, die eure Hilfe wirklich dringend brauchen. Deshalb bin ich nicht böse, solltet ihr keine Zeit haben, euch meine Sorgen anzuhören.
Vielen Dank für eure Arbeit und alles Gute.

Flo

Anwort von Diana

Lieber Flo,

vielen Dank für dein Vertrauen in uns und für deine Geduld, länger auf eine Antwort zu warten.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was genau in dir vorgeht. Einerseits klingt es für mich so als wärst du auf der Suche nach deinem „Inneren Kind“, andererseits könnte man auch denken, dass dir der „Sinn“ deines Lebens fehlt oder du ein bestimmtes Ziel erreichen willst, dir aber das entsprechende Ziel noch fehlt. Es dir also einfach nur um den Prozess des Strebens geht? Zum ersten Punkt fallen mir folgende Gedanken ein: Kinder können sich für alles mögliche begeistern ohne jede Anstrengung, jedoch schwindet uns diese Fähigkeit mit zunehmendem Alter meistens und wir machen uns zu viele Gedanken, sind nicht mehr bei der eigentlichen Sache, im Hier und Jetzt. So geht es also wahrscheinlich den meisten Erwachsenen hin und wieder, jedoch nimmt es nicht jeder wahr, bzw. flüchten sich viele in ihre Arbeit, in die Welt des Internets oder nehmen anderweitige Ablenkung in Anspruch. Wenn wir uns allerdings nicht mit unseren Problemen auch mal gelegentlich auseinandersetzen, wird es uns irgendwann deutlich schwerer fallen, die kleinen Momente des Alltags zu genießen und das macht uns traurig oder wir sehen einfach keinen Sinn mehr in Dingen, die uns früher noch fasziniert, glücklich gemacht haben. Du bist dir jedoch bewusst darüber, dass du dieses Problem hast und dass es dich sehr belastet, dich traurig macht. Und das ist eine ganz wichtige Voraussetzung! Jetzt kommt der nächste Schritt für dich. Für etwas begeistern können wir uns nur, wenn wir es auch „mitkriegen“, sprich mit all unseren Sinnen anwesend sind. Wann hast du das letzte Mal ein Stückchen Schokolade oder ähnliches gegessen und dabei wirklich nur auf den Geschmack geachtet, auf die Konsistenz, wie sie schmilzt? Oder wann bist du das letzte Mal bewusst barfuß gelaufen, um den Boden unter dir richtig zu spüren? Das sind einige Beispiele für sogenannte Achtsamkeitsübungen. Sie klingen banal und auch irgendwie unspektakulär, aber es ist erstaunlich, wie großartig diese Momente sein können, wenn man sie wahrnimmt. Und wenn du diese Übungen in deinen Alltag immer mal wieder einbaust, wird es dir wahrscheinlich Stück für Stück immer leichter fallen, im Hier und Jetzt zu sein und du wirst das achtsame Verhalten auch auf andere Tätigkeiten übertragen.

Zu meiner anderen Theorie: „Bock auf dieses Leben“ zu haben bedeutet meiner Meinung nach nicht unbedingt, einen genauen Plan zu haben, bzw. ein bestimmtes größeres Ziel zu verfolgen. Nicht jeder muss studieren und für seinen späteren Beruf leben oder die Welt erkunden und das dann jedem mitteilen. Alles, was du machst, machst du letztendlich nur für dich, oder? Tu‘ das, was DICH glücklich macht! Probiere Dinge aus, ohne zu hohe Erwartungen daranzusetzen, dass es dir gefallen muss, dass es dich begeistern muss. Nein! Nichts muss! Wir haben alle nur ein Leben (so die Theorie) und ich denke, wir sollten es so leben, wie es uns glücklich und zufrieden macht.

Wenn du jedoch der Ansicht bist, dass du mit den Tipps nicht viel anfangen kannst oder du jemanden brauchst, der dir noch mehr Ratschläge an die Hand gibt und dich regelmäßig begleitet, scheue dich bitte nicht davor, einen ausgebildeten Psychotherapeuten aufzusuchen. Ganz oft kann ein Therapeut über mehrere Sitzungen mit dir gemeinsam deine Ressourcen aufzeigen, was dir wieder Hoffnung und Lebensfreude schenken kann. Weitere Informationen dazu findest du u.a. auch im Kummerkasten: https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html
Ansonsten, lieber Flo, wünsche ich dir alles Gute für dich und deine Zukunft, welche sicher noch viele schöne Momente für dich bereithalten wird, vor allem jetzt zur besinnlichen Weihnachtszeit!

Viele Grüße

Diana