Problem von Anonym - 23 Jahre

Ich empfinde nur noch Glück, wenn ich mit meiner Freundin zusammen bin

Hallo zusammen,

Es fällt mir schwer mich fremden Menschen zu öffnen, auch wenn es anonym ist. Den einzigen Menschen denen ich mich anvertraue sind meine Eltern und meine Freundin.
Seit einigen Monaten wohne ich nun in meiner ersten eigenen Wohnung. Mein Elternhaus liegt nur ca. 10 Minuten Autofahrt entfernt. Außerdem bin ich seit etwas über einem Jahr in einer sehr glücklichen Beziehung. Leider wohnt meine Freundin nicht in meiner Stadt, wenngleich es auch nur 1 Stunde Autofahrt zu ihr ist.

Da wir beide studieren und nebenbei etwas arbeiten bleibt nicht sehr viel Zeit für Zweisamkeit (maximal 2,5 Tage pro Woche). Hinzu kommt auch, dass meine Freundin sehr viel Wert darauf legt von ihrer Freizeit auch ab und an noch etwas mit ihren Freunden unternehmen zu können. Das kann ich absolut nachvollziehen und ich gestehe ihr diese Zeit auch zu vorausgesetzt es bleibt immer noch genügend Zeit für uns beide übrig...

Zu meinem Problem:
Im Grunde bin ich, seit ich alleine Wohne (eigentlich auch schon einige Wochen vorher) nur noch Glücklich wenn meine Freundin bei mir ist. Alle anderen Tage (und das sind nunmal die Meisten) fühle ich mich niedergeschlagen und unglücklich. Dabei habe ich zahlreiche Hobbys (Malerei, Klavier, Sport, und vieles mehr). Die Hobbys haben mich sonst immer mit genügend Freude erfüllt, aber das ist wie gesagt schon länger nicht mehr der Fall.
Die Zeit mit meiner Partnerin stellt einfach alles andere in den Schatten.

Leider ist meine Freundin derzeit nicht bereit mit mir zusammen zu ziehen. Sie fühlt sich noch nicht bereit dafür. Auch wenn ich ihre Einstellung nachvollziehen kann wünsche ich mir im Moment nichts sehnlicher, als mit ihr jeden Abend zusammen einzuschlafen. Ich weiß auch ehrlich gesagt gar nicht wie man diesen grauen Alltag mit Arbeit /
Stress und Verpflichtungen aushalten soll und dann Abends nach Hause geht nur um alleine einzuschlafen. Wie soll man da bitte nicht traurig werden?

Ich habe natürlich auch Freunde mit denen ich mich ab und an treffe (insofern dafür noch Zeit ist) aber die können mir auch nicht helfen die Dinge anders zu sehen.

Wenn meine Freundin bei mir ist, bin ich wie ausgewechselt. Als wäre ich ein anderer Mensch, wenn sie nicht da ist.

Ich weiß nicht ob es überhaupt eine Lösung für mein momentanes Problem gibt. Mir bleibt denke ich nichts anderes übrig als abzuwarten bis sie vielleicht in einem Jahr dazu bereit ist mit mir zusammen zu ziehen. Von mir aus auch ersteinmal als Probe...
Aber bis dahin glaube ich nicht, dass sich viel machen lässt.

Dennoch, ich bin für jeden guten Rat dankbar!

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ich finde es schön, dass du dich uns anvertraut hast. Damit bist du einen Schritt gegangen, der dir zwar schwer gefallen ist, aber schon zeigt, dass du etwas gegen deinen für dich nachteiligen Zustand unternehmen möchtest.

Von außen betrachtet ist es schwierig für mich, da etwas Genaueres zu sagen. Die Rahmenbedingungen scheinen ja objektiv gesehen zu passen, wie du auch selbst feststellst. Du hast dein Studium, mehrere Hobbys, deine Familie und ein paar Freund:innen. Und eben deine Beziehung.
Ich werde nun ein paar Hypothesen äußern. Das muss alles nicht stimmen! Ich will dir lediglich Denkanstöße geben, denn eventuell kommst du durch meine Erwähnungen auf ganz eigene Ideen und kannst dann entsprechend vorgehen.

Interessant finde ich an deiner Schilderung, dass dein Problem zeitlich mit deinem Auszug zusammenhängt. Nun äußere ich eine Vermutung: Irgendwas aus deinem Unbewussten scheint dadurch ans Licht gekommen zu sein. Vielleicht war deine eigene Wohnung ein negativer Auslöser.
Ein eher triviale Ursache kann sein, dass du dich in dem neuen Umfeld aus bestimmten Gründen nicht wohlfühlst, es aber so subtil ist, dass du es kaum bemerkst. Wie gefällt dir deine Wohnung, deine Einrichtung, die direkte Umgebung? Wie fühlst du dich, wenn du durch das Haus gehst? Hast du Kontakt zu den Hausbewohner:innen? Gibt es etwas, das dich kolossal nervt - z.B. bestimmte Farben, Gerüche, Geräusche, etc.? Das klingt zunächst harmlos, doch es kann tatsächlich dazu führen, dass man fliehen will - und dann eben glaubt, etwas Anderes sei der Grund.

Es kann außerdem sein, dass du eigentlich ganz gern bei deiner Familie geblieben wärst - dies aber offiziell nicht zur Debatte stand. Dass du dich gefügt hast, weil es ja "rational betrachtet" auch besser ist, sich abzunabeln und auf eigenen Füßen zu stehen. Doch persönliche Bedürfnisse und Gefühle sind eben oft anders, als die Norm es will...
Vielleicht bist du ein anhänglicher Mensch, der viel Kontakt und Nähe braucht. Dann könnte der Auszug deine Quelle für Nähe und Geborgenheit zum Versiegen gebracht haben.

In Kombination mit deiner Beschreibung, dass du mit deiner Freundin eine Fernbeziehung führst, kann das Eine zum Anderen geführt haben: Da du deinen Eltern deine Trauer und deine Angst nicht zeigen kannst (und es selbst wahrscheinlich nicht bewusst fühlst), schiebst du alles unbewusst zu deiner Freundin, die nun für dich die "gute Fee" ist, bei der alles schön ist, bei der du glücklich sein kannst und darfst (!). Und eben von ihr die Streicheleinheiten erhältst, die für dich jetzt einen gesteigerten Wert erhalten und die du nun umso begieriger aufsaugst.
Hier zu deiner Beziehung noch die Frage: Willst du deine Freundin nicht einfach viel mehr sehen- kapitulierst aber vor ihrer klaren Ansage, dass sie nicht mehr Nähe möchte? Das kann zur Folge haben, dass du trauerst und deine Freude am Leben verlierst. Und dann natürlich noch mehr nach ihr "hungerst". Das wäre ein Teufelskreislauf, weil du ihr deinen Mangel zu spüren gibst und sie wiederum eher Abstand nimmt, als näher mit dir zusammen zu rücken. Falls dem so ist - was ihr nur über ehrliche Gespräche und Selbstanalysen herausfinden könnt - gibt es die Option, einen Kompromiss zu finden. Oder als letzte Konsequenz die Trennung, falls eure Bedürfnisse zu unterschiedlich sind und ihr dadurch dauerhaft nur unzufrieden werdet bzw. bleibt. Ja, das klingt hart und das willst du bestimmt nicht lesen, doch wenn die Passung in einer Beziehung nicht bei so einem wesentlichen Punkt gegeben ist, hat es leider wenig Sinn... so schön es auch sonst sein mag.

Möglich ist da beispielsweise auch, dass du Verlassenheitsängste hast. Oder Angst vor dem Alleinsein. Beides kann mit Erfahrungen aus deiner (frühen) Kindheit zusammenhängen - oder mit einschneidenden Erlebnissen danach. Dies kann passieren, wenn Babys nicht getröstet werden, wenn sie schreien, alleine schlafen müssen (und ihr Schreien ignoriert wird) und/oder zu wenig körperliche Zuwendung erfolgt.
Es kann aber auch an Geschehnissen liegen, die mit Verlust eines geliebten Menschen zutun haben. Wenn ein nahe stehender Verwandter stirbt, es eine schwere Krankheitsphase im nahen Umfeld gab (und die Angst bestand, die Person könnte sterben).
Es gibt auch die "harmlosere" Variante, dass Kinder ganz natürlich auch Gedanken über Tod, Abschied und das Alleinsein anstellen und dies von den Eltern/Bezugspersonen nicht ernst genommen oder sogar das Sprechen darüber untersagt wird. So kann das Kind seine Ängste nicht angemessen bewältigen und bleibt allein damit. Und es wird sozusagen zum Tabuthema.
Wichtig dabei ist, dass Eltern all das selten in "böser" Absicht tun - ganz im Gegenteil. Sie wollen das Kind schützen und das Beste. Das Schreienlassen ist ein gutes Beispiel: Viele Eltern glauben leider immer noch, dass es das Beste sei, die Babys schreien zu lassen, um sie nicht zu "verwöhnen". Die Bindungsforschung weiß es jedoch besser. Ein Baby ist in jeder Hinsicht ein abhängiges und sehr liebesbedürftiges Wesen, das nicht verwöhnt werden kann. Sogar umgekehrt wird ein Schuh draus: Je mehr körperliche und seelische Zuwendung ein kleiner Mensch bekommt, desto gestärkter kann er in die Welt gehen. Wenn Eltern gegen ihre Intuition handeln und ihr Kind sich selbst überlassen, blutet ihnen mitunter selbst das Herz, weil sie tief in ihrem Inneren spüren, dass das nicht richtig sein kann. Aber weil von außen oft gesagt wird, dass sie hart bleiben müssen, ziehen sie dieses Programm durch - aus Liebe!

Das sind alles nur Möglichkeiten, die durch viele weitere ergänzt werden könnten. Ich will dir eine Idee vermitteln, was bei dir vielleicht ursächlich sein könnte.

Neben diesen Fantasien, die sich auf deinen Auszug beziehen, kann sich auch anderweitig ein Mangel in dir offenbart haben. Denn letztlich sind es "Mangelerscheinungen", wenn du mit dir selbst nicht mehr allein zufrieden und auch mal glücklich sein kannst. Du suchst das Glück in deiner Freundin, also in der Außenwelt. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Ich vermute, deine Freundin spürt schon jetzt (mehr oder weniger bewusst), dass du dich sehr auf sie fixierst und dein Glück vermeintlich von ihr abhängt. Das kann langfristig dazu führen, dass sie sich immer mehr zurückzieht, immer mehr mit anderen Leuten unternehmen will. Eventuell ist das auch jetzt schon so, du schreibst das ja, dass sie sich den regelmäßigen "Puffer" einfordert. Das hat mich nämlich etwas stutzig gemacht. Denn natürlich verstehe ich das absolut, mit anderen Zeit verbringen zu wollen. Doch erstens ist zwischendurch auch eine Kombination denkbar, also Clique/Freundeskreis + Partner. Und zweitens seht ihr euch ja ohnehin nicht sonderlich oft durch eure Fernbeziehung. Das heißt, dass sie ihren Alltag sowieso mehr mit Anderen verlebt als mit dir. Da würde ich sie wirklich fragen, ob sie schon immer so wenig das Bedürfnis hatte, viel Zeit mit ihren Partner zu verbringen - oder ob sie eher vor dir "flüchtet".

Gegen deinen inneren Mangel musst du definitiv etwas tun. Denn jeder Mensch kann für sich sein, kann eine Zeit lang allein sein (die einen mehr, die anderen weniger) und sich mit ganz individuellen Interessen und Themen befassen. Und genau damit zufrieden sein. Es ist nicht zielführend, andere Personen als Anker für Glück zu betrachten. Das geht schief. Deine Freundin wird sich auf Dauer derart erdrückt fühlen, dass eure Beziehung in ein Ungleichgewicht rutschen kann. Und dies wiederum führt leider häufig zu einer Trennung, wenn nichts dagegen unternommen wird.
Daher als praktische Tipps: Artikuliere ihr gegenüber bitte nicht, dass du nur bei ihr glücklich sein kannst. Auch wenn dieses Gefühl natürlich nicht einfach über Nacht verschwindet. Es geht einfach darum, dass diese Aussage sehr machtvoll ist und euch beide negativ beeinflusst. Du wirst darin bestärkt, dass es angeblich nicht anders sein KANN, wenn du es immer wieder sagst. Und sie fühlt sich zwangsläufig überfordert und eingeengt. Und wenn es nur im Ansatz ist. Es ist zuviel und giftig.
Viel mehr solltest du dich sehr stark auf dich, deine Persönlichkeit und deine Weiterentwicklung konzentrieren. Und das gerne zum Gesprächsthema machen. Gemeinsam könnt ihr überlegen, was du z.B. Neues ausprobieren kannst, was dich reizen könnte.
Bitte lass den Gedanken an Zusammenziehen erstmal fallen. Er ist nicht zielführend. Solange du mit dir selbst nicht im Reinen bist und eure Beziehungsgrundlage noch nicht dauerhaft gesichert ist, ergibt das auch gar keinen Sinn.

Mir ist auch aufgefallen, dass du zwar ein paar Freund:innen nennst, dich aber nur deiner Familie und deiner Freundin anvertraust. Da stelle ich dir die Frage: Wäre ein Anvertrauen denn prinzipiell möglich - und wenn ja, warum tust du es nicht? Was hindert dich, wenn es deine Freund:innen sind? Sind sie nicht dafür da, auch mal intime Gespräche zu führen und sich das Herz auszuschütten? Falls du dich bisher einfach nicht getraut hast, will ich dich hiermit ausdrücklich ermuntern! Du selbst profitierst davon - und auch eure freundschaftliche Beziehung. Denn wenn du etwas von dir preisgibst, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass es dein Gegenüber ebenfalls tut. Und so euer Verhältnis gestärkt wird. Das wiederum kann langfristig auch deine Partnerschaft entlasten, weil du dann weitere enge Vertraute hast und deine Freundin spürt, dass sie nicht so eine krasse Verantwortung übernehmen soll.
Für den Fall, dass du nicht das Gefühl hast, dich diesen Personen realistisch anvertrauen kannst, musst du leider davon ausgehen, dass es sich nicht um wirklich für dich passende Leute handelt - und somit wohl eher keine Freund:innen.
Davon ganz unabhängig lohnt es sich absolut, dass du dich aktiv nach neuen Kontakten umsiehst. Das besonders unter dem Vorzeichen, dass du dich an Menschen halten solltest, die auf deiner Wellenlänge liegen, bei deinen du dich einfach aufgehoben fühlen kannst.

Um deine Hobbys wieder attraktiver für dich zu machen, kannst du etwas versuchen: Nimm dir zum Beispiel das Klavierspielen. Such dir da eine neue Herausforderung oder Aufgabe - "Ich werde nun für ein Sommerkonzert üben, das ich dann für alle meine Lieben im Juli geben werde.", "Ich schaue mir die Pianistin X an, die hat so ausgefallene Stücke. Diese versuche ich jetzt nachzuspielen.", "ich werde jetzt gezielt Stücke spielen, die mich besonders entspannen/bei denen mich ein Schauer durchläuft/die mich erfreuen..."

Es gibt viele Wege, sich selbst wieder mehr zu spüren und den inneren Mangel zu beheben. Ganz wichtig ist dabei insgesamt, dass du achtsam mit dir umgehst, auf deine Regungen eingehst und alles annehmen kannst, auch wenn es unliebsam ist. So kannst du allmählich wieder mehr in deine Balance kommen, weil du merkst, wie wirksam du selbst bist - und deine Freundin dafür nicht brauchst! Dieses Gefühl, dass sie allein dich glücklich machen kann, wird sich immer mehr verringern. Sodass ihr dann einfach zusammen seid und dadurch Glück spürt. Aber eben als "Sahnehäubchen" und nicht als Hauptmahlzeit. Die Hauptmahlzeit bist immer du selbst.
Und den Kontakt zu deiner Familie kannst du durchaus intensivieren. Falls es für dich das Beste wäre, wieder dort einzuziehen, solltest du dies ehrlich mit deinen Eltern klären. Auch hier sind Kompromisse denkbar, z.B., dass du hin - und wieder dort übernachtest oder öfter zu Besuch kommst. So hast du sowhl deine eigene Wohnung für dich zum Rückzug und zur Entfaltung, als auch die Wärme deiner Familie.

Wenn dir die oben genannten Hypothesen bezüglich deiner Familie, deines Nähebedürfnisses etc. nicht weiterhelfen, solltest du, wenn du dich weiterhin ratlos und niedergeschlagen fühlst, ein Coaching oder sogar eine Therapie anstreben. Damit geguckt werden kann, welche dir nicht ersichtlichen psychischen Mechanismen am Werk sind.

Ich wünsche dir alles Gute!
Nuala