Problem von Anonym - 23 Jahre

Ich komme im Leben nicht weiter

Hallo liebes Kummerkasten Team,
Ich weiß langsam nicht mehr weiter, ich habe das Gefühl mein Leben steht still obwohl ich so viel erreichen möchte laufe ich auf der Stelle.
Ich habe großen Kinderwunsch der aus gesundheitlichen Gründen unerfüllt bleibt bzw. Es nur mit künstlicher Befruchtung eine Schwangerschaft entstehen könnte, zudem würde ich wahnsinnig gerne heiraten ( muss man auch für eine künstliche Befruchtung) aber mein Freund mit dem ich schon Jahre lang zusammen bin traut sich nicht. Ich würde auch gerne weg ziehen und ein neues Leben Anfang ( mit ihm ) aber er möchte hier nicht weg. Und mit ihm drüber reden traue ich mich nicht..

Außerdem bin ich gelernte Altenpflegerin und da ich mich in dem Beruf nicht mehr wohl gefühlt habe mache ich eine zweite Ausbildung allerdings fällt es mir wahnsinnig schwer da Anschluss zu meinen Kolleginnen und Klassenkameraden zu finden, ich fühle mich furchbar alleine.

Durch die Gesamtsituation gerade ich immer wieder in Depressionen, wurde am liebsten alles fallen lassen und nurnoch im Bett bleiben. Mit Freunden und Familie kann ich nicht drüber reden da sie es nicht verstehen und nur der Spruch kommt " du bist ja noch du jung " stimmt zwar aber geholfen ist mir mit dem Spruch auch nicht.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter und mag langsam auch nicht mehr. Ich hasse diesen ewigen Stillstand den im Endeffekt nur ich ändern kann, mich allerdings nicht traue weil ich Angst vor den Konsequenzen habe.

Vielleicht habt ihr ja Tips für mich

Liebe Grüße

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Das klingt sehr drückend, was du beschreibst. Gerade das Thema Kinderwunsch kann schon sehr belastend und nervenaufreibend sein. Ich werde dir gerne ein paar Gedanken senden und hoffe sehr, dass sie dir etwas weiterhelfen werden.

Als Erstes überlegst du dir bitte, ob du gerne therapeutische Unterstützung haben möchtest. Auch eine psychologische Beratung ist denkbar. Du scheinst ziemlich tief in der Schleife aus Angst/Lähmung/Depression drinzustecken, sodass ich viele Vorteile in einer solchen Hilfe sehe. Natürlich kann es genauso sein, dass du es allein schaffen würdest. Das setzt allerdings viel Disziplin, den festen Wille zur Veränderung und vor allem den Mut voraus, die eigenen Ängste zu überwinden.

Genau hier musst du aktiv werden und die Angst angehen. Ich habe hier leider kein Patentrezept. Du kannst verschiedene Dinge versuchen: Deine Ängste notieren, z.B. Welche Konsequenzen fürchte ich? Was genau wäre daran so schlimm? Ließe sich dafür dann nicht auch eine Lösung finden? Würde ich in einem Jahr immer noch die Konsequenz spüren...? usw. Und natürlich reden, reden, reden. Bleib nicht allein damit! Auch Foren, soziale Netzwerke und einschlägige Treffen wie Stammtische etc. können helfen.
Ängste haben Ursachen. Diesen auf den Grund zu gehen ist das Eine, sie dann zu packen und zu entfernen oder zumindest unschädlich(er) zu machen, das Andere. Das kann dauern, also geht es hier auch um den Mut, die Zeit in Angriff zu nehmen. Und den Mut, dich ganz intensiv mit dir selbst auseinanderzusetzen. Was für ein Mensch bin ich eigentlich? Was macht mich aus? Wo will ich hin - und wie kann ich das erreichen?

Mich beschleicht folgendes Gefühl: Du blockierst dich selbst, indem du einen Druck aufbaust, der aus dem "Vorankommen Wollen" besteht. Du siehst quasi das, was du NICHT hast - und das erscheint dir riesig und allumfassend. Das Schöne kann so gar keinen Platz in deinem Leben finden. Du konzentrierst dich vermutlich sehr stark auf das, was dir (scheinbar) fehlt, was dich nicht nur zur Verzweiflung bringt und dadurch lähmt. Somit kannst du dich selbst nicht mehr mit deinen Ressourcen nähren und dadurch stärken. Denn mit Sicherheit hast du Ressourcen: Deine Talente, Interessen, Hobbys. Deine Leidenschaften. Deine Liebe zu Kindern, körperliche Stärken wie z.B. Ausdauer, usw. Und nicht zu vergessen: Bestimmte Personen um dich herum, die dir wohlgesonnen sind und denen du vertrauen kannst. Bestimmt gibt es da noch Potenzial, Kontakte zu vertiefen!
Ich denke, du solltest diese dir gezielt vor Augen führen und dich auf diese konzentrieren. Denn der ständige Blick auf den scheinbaren Mangel ist kontraproduktiv. Dabei kannst du nur verlieren.
Natürlich ist es bitter, wenn sich Träume zunächst nicht realisieren lassen. Dennoch hast du mehr Macht über dein Leben, als du es dir wahrscheinlich gerade zugestehen magst. Dies möchte ich am Beispiel deiner Beziehung und deinem Kinderwunsch verdeutlichen.
Außerdem ist es gut, sich auf Naheliegendes zu konzentrieren und da zu beginnen. Naheliegend in deinem Fall wäre das ehrliche Gespräch mit deinem Freund.
Gewöhne dir kleinschrittiges Handeln an. Du musst nicht alles an einem Tag, einer Woche oder einem Jahr schaffen! Aber Vieles kannst du im kleinen Stil vorbereiten und anbahnen. Das wiederum gibt dir ein gutes Gefühl, das neue Kraft erzeugt.

Du schreibst, du traust dich nicht, mit deinem Freund über deine wahren Wünsche zu sprechen. Du verstummst lieber, frisst deinen Kummer in dich hinein und wirst dadurch krank. Dir fehlt die Energie, die Herausforderung mit deinen Ausbildungsgenoss:innen anzunehmen, also dich auf das Kennenlernen zu fokussieren und da entsprechend zu investieren. Es ist also ein Folgeproblem: Du bist traurig und ängstlich, was dir wiederum den Wind aus Segeln nimmt, dir neue Ressourcen in Form von neuen Kontakten zu erschließen. Ein Teufelskreislauf, denn von deinen aktuellen "Freunden" wirst du offenbar nicht wirklich unterstützt. Also bleibt dir nicht viel, was dich wiederum frustriert, das Gefühl von Stillstand erzeugt und dich dann weiter vom "echten Leben" wegschiebt. Diesen Teufelskreis musst du durchbrechen!

Sprich mit deinem Freund! Er kann deine Gedanken und Gefühle nicht erfahren, wenn du nicht Tacheles redest. Gerade bei Ängsten ist es toll, mit jemandem reden zu können. Er muss gar nicht viel dazu sagen, es reicht ja, wenn er dich in den Arm nimmt und dir zuhört. Oder ihr euch auf einen langen Spaziergang begebt und du dir alles von der Seele reden kannst. Oder bei einem Kneipenabend oder, oder oder... es kommt wirklich eher darauf an, DASS du es tust. Und du dich wohl fühlst. Warte bitte nicht auf den günstigsten Zeitpunkt, sondern ergreife die nächste halbwegs günstige Chance auf ein längeres Gespräch, das nicht unterbrochen wird.
Offene Kommunikation ist sehr wichtig für eine dauerhafte glückliche Beziehung. Denn nur so kannst du deine Bedürfnisse und Wünsche mitteilen und auch erfahren, wie es deinem Partner geht. Es kittet euch zusammen und gibt eurer Beziehung echte Tiefe. Und für eine Umsetzung des Kinderwunsches ist das die wichtigste Basis. Dass ihr euch vertrauen und euch jederzeit unterstützen und seelisch beistehen könnt. Ist das nicht gegeben, würde ich gar nicht erst an ein gemeinsames Kind denken!

Zum Thema unerfüllter Kinderwunsch möchte ich noch etwas loswerden.
Angenommen, du springst über deinen Schatten und sprichst direkt an, dass du unbedingt wegziehen heiraten und schwanger werden möchtest. Und angenommen, dein Freund weigert sich weiterhin. Beim Wegziehen kannst du dich kompromissbereit zeigen. Das ist im Vergleich nicht so drängend wie dein Kinderwunsch. Ich persönlich vertrete die Meinung: Beim Kinderwunsch muss es zu 100% passen. Man muss die gleichen Vorstellungen haben, sonst ist das Ganze zum Scheitern verurteilt. Du merkst es schon jetzt: Du bist kreuzunglücklich. Was ich sagen will: Ich finde, du solltest im ärgsten Fall die Beziehung beenden, um dir die Chance auf eine andere Partnerschaft nicht zu nehmen, in der Heirat und Kinder durch künstliche Befruchtung absolut in Ordnung wären. Ich habe es schon oft mitbekommen, dass Frauen zu lange warten, sich hinhalten lassen, nachgeben. Und ihren großen Traum vom eigenen Kind wegschieben, obwohl sie so gerne möchten. Ich sage: Lebe das, was du wirklich haben willst!

Ich sage aber auch: Wenn du von Herzen weißt: Das ist der Mann, mit dem ich eine Familie gründen will und er auch mit dir (!), musst du dich auch bereit zeigen, ihm noch etwas Zeit zu geben. Ist er so jung wie du, kann ich seine Zurückhaltung verstehen. Zumal du ja anscheinend keinen Zeitdruck durch deine biologische Uhr hast, sofern du wirklich nicht auf natürliche Weise schwanger werden kannst. Also dann wäre es ja nicht so drängend, dass du sofort schwanger werden musst. Es geht ja vor allem um deine Psyche. Und gerade an diesem Punkt finde ich es gerade gut, dass du noch nicht schwanger bist. Du bist noch so sehr mit dir selbst beschäftigt, dass ein Kind da noch keinen Platz hätte. Du musst dich selbst zunächst aufrichten und deine Ängste angehen. Sonst wirst du weitere Überforderungen anziehen. Ein Kind schafft ja nicht deine kompletten Sorgen aus der Welt. Kinder sind zwar eine enorme Bereicherung - und gleichzeitig eine Bürde, da sie Anstrengung und ständige Kompromissbereitschaft erfordern. Wenn man psychisch noch nicht stabil ist, ist es gefährlich. Es kann einen noch mehr runterziehen. Also: Kümmere dich als Erstes um dich selbst, arbeite mit deinem Freund an einer guten Kommunikation und schaffe dadurch die Grundsteine für eure gemeinsame Zukunft. Oder ziehe langfristig die Konsequenz, die Beziehung zu beenden, sollte kein Kompromiss möglich sein und du spürst, dass du aus bestimmten Gründen nicht aufgehoben bei ihm bist.

Zum Thema unerfüllter Kinderwunsch kann ich dir übrigens das NFP-Forum empfehlen, da gibt es einen eigenen Unterbereich. Außerdem geht es da viel um Fruchtbarkeit und Schwangerwerden/Verhütung. Sodass du da eventuell noch mehr über deinen Körper und bestimmte Zusammenhänge erfahren kannst:
https://www.nfp-forum.de/index.php

Stichwort Freund:innen - Ich habe da die klare Auffassung, dass echte Freund:innen für einen da sind und die Ängste nicht einfach abtun. Ich fürchte, du musst da wirklich schauen, ob du da wirklich echte Freund:innen hast oder es nur Leute sind, die oberflächlich so wirken.
Auch deine Familie kann ruhig mitbekommen, dass du dich nicht mit solchen Sprüchen abspeisen lassen willst! Sollte da wirklich keine echte Hilfe zu erwarten sein, musst du eben mit anderen Personen über deine seelischen Belange sprechen - und deine Familie kriegt nur das, mit dem sie umgehen kann. Schade, aber du musst dir das nicht antun.

Insgesamt denke ich, dass du dich selbst neu justieren musst - und sich dann als Konsequenz in den folgenden Monaten und Jahren weitere positive Entwicklungen ergeben werden. Der Ansatz liegt aber wirklich in dir!

Hier zusammengefasst meine Vorschläge zu einer grundlegenden Änderung deiner Lage:
1. Anerkennen, dass du dein Leben selbst in der Hand hast.
2. Arbeit an dir selbst: Ängste überwinden, visionär denken, wirklich nach den eigenen Bedürfnissen leben
3. Lernen, für dich selbst einzustehen und offensiv nach außen zu gehen
4. Offene Kommunikation mit deinem Freund
5. Suche nach wahren Freund:innen
6. Ausloten, warum Wegziehen so wichtig für dich ist
7. Plan B und C in Sachen Kinderwunsch (ggf. mit den Optionen Adoption und Kinderlosigkeit)

Das alles klingt sicherlich nach viel Arbeit. Lass es bitte sacken und schaue, was sich für dich stimmig anfühlt. Dann kannst du aktiv werden. Und wenn es kleine Schritte sind, das ist gut! Der Clou ist auch, sich Herausforderungen in kleine Portionen zu teilen und dann nach und nach an ihnen zu arbeiten. Beispielsweise nimmst du dir zuerst vor, mit deinem Freund zu reden. Daraus ergeben sich dann wieder neue Möglichkeiten, auf denen du aufbauen kannst. Und so geht das immer weiter - vor allem dann, wenn du dir deine Möglichkeiten immer vor Augen führst und deine Ressourcen anzapfst.

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala