Problem von Anonym - 16 Jahre

Mir wird alles zu viel

Liebes Team,
ich glaube, es wird alles zu viel. Obwohl ich gute Freunde habe, seit über anderthalb Jahre in einer Beziehung bin, meine Familie toll ist und ich gut in der Schule bin.
Trotzdem habe ich seit einem Jahr dauernd das Gefühl einsam und unwichtig zu sein. Ich habe das Gefühl nie eine Priorität zu sein und von niemandem gebraucht zu werden. Dabei bin ich total abhängig von anderen Menschen und das macht mich fertig. Mein Freund sagt mir zwar immer ich sei das wichtigste für ihn, aber gleichzeitig kann ich mich nie auf ihn verlassen. Er hat mich mit seiner besten Freundin betrogen, was ich ihm allerdings verziehen habe, er kann nichts langfristig planen (also höchstens von einem Wochenende zum anderen) und kann keine konstante Beziehung führen.
Ich fühle mich wie in einem Loch, aber ich weiß, dass ich selber dafür verantwortlich bin glücklich zu sein und dass niemand das für mich übernehmen kann. Vor etwa einem halben Jahr habe ich begonnen mich selbst zu verletzen, das habe ich mittlerweile aber meistens unter Kontrolle. Momentan fühle ich aber immer öfter das Bedürfnis es wieder zu tun. Meine große Schwester, die mir sehr nahe steht und der ich sonst auch am meisten darüber erzähle wie es mir geht, ist im Moment für vier Monate weg, wodurch ich mich zusätzlich alleine fühle. Außerdem mache ich mir große Sorgen um sie, weil sie psychisch ziemlich instabil ist. Mein Vater und mein großer Bruder sind momentan ebenfalls weg. Ich bin zuhause mit meiner Mutter, die gerade eine neue Stelle hat und deshalb die ganze Zeit arbeitet, höchstens vier Stunden pro Nacht schläft, manchmal auch gar nicht und meinem kleinen Bruder, um den ich mich die meiste Zeit über kümmere.
Ich war immer das unkomplizierte Kind in meiner Familie und ich will niemanden enttäuschen. In der Schule komme ich klar, obwohl ich mir immer viel Stress mache.
Dieser Stress, die Beziehung, um die ich mir dauernd Gedanken mache, die Probleme in miner Familie und meine Schwester und das ständige Gefühl alleine und unwichtig zu sein machen mich ganz schön fertig.

Ich weiß gar nicht genau, was ich mir hiervon erhoffe. Vielleicht einen Ratschlag oder einfach mal gehört zu werden. Auf jeden Fall hat es gut getan das alles einmal aufzuschreiben. In jedem Fall danke!

Janine Wochnik Anwort von Janine Wochnik

Liebe Ratsuchende,

ich finde es toll wie selbst-reflektiert du bist!
In deinem Alter kommt das nicht oft vor.
Das Grundprinzip kennst du schon, bei dir fehlt offensichtlich das "Wie".
Vielleicht kann ich dir dazu ein paar Tipps geben, die dir weiterhelfen.
Ich versuche es mal ;)

Das Gefühl alleine zu sein und unwichtig zu sein, hängen unmittelbar mit den anderen Punkten zusammen.
Und auch wenn es im ersten Moment so aussieht, als könnten nur anderen Menschen es ändern, so ist es nicht!
DU KANNST ES ÄNDERN!
Wie du selber sagst, nur man selbst kann dafür sorgen glücklich zu sein.
In deinem Fall musst du dafür sorgen dich selbst über alle anderen zu stellen.
Bei dir sind die Prioritäten verschoben. Zu deinem Nachteil.
Du stellst alle anderen vor dich selbst, vor dein eigenes Wohl.
Erst kommen die anderen und dann du.
Auf diese Weise kannst du nicht glücklich werden. Deine Energie geht für andere drauf und du hast nicht mehr genug um dir selber das zu geben, was du brauchst.
Das hat aber auch die Konsequenz, dass du dich nicht mehr um andere kümmern kannst.
Also haben alle etwas davon, wenn es dir gut geht.
Stell dir deine Energie vor wie ein Handy Akku. Wenn du den ganzen Tag dein Handy verleihst und andere damit rumhantieren, dann hast du irgendwann keinen Akku mehr für dich übrig.
Dann musst du ihn erst laden und wenn du das Handy dann sofort wieder verleihst? Ist wieder nichts für dich da.
Du musst also erst zu sehen alles für dich wichtige erledigt zu haben. Dann kannst du dein Handy verleihen.

Fangen wir mal mit deinem Freund an. Du hast es ihm verziehen, aber es nagt trotzdem an dir, dass er dich mit deiner besten Freundin betrogen hat. Dazu kommt noch die Tatsache, dass er nicht plant und alles auf sich zukommen lässt.
Du dieses aber sehr wohl brauchst.
Frag dich mal, warum du wirklich mit ihm zusammen bist. Ist es wirklich echte Liebe? Oder eher die Sache, dass du nicht allein sein willst?
Kannst du ihm noch vertrauen? Oder tust du nur so als ob?
Wenn nicht, dann solltet ihr beide daran arbeiten.
Sag ihm wie es in dir aussieht. Was dich stört, was dich belastet.
Rede mit ihm und sei absolut ehrlich. Du wirst ja sehen, wie er darauf reagiert.
Und dann kannst du alles weiteren Entscheidungen treffen, die nötig sind.

Du schreibst du hast gute Freunde. Kannst du mit ihnen reden? Über alles?
Sind sie für dich da?
Wenn ja, nutzt du das auch? Nimmst du deine Freunde in Anspruch um über Dinge zu sprechen, die dich belasten?
Tust du das nicht, dann solltest du damit dringend anfangen. Sollten sie dann reiß aus nehmen, waren es keine echten Freunde.
Und kannst du das von vornherein nicht, dann musst du schauen, ob es an dir liegt, oder an deinen Freunden.
Manchmal hat man selber Probleme mit dem Vertrauen. Und dann können die anderen wenig dagegen machen.
Liegt es aber an ihnen, dann solltest du die Freundschaft überdenken.

Gehört werden kann man nur, wenn man auch redet. Und wenn man sich Gehör verschafft.
Man muss den Menschen die Chance geben zuzuhören. Von alleine wird in den meisten Fällen keiner auf dich zukommen.
Es ist wie hier bei uns.
Wir können keinen Rat geben, wenn man uns nicht schreibt!

Die Probleme, die deine Schwester hat, belasten dich.
Als Schwester sollte man schon für die andere da sein. Aber manche Dinge, kann man eben nicht beeinflussen.
Geht es ihr nicht gut, kannst du ihr ein offenes Ohr schenken und ihr Hilfe anbieten.
Du kannst ihr aber auch raten sich Hilfe zu suchen.
Dies ist auch eine Form der Hilfe.
Sag ihr, welche Sorgen du hast. Dass es dich sehr belastet und ob sie sich nicht vielleicht Hilfe suchen möchte.
Ihr habt ein gutes Verhältnis. Deshalb sollte das schon Warnschuss genug sein.
Nimmt sie keine Hilfe an, dann musst du das akzeptieren und hinnehmen, dass sie für ihr Glück ebenso verantwortlich ist wie du für deines!

Zusammengefasst möchte ich dir den Rat geben: Kümmer dich um dich selbst!
Tue Dinge, die dir gut tun. Such dir einen Ausgleich zu Schule und Stress. Alltag ist gut, aber man muss auch mal abschalten.
Achte mehr auf die Menschen, mit denen du dich umgibst.
Sind sie wirklich gut für dich? Oder bist du nur gut für sie?
Und sind sie es nicht, dann versuche sie darauf hinzuweisen. Ändern sie nichts, solltest du dir sehr gut überlegen, ob du dich von ihnen trennst!
Was den Stress angeht, versuche es lockerer zu sehen.
Schule ist wichtig klar, aber von einer schlechten Note geht die Welt nicht unter.
Auch wenn es sich manchmal so anfühlt.
Irgendwie findet man seinen Platz in der Welt, wenn man einen haben will. Wenn man ihn kennt.
Überlege dir, welchen Platz du inne haben möchtest.
Dann kannst du darauf hinarbeiten.
Spaß, Abwechslung und Freizeit wirken sich im übrigen auch gut auf die Schule aus. Wenn es in einem ausgewogenen Verhältnis zum lernen steht. Denn der Körper und der Kopf brauchen auch Ruhephasen.

Du scheinst ein tolles Mädchen zu sein! Erkenne das an. Sieh dich so, wie du bist.
Versuche dich mal aus den Augen der anderen zu betrachten.
Mache deine persönliche Meinung zur wichtigsten überhaupt, für dich selbst!
Und kümmere dich besser um dich! Du bist wertvoll!

Ich wünsche dir alles Gute.
Liebe Grüße,
Janine