Problem von Laura - 18 Jahre

Zwangsgedanken/-handlungen

Hallo,
ich habe Angst, dass ich meine Liebsten verliere. Ich kann mit ihnen nicht über meine Zwangsgedanken und - handlungen sprechen. Nur meine Eltern wissen davon, da sie mit mir zum Arzt gingen und mich nun zur Therapie schicken. Ich denke, dass mein Umfeld (besonders meine Freunde) einige meiner Entscheidungen und Einstellungen nicht nachvollziehen kann. Wir distanzieren uns immer weiter voneinander und ich isoliere mich irgendwie generell. Aber die Angst vor der Schuld, dass irgendwem etwas passiert oder jemand sterben könnte, ist so präsent. Ich muss oft einfach etwas absagen oder mich gegen meine Meinung entscheiden. Da ich mich selbst hasse, habe ich nur meine Liebsten. Ich mache gefühlt alles nur für meine Eltern, da sie echt alles für mich tun und ich unbeschreiblich glücklich sein müsste. Ich wüsste nicht wofür ich mich sonst aufraffen sollte. Meine Therapeutin redet alles "Schlechte" über mich gut und will mir immer das Gefühl geben, dass ich ja immer alles richtig mache. Nach den Stunden fühle ich mich jedoch noch überflüssiger, da ich ja ziemlich lächerlich sein muss, wenn sie mir schon so gut ins Gewissen spricht. Ich hab halt immer öfter diese "scheißegal Einstellung" und nehme mein Leben gar nicht mehr wahr. Es ist einfach so erbärmlich und im Gegensatz zu anderen echt krass unbedeutend.
Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,
Laura

Janine Wochnik Anwort von Janine Wochnik

Liebe Laura,

mit so einem Gefühl zu leben muss wirklich schlimm sein.
Ich kann es mir nur annähernd vorstellen und das ist schon grausam.
Leider kann ich dir hier nur ein paar Tipps geben.
Wirklich helfen, wird schwer.
Trotzdem möchte ich es versuchen.

Zwänge sind ein extrem sensibles Thema. Und selbst für einen gestandenen Therapeuten ist es schwierig bis unmöglich dagegen anzukommen.
Ein Zwang ist eben ein Zwang, Man kann sich kaum dagegen wehren, Und jeder, der etwas gegen den Zwang sagt, macht es mit Pech noch schlimmer. Dies passiert bei deiner Therapeutin offensichtlich.
Wenn du aus diesem Hamsterrad wirklich raus möchtest, dann musst du kämpfen.
Ich meine wirklich richtig hart kämpfen. Hole dir dein Leben zurück!

Zwänge sind ein Gefühl. Ein Gedanke, der ausgelöst wird durch ein Gefühl, genauer gesagt.
Der Vorteil dabei ist, dass man mit Übung und rationalem Denken dagegen ankommen kann.
Zur Zeit tust du genau das, was der Zwang dir sagt.
Geh nicht raus. Bleib hier. Du bist nichts wert. Und so weiter.
Versuche doch mal logisch an die Sache heran zu gehen. Gar nicht mit Gefühl. Denn das hat der Zwang in der Hand.
Und übe jeden Tag, so oft du kannst.

Übung 1
Wenn dein Zwang dir sagt, du sollst einen Termin absagen, weil sonst was passiert. Sag den Termin nicht ab.
Schreibe dir kurz bevor du los gehst, oder wenn du absagen möchtest selber einen Brief.
Schreibe auf, was du denkst, was passiert.
Und dann lege den Zettel geschlossen bei Seite und lege ein leeres Blatt dazu.
Wenn du wieder kommst, schreibe sofort auf, was passiert ist.
Und dann vergleichst du die beiden Briefe miteinander.
Besorge dir zwei Kästchen, oder bastel welche. Und lege dort die Briefe von den überstandenen Treffen hinein.
Mit jedem Mal, wo du es schaffst und nichts dergleichen geschehen ist, wirst du ein Stück mehr zweifeln.
Anfangs wirst du eine Menge Mut brauchen. Du musst gegen den Drang ankämpfen.
Versuche vorher alles so zu regeln, dass du nicht absagen kannst.
Gestalte es so sicher wie möglich, Oder lasse dich von deinen Eltern unterstützen.

Übung 2
Das Gefühl kommt, du bist nichts wert,
Auch hier wieder einen Zettel zur Hand nehmen, Am besten sofort, wenn das Gefühl kommt.
Schreibe auf, warum du denkst, dass du nichts wert bist.
Alles was dir in den Sinn kommt. Warum sind andere Leben mehr wert als du?
Warum kann man auf dich verzichten.
Warum bist du es nicht wert zu leben?
Und so weiter. Alles was dir in den Kopf kommt.
Wenn der Gedanke für den Moment aus deinem Kopf ist oder er gerade nicht so präsent ist, dann gehst du zu deinen Freunden. Deinen Eltern. Oder irgendwem anderes, der dich kennt.
Und dann lasse denjenigen aufschreiben wie er über dich und dein Leben denkt.
Lasse denjenigen einfach nur die Fragen beantworten:
Findest du mein Leben wertvoll? Findest du mich wertvoll?
Warum?
Sage nichts dazu. Schreibe die Fragen auf und derjenige soll schreiben.
Du liest dir den Zettel nicht durch. Sondern tust ihn gleich in eine Box.
Deinen Zettel in eine andere Box.
Und das tust du jedes Mal, wenn es dir so geht,
Hast du alle Menschen in deiner Umgebung nach einem Zettel gefragt, dann liest du sie dir in einem schlimmen Moment durch.

Übung 3
Der Gedanke kommt, jeder ist mehr wert als ich.
Ist der Gedanke da, möchte ich, dass du an die schrecklichsten Menschen denkst, die du dir vorstellen kannst.
Die Menschen die schreckliche Dinge getan haben.
Und für diese Menschen, sollst du aufschreiben, weshalb ihr Leben wertvoller ist, als deines.
Am besten schreibst du kleine Steckbriefe von diesen Menschen. Böse Verbrecher.
Schau mal im Internet nach, dort gibt es genug Informationen.
Steckbrief von der Person und dann dazu warum derjenige mehr wert ist als du.
Wenn du dann einen guten Moment hast, lies es dir durch und denke ernsthaft darüber nach.
Schreibe dann eine Pro und Contra Liste zu deinen eigenen Gedanken.

Übung 4
Mantras: Schreibe dir Sätze auf, die du Gebetsmühlenartig wieder und wieder durchliest, So oft am Tag, wie es eben geht.
ICH BIN WERTVOLL
ICH BIN EINZIGARTIG
ICH HABE ES VERDIENT ZU LEBEN
ICH HABE EIN LEBEN VERDIENT
Oder anderes, was dir in den Sinn kommt. Aber es müssen positive Dinge sein.
Schreib dir auf die Rückseite warum das so ist.
Z.B. Ich bin wertvoll/Rückseite: Weil ich mir Gedanken um andere machen/ oder Weil ich nie etwas böses tue.

Du willst es nicht hören. Du wirst es nicht annehmen können.
Trotzdem sage ich es dir:
Deinen Lieben wird nichts geschehen durch dich. Bis jetzt ist nichts passiert und in Zukunft wird es das auch nicht.
Dein Leben ist sehr viel wert. Deine Eltern haben dich geboren und lieben dich. Allein diese Tatsache macht dich wertvoll.
Du bist kein böser Mensch, auch dass macht dich wertvoll.
Du suchst dir Hilfe. Es gibt viele gute Eigenschaften, die sogar ich erkennen kann.
Wenn du merkst, deine bösen Gedanken kommen. Mache dir bewusst: Es sind verkehrte Gedanken. Sie wollen dir nicht Gutes.
Beginne sie wahrzunehmen, zu steuern.

Ich drücke dir von ganzem Herzen die Daumen und wünsche dir alles Gute.
Liebe Grüße,
Janine