Problem von Michelle - 18 Jahre

Beziehung mit einem Türken?

Hey,

ich habe einen Mann kennengelernt. Wir haben und bereits zweimal getroffen. er ist nett und wir verstehen uns gut. Das Problem ist nur, dass er Türke ist, aber kein Moslem sondern Alevit ist. Seine Eltern sind hier geboren. Er ist an einer Beziehung interessiert, ich kann mir aber einfach keine Beziehung mit einem Türken vorstellen. Wie sage ich ihm das am besten ohne ihn zu verletzen? Und was haltet ihr von einer Beziehung mit einem Türken? Man wird auf der Straße doch immer blöd angeguckt oder nicht?

LG

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Michelle,

ich denke, deine Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Wenn du dir Sorgen machst, ob man dich deines Freundes wegen "auf der Straße doch immer blöd angucken" könnte, dann geh diese Beziehung besser nicht ein. Dieser Mann hat es nicht verdient, mit einem Mädchen zusammen zu sein, die sich seinetwegen schämt. So ist das Prinzip "Beziehung" nicht gedacht. Entweder du liebst ihn - dann muss es dir auch egal sein, was Andere von dir und euch denken. Oder aber, du schämst dich für ihn - dann solltest du dir überlegen, ob du die Richtige für ihn bist. Nicht bei ihm liegt dann das Problem, sondern bei dir. Klar gibt es Leute, die euch blöd angucken würden! Klar, jede Menge - und sogar Leute, die nicht nur gucken würden, sondern noch mehr tun... Das ist heftig. Aber diese Leute gibt es ja genau deswegen, weil sie nie hinterfragt haben, was auch du gerade empfindest: Dieses unbestimmte "Also, ich kann mir das einfach nicht... das ist doch so... wer kann schon wissen... nein, das ist nur kompliziert / gefährlich / anstrengend..." Es gibt nur entweder - oder: Man kann Menschen aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Religion anders behandeln, oder man kann sie, unabhängig von beidem, dann anders behandeln, wenn sie sich falsch verhalten. Beides ist nicht dasselbe.

Wir wissen beide, wie die Situation der Frauen in der islamischen Welt (überwiegend) ist. Wir wissen beide, wie die Situation der religiösen Minderheiten, der Homosexuellen, der Kritiker dort weitenteils aussieht. Es ist nicht Sinn der Sache, diese Zustände zu verharmlosen. Klar ist eines: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Klar ist aber auch: Der einzelne Mensch, den man kennen lernt, kann dafür nicht unbedingt etwas. (Wenn man es sich recht überlegt: Schon komisch, einen Menschen für etwas verantwortlich zu machen, wo ihm das Schlimmste droht, wenn er es kritisiert - selbst hier in Europa -, oder?) Oft leidet er oder sie genauso sein / ihr Teil. Also gilt es, sich den einzelnen Menschen anzuschauen. Das gilt immer, in allen Ländern und Kulturen.

Ob Muslim, Alevit, Christ oder Atheist: Letztendlich kommt es darauf an, ob er dich gut behandelt. Das heißt, freundlich, treu und aufmerksam ist, dir jeden Freiraum lässt, der dir zusteht, und nichts von dir verlangt, was er nicht selbst zu tun bereit ist. Darauf kommt es an. Wenn das vorhanden ist, sind die Herkunft und die Religion egal. Sollten es zumindest sein. Wenn das bei dir nicht der Fall ist, ist auch das dein gutes Recht, aber dann musst du auch früher oder später dazu stehen. Da hilft nichts.

Du möchtest wissen, wie du es ihm kommunizieren kannst, ohne ihn zu verletzen. Da muss ich eine Gegenfrage stellen: Wie stellst du dir das vor - einem Menschen, der in dich verliebt ist, einen Korb geben, ohne ihm weh zu tun? Natürlich wirst du das tun müssen. Du kannst es ihm sanft oder hart beibringen, aber angenehm wird es für ihn sicherlich nicht. Das ist aber nicht das Entscheidende, denn du allein entscheidest, ob du mit jemandem eine Beziehung haben willst oder nicht. Du bist nicht verantwortlich dafür, wie seine Liebe zu dir sich auswirkt, wenn sie sich nicht erfüllt. Du kannst niemandem einen Korb geben, ohne ihm Liebeskummer zu verursachen. Sehr wohl verantwortlich bist du aber dafür, es ihm auf faire und offene Weise beizubringen. Zu Deutsch: Es ihm persönlich zu sagen und ihn nicht hinzuhalten. Seinen Schmerz nicht durch deine Worte und dein Verhalten noch schlimmer zu machen, als er es sowieso schon sein wird. Das ist eine Frage des Respekts vor einem Menschen, der sich getraut hat, dir seine Gefühle zu offenbaren. Doch es muss durchaus nicht heißen, dass du nicht ehrlich zu ihm sein sollst. Fadenscheinige und vorgeschobene Gründe tun oft mehr weh als die echten. Oft genug ahnt der Enttäuschte sie, und zu fühlen, dass vielleicht, ist oft ein schlimmerer Schmerz, als genau zu wissen, dass.

Denn die einfachste Möglichkeit liegt logischerweise darin, den eigentlichen Grund nicht zu nennen und etwas Anderes vorzuschieben. Du wirst etwas finden - dafür brauchst du mich nicht.

Wenn du ihm aber schon irgendwie sagen willst, was Sache ist: Das wäre zwar für euch beide unschön, aber irgendwie auch richtig, denn zu deiner Einstellung solltest du dich bekennen. Der Preis der Freiheit ist es, den Unmut anderer Menschen aushalten zu müssen. Und wenn es dir gar nicht darum geht, wie religiös oder wie konservativ er ist (was beides die nachvollziehbarsten Gründe für einen Korb wären), wenn es dir einzig und allein darum geht, dass er Türke ist... nun ja, Michelle: Ich stelle es mir nicht leicht vor, aber du weißt auch, dass du nicht eben Mitgefühl oder Verständnis dafür erwarten kannst. Du hast es ja in der Hand, deine Einstellung zu überdenken. Wenn du ihn liebst, aber deinem Herzen nicht folgen willst, dann sag ihm, wie es ist: "Ich mag dich zwar, aber leider kann ich mir eine Beziehung zwischen zwei Kulturen (oder Nationalitäten) nicht vorstellen. Ich finde, du solltest mit einem Mädchen zusammen sein, die dich liebt und die darauf pfeifen kann!" Das wäre die ehrliche Antwort. Es wird für dich nicht leicht. Es wird auch für ihn nicht leicht, auf seine Herkunft reduziert zu werden. Aber immerhin wird er dann wissen, dass es nicht an seiner Person liegt, und er wird wissen, warum eine Beziehung mit dir eh kein Gewinn für ihn gewesen wäre. Ehrlichkeit und Klarheit sind immer besser, als Herumdrucksen und kleine Lügen. Man kann damit leben, aber es lebt sich insgesamt leichter weiter, wenn die Fakten auf dem Tisch sind.

Was soll ich noch sagen? Du hast es in der Hand. In jeglicher Hinsicht.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul