Problem von Girly - 17 Jahre

Muslimische Eltern akzeptieren mich nicht

Hallo an alle. Wenn ich dies gerade mache, bedeutet das, das ich wirklich am Ende bin.
Ich bin 17 Jahre alt, mit muslimischem Eltern und generell einer muslimischem Familie groß geworden. Streng muslimisch würde ich schon meinen, aber auch nicht zu heftig. Jedenfalls habe ich seit 2 Jahren einen deutsch-christlichen Freund, wir lieben uns wirklich sehr und es ist wirklich lieber Mann, er hat mir schon bei einigen geholfen und mich über all unterstützt. Auf jeden Fall wissen meine Eltern nichts davon, da sonst Mord, heftige Schläge, Ausstoß aus der Familie drohen könnte und dies meine ich auch genauso, es ist nicht zu übertrieben. Ich kann nicht mehr. Ich werde nicht als den Menschen akzeptiert, den ich bin. Ich fühle mich nicht muslimisch, eher atheistisch, mein Freund genauso. Für mich zählt in erster Linie Menschlichkeit, sonst nichts. Und LIEBE! Die existiert bei uns auf jeden Fall. Ich kann nichts für meine Gefühle und meine Einstellung, das habe ich neulich auch versucht meiner Mutter bewusst zu machen, diese hat mich jedoch geschlagen, gebissen, beleidigt. Es ist also sehr eskaliert. Ich kann einfach nicht mehr. Sie leben mit mir in Deutschland, in einer ebenfalls anderen Kultur und Gesellschaft, kann man da nicht etwas verstehen, das ich mich, genauso wie jedes andere Mädchen auch, nach Liebe und einem Partner sehne? Das ist doch völlig normal. Sie reden immer wieder von der Familienehre, die ich "in den Dreck" ziehe. Das tut mir weh. Es ist mittlerweile soweit gekommen, dass ich an Depressionen, Angstzustände leide. Ich habe seit 2 Tagen Suizidgedanken, bin wirklich sehr gefährdet. Mein Freund, seine Eltern und paar meiner engen Freunde versuchen mich zu unterstützen und oben zu tragen, wollen nicht, das ich abtauche. Aber ich kann wirklich nicht mehr. Ich liebe diesen Mann wirklich sehr, wie haben bis jetzt so einiges durch, was uns noch mehr zusammen geschweißt hat. Meine Mutter hat gedroht, auch sich selbst umzubringen, würde ich die Familienehre beschmutzen. Ich kann einfach wirklich nicht mehr. Das ich psychische Hilfe brauche ist mir mittlerweile bewusst und habe ich auch schon akzeptiert. Was haltet ihr davon? Bin ich im recht? Ist es nicht mein recht, mich zu verlieben und einen Menschen nicht an seiner Religion und Schichtweise der Dinge aus zu machen? Ich rede hier von einem Mann, der so lieb ist, für sein Geld legal arbeitet, eines der Sozialisten Menschen ist und nicht von einem Junkie, da würde ich es noch verstehen ..

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Girly,

du hast sehr deutlich gemacht, wie ernst deine Situation ist. Ich möchte daher sichergehen, dass du weißt: Ich meine es ernst, wenn dir sage, dass du in deiner Familie keine Zukunft mehr hast. Nicht du, sondern sie müssen sich ändern. Sie können oder wollen es nicht? Sodann! Du weißt, dass es so ist. Das Verhalten deiner Mutter hat es (wieder einmal) gezeigt. Dann ist deine Arbeit getan - du hast alles versucht. Jetzt musst du fortgehen, wo du nichts erreichen kannst, wo du in Gefahr bist, dein Glück und gar dein Leben zu riskieren.

Du und dein Freund solltet so schnell wie möglich den Schutz der Polizei suchen und euch beraten lassen. Ich kann dir in dieser Situation keinen anderen Rat geben, als dich umgehend an Menschen zu wenden, die tatsächlich die Macht haben, dir zu helfen. Mit guten Worten ist hier nichts mehr zu erreichen. Du musst fliehen - und ich denke, das weißt du.

Deinem Text ist deutlich anzumerken, dass du mit aller Kraft versuchst, das, was für dich das Wichtigste ist - die Liebe - gegen die Einwände deiner Familie zu bewahren. Das machst du sehr richtig. Du möchtest an deinen eigenen Wertvorstellungen festhalten, weil sie dich glücklich machen: Du möchtest dein Leben der Liebe widmen und nicht Verpflichtungen, die andere dir auferlegen. Ganz egal, ob sie nun "Ehre" genannt werden, oder wie auch immer. Ich kann dir nur meine Hochachtung aussprechen, dass du gegen alles, was dir vorgeworfen wird, deine Linie wahrst und dir nicht vorschreiben lassen willst, wie du zu denken und zu fühlen hast. Doch musst du nun auch an deinen Schutz denken. Du hast alles versucht - der Zeitpunkt ist gekommen, dich zu entscheiden. Du solltest dich so bald wie möglich entschließen, loszulassen und dein eigenes Leben zu wählen. Ich kann mir vorstellen, dass das äußerst schwer ist: Immerhin lässt du die Menschen zurück, die dich aufgezogen haben und mit denen du dein bisheriges Leben verbracht hast. Oft, ob Tag oder Nacht, mögen dir Zweifel kommen. Habe ich das Richtige getan?, wirst du dich fragen. Die Antwort ist: Ja, du hast. Denn Eltern können von ihren Kindern zwar Dankbarkeit und Respekt erwarten - das gilt aber nur dann, wenn sie sich dieses beides auch tatsächlich verdient haben. Es ist nicht so, dass du tun müsstest, was sie wollen. Es ist so, dass sie die Pflicht haben, dich bei deinen eigenen Entscheidungen zu bestärken, wenn sie dir gut tun. Und es tut dir gut, deinen Freund zu lieben, zu küssen, mit ihm eine Zukunft zu planen. Daran ist nichts Unrechtes. Bitte vergiss das niemals!

Du fragst dich, warum deine Eltern das nicht verstehen können. Im Grunde ist es ganz einfach: Es ist schwer, einen Baum zu entwurzeln, der einmal Wurzeln geschlagen hat. Deine Eltern sind mit anderen Begriffen von Liebe, Treue und Pflicht aufgewachsen, als du sie hast. Sie werden sie vielleicht niemals ablegen können. Trotzdem sind sie in der Lage, zu sehen, dass es mehr gibt als sie selbst. Wenn sie diese Einsicht verweigern oder verteufeln, dann ist das ihre Sache. Doch das bedeutet nicht, dass du im Unrecht bist.

"Liebe" bedeutet in den Augen deiner Eltern "Loyalität". Das heißt: Es ist nicht so wichtig, dass du mit den Menschen zusammen bist, die dir wirklich etwas bedeuten, weil sie dir gut tun. Sondern es ist wichtig, zu den Menschen zu halten, mit denen das Leben dich zusammen gebracht hat (deine Familie), denn wenn alle das tun, bietet die Familie Sicherheit und Ansehen. Dass diese Sicherheit und dieses Ansehen auch erreicht werden können, wenn jeder Mensch so, wie er ist, wertgeschätzt wird und einige grundsätzliche Regeln für alle Menschen festgelegt werden, begreifen sie nicht. Ihre Denkweise kommt aus einer Zeit und von einem Ort, als das Leben weit weniger sicher war als hier und heute. Damals mag das seine Berechtigung gehabt haben, ich weiß es nicht. Heute können wir es besser - was uns verpflichtet, dieses Können auch umzusetzen.

"Treue" bedeutet in den Augen deiner Eltern "Erdulden". Das heißt: Es ist nicht so wichtig, dass du einem anderen Menschen ein Geschenk machst, weil er dir seinerseits eines macht (euer beider Lebenszeit). Sondern es ist wichtig, Schmerzen zu ertragen, damit alles so bleiben kann, wie es ist: Haus, Ehe, Kinder, Verwandte, der ganze Ablauf, die ganze Lebensweise. Dass nur das Leben Freude bringt, das man wirklich aus Überzeugung lebt, und dass Schmerzen genauso zerstörerisch sind, wenn sie ignoriert werden, wollen sie nicht einsehen. Doch du weißt es besser - und was noch besser ist, du hast einen Menschen an deiner Seite, der mit dir deine Schmerzen trägt. Weil er dich liebt. Und auf diese Weise könnt ihr alles schaffen.

"Pflicht" bedeutet in den Augen deiner Eltern "Gehorsam". Das heißt: Es kommt nicht darauf an, sich so zu verhalten, wie man selbst behandelt werden will, weil es logisch und richtig ist. Sondern es ist wichtiger, einer Regel, einem Gesetz oder einem Menschen zu gehorchen, der es besser weiß, weil ihm gegeben ist, es zu wissen. Doch niemand weiß besser als dein Herz, was sich für dich gehört. Religion hat ihren Platz - dort, wo sie zum Guten wirkt. Aber erzwingen kann man nichts, sondern Zwang führt zu Leiden und Tod, wo immer er auftritt. Viele Menschen können nicht verstehen, warum man ihnen Vorwürfe dafür macht, dass sie an einer zerstörerischen Denkweise und Lebensform festhalten, weil sie ihrem eigenen Verständnis nach nur Gutes wollen. Es kommt aber nicht auf das Wollen, sondern auf das Wirken an: Nicht das ist gut, was gut gemeint ist, sondern das, was tatsächlich etwas hilft, heilt und was erfreut. Dich erfreut die Liebe zu einem jungen Mann, und es ist kein Zwang dabei - folglich ist die Liebe deine Religion. Und daran ist nicht das Geringste falsch.

Anschließend mehrere Links für dich, die dir helfen können. Bitte, gehe ihnen nach und werde aktiv! Ich bin leider nicht in der Lage, dir mehr mitzugeben als Worte - und ich hoffe, dass sie dich etwas bestärken konnten. Ich wünsche dir viel Glück und alle Stärke, die du brauchst. Du darfst sehr stolz auf dich sein, aufbegehrt zu haben. Nun aber gilt: Fordere nicht heraus, was du nicht ändern kannst, sondern denke konsequent an dich. Du darfst nicht nur, es steht dir sogar zu! Genauso wie das Recht, zu lieben, wen und wie du willst.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul

https://www.polizei-beratung.de/medienangebot/detail/279-opferschutz-haeusliche-gewalt/

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