Problem von Marisa - 16 Jahre

Überforderung

Hallo,
ich weiß gar nicht wo ich so recht anfangen soll. Meine Eltern sind getrennt und mein Vater interessiert sich mittlerweile kein Stück mehr für mich. Er hat damals immer auf mein Gewicht geguckt und wollte immer, dass ich dünn (zu dünn) werde, da es in unserer Kultur als Schön angesehen wird. Ich war sein Vorzeigepüppchen. Aus diesem Grund entwickelte sich dann auch schon meine Essstörung, die ich bereits mit 10 hatte.
Früher wurde ich gemobbt, wegen meines Äußerem (u.a. weil ich Untergewicht hatte) und meinem Individuellen Style/Denkweise. Dann kam ich auf eine andere Schule und es wurde vieles besser, man hat mich mehr oder weniger akzeptiert. Trotz dessen kam ich an die falschen Menschen und ich wollte einfach nicht mehr Leben. Ich begann mich selbst zu verletzen und habe versucht mich selbst umzubringen, was mir aber nicht gelungen ist. Ich fühlte mich einfach wertlos, nutzlos und leer.Dann lernte ich mit 14 meinen ersten Freund kennen und hatte mit ihm auch mein erstes mal. Er hat mich von Anfang an betrogen und belogen , doch ich habe ihm vertraut. ich habe mich in das Internet geflüchtet und lernte Menschen kennen die mich so akzeptierten wie ich war und mich nicht bei jeder kleinsten Sache verurteilt haben. Ich floh sozusagen in eine virtuelle Welt, um den realen Leben zu entfliehen. Ein paar Monate später verliebte ich mich erneut in einen Menschen , der mich in illegale Dinge eingeführt hat sprich Drogen wie z.B. das Kiffen, Kräuter rauchen etc. Wenn wir uns gestritten haben, hat er mich angeschrien, mich geschubst, mir wehgetan. Doch ich blieb weiter bei ihm. Er war sexsüchstig und ich hatte das Gefühl, dass ich ihm verpflichtet bin etwas von mir zu geben, von meinem Körper. Ich lies es immer wieder über mich ergehen, doch den einen Abend konnte ich nicht mehr . Ich habe nein gesagt, doch wie immer hat er es weiter versucht und hat mich ausgezogen, meine Hände genommen und sie festgehalten. In diesem Moment wusste ich gar nicht was mir geschah und ich will es auch nicht wirklich wahr haben. Ich habe geweint, ihm gesagt das er aufhören sollte, doch er wurde immer Stärker und übte mehr Druck aus. Später habe ich mich auch von ihm getrennt.
Ich habe versucht neu anzufangen und jetzt glücklich zu werden. Doch seitdem fühle ich mich so tot und leer. Nun bin ich an dem Punkt gekommen an dem ich mich Frage , wozu existiere ich überhaupt, wie soll mich jemals einer Lieben , wenn noch nicht einmal mein eigener Vater es bedingungslos tut. Ich gebe wirklich mein bestes ein guter Mensch zu sein und geliebt/akzeptiert zu werden, doch egal was ich mache, sobald ich einen Schritt nach vorn gehe, gehe ich wieder zwei zurück. Mittlerweile mache ich mein Fachabi und geh zusätzlich arbeiten und noch mal arbeiten. Meine Mutter unterstützt mich nicht mehr, weder Finanziell noch Mental. Durch meine Krankheit bin ich aktuell sehr eingeschränkt in gewissen Dinge und ich wäre letztes Jahr im November fast verstorben. Mein Exfreund macht mir auch das Leben zur Hölle und jedes mal werde ich an diese Zeit erinnert.
Im großen und ganzen kann man sagen, dass ich mich einfach innerlich tot und leer fühle. Ich habe keine Motivation mehr oder sehe auch keinen Sinn mehr darin noch zu Leben, obwohl ich so große Ziele hatte. Dinge die mir früher Spaß gemacht haben sind einfach nur noch eine Last für mich und ich habe das Gefühl daran zu ersticken. Ich fühle mich einfach nur eingeengt. Ich weiß nicht was ich tun soll um aus diesem Teufelskreis heraus zu kommen. Jeder sieht nur das fröhliche, schlagfertige, witzige, hübsche Mädchen, doch niemand weiß was eigentlich in mir vorgeht. Ich kann nicht mehr und ich will auch nicht mehr.

Ich bedanke mich für das durchlesen dieses langen Textes. Über einen Rat oder eine Meinung würde ich mich sehr freuen. Danke! <3

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Leider hat es jetzt auch wieder sehr lange gedauert, bis ich dir antworten konnte. Ich hoffe sehr, dass ich dir etwas weiterhelfen kann.
Deine Vergangenheit ist voll von Dingen, die dich schwer gezeichnet haben. Du hast in deiner Familie seelische Misshandlungen und Verletzungen erlitten, was sich darauf weiter durch dein Leben gezogen hat.
Ja, es sollte für jeden kleinen Menschen so sein, dass er bedingungslos geliebt wird. Leider schaffen das nicht alle Eltern - aus verschiedenen Gründen. Dein Vater zeigt sehr alarmierende Verhaltensweisen. Mit Sicherheit stimmt da etwas nicht - ich will keine wilden Vermutungen anstellen, aber möglicherweise ist er ein Narzisst oder Psychopath (oder hat zumindest Tendenzen, das wäre schon schlimm genug). Angehörige solcher Personen haben meistens stark zu leiden, genau wie du es erleben musstest. Hier hilft leider nur konsequentes Meiden und das Schützen der eigenen Grenzen.
Ich habe hier ein Buch entdeckt, in der es um eine toxische Vater-Tochter-Beziehung geht; die Tochter hat offenbar gelernt, ihr Leben trotz der damaligen Beeinträchtigungen glücklich zu führen: https://aufgeblaettert.de/2019/02/18/eine-toxische-vater-tochter-beziehung-rezension-zu-beifang-von-lisa-brennan-jobs/

Dass du dich nun so "tot" und "leer" fühlst, ist da leider eine Konsequenz, die sehr häufig in diesen Situationen auftritt. Denn dein Fass ist sprichwörtlich übergelaufen, du kannst nicht mehr.
Ich muss an der Stelle sagen: Du hast sehr tapfer gekämpft und auch versucht, dich gegen die Ungerechtigkeiten zu stemmen, hast giftige Kontakte gemieden und gemerkt, was dir schadet. Auch gegen die sexualisierte Gewalt deines Ex-Freundes hast du dich zur Wehr gesetzt. Es ist sehr traurig zu lesen, dass er dich vergewaltigt hat. Damit hast du sehr viele Pakete zu tragen, die dich erdrücken.
Die gute Nachricht ist, dass dir eine Psychotherapie helfen kann. Du hast viele Dinge, die dich auszeichnen, besonders machen. Du hast Talente, tolle Fähigkeiten, Schokoladenseiten. Genau um dich und deinen Wert als Mensch, als Individuum, muss es jetzt gehen. Du hast das Recht auf ein Leben in Unversehrtheit. Niemand darf dir Vorschriften zu deinem Körper, deinem Gewicht, deinem Lebensstil machen. Niemand darf dich ohne deine Zustimmung anfassen, küssen. Niemand darf dir Gewalt antun. Du hast das Recht, in Freiheit und Frieden zu leben. Deine Entscheidungen ohne Manipulation und Druck zu treffen, damit es dir gut geht und du deine tiefsten Bedürfnisse befriedigen kannst. All das kann im Rahmen einer professionellen Begleitung allmählich erwachen und gefördert werden. Du kannst aus diesem Albtraum erwachen und ein neues Leben beginnen!

Ich weiß, es ist ein innerer Drang, Anderen daher unbedingt gefallen zu wollen, damit man geliebt und angenommen wird. Du setzt eine Maske auf, damit niemand dein wahres Ich und eine Not sehen kann. Nur ist das nicht der Weg, der dich weiterführen wird. Nur über absolute Selbstakzeptanz und Selbstliebe wirst du die innerliche Ruhe, Erfülltheit und Ausgeglichenheit entwickeln, die du momentan nicht hast. Denn wenn du dich selbst lieben kannst, bist du authentisch und musst dich nicht mehr verstellen. Wenn dine Mitmenschen sehen, dass du z.B. traurig bist, kannst du ihnen emotional viel näher kommen - weil sie einen Anhaltspunkt haben. So können echte Gespräche und ein Austausch entstehen. Denn viel zu oft wird so getan, als wäre alles in paletti. Vor allem in den sozialen Medien. Da ist es an der Tagesordnung, eine Show zu machen, anstatt wirklich menschlich und damit nahbar zu sein. Menschen sind nun mal nicht den ganzen Tag über fröhlich. Das müssen sie auch nicht! Fehler, Eigenheiten, Unzulänglichkeiten und verschiedene Launen gehören dazu und dürfen nicht ausgeklammert werden! Denn die Seele will sich entfalten und sich zeigen, egal wie unterschiedlich und komplex das auch sein mag. Daher ist das allmähliche Ablegen der Maske eine totale Erleichterung, eine Befreiung! Du kannst die Erfahrung machen, dass du so ok bist, wie du bist. Hier wieder der Verweis auf eine Therapie - schrittweise geht es darum, sich selbst mehr anzunehmen, mit der Vergangenheit Frieden schließen zu lernen und allmählich in der Gegenwart anzukommen. Um tragfähige Pläne und Visionen für die Zukunft aufbauen zu können.

Zu den "giftigen Beziehungen", die dich aktuell noch beuteln, nochmal der Hinweis: Bitte brich den Kontakt da ab, wo es geht - also vor allem zu deinem Ex-Freund und langfristig zu deinem Vater, sollte es nicht anders gehen (ab der Volljährigkeit ist das auf jeden Fall möglich). Du musst dich schützen! Deinen Ex kannst du übrigens auch anzeigen. Er ist gewalttätig und damit gefährlich.

Gerade weil du vielleicht durch die Vergewaltigung traumatisiert bist, wäre schnelle Hilfe sehr wichtig.
Lies dir bitte unsere Soforthilfe zum Thema Psychotherapie durch, damit du rasch eine solche für dich Passende finden kannst: https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html
Neben einer Therapie kannst du dich in einer Familienberatungsstelle speziell zum Umgang mit deinem Vater beraten lassen, gerne auch zusammen mit deiner Mutter, sofern sie sich offen dafür zeigt.

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala