Problem von Anonym - 27 Jahre

Bereue es Mutter zu sein

Liebes KuKa-Team, liebe Mitleser,

Bitter verurteilt mich nicht - ich liebe meine beiden Kinder (25 Monate und 7 Monate alt). Aber ich bereue es so sehr Mutter geworden zu sein. Ich merke, dass ich einfach keine gute Mutter bin. Ich reagiere sehr genervt, schreie oft rum. Werde manchmal so sauer, dass ich Türen zuschmeiße. Natürlich würde ich nie meinen Kindern etwas tun - ich liebe sie so sehr. Aber ich bin genervt davon, dass ich den ganzen Tag alles für meine Kinder machen muss. Natürlich hätte ich mir das vorher überlegen müssen - aber wahrscheinlich wird mir jetzt erst bewusst, was meine Aufgaben sind. Und ich hätte nie gedacht, dass Erziehung so schwer ist und man nur der Buh-Mann(Frau) ist und für sein Leben kaum mehr Zeit hat. Vielleicht liegt es am Perfektionismus, wahrscheinlich aber eher daran, dass der große ständig Wutausbrüche hat, manchmal ohne Grund (zumindest für mich). Er brüllt, schreit, motzt. Den ganzen Tag. Jeden Tag. Seit Monaten. Sage ich einmal nein- dann ist er schon in Rage. Ich versuche ihn ins Zimmer zu stecken, zu ignorieren, zurück zu brüllen, zu erklären. Zu trösten. Keine Chance. Es wird nicht besser und ich werde sicherlich auch nicht alles durchgehen lassen, nur damit er gute Laune hat. Aber es zieht mich runter, kaum mehr ein liebes Wort und schöne Momente. Nur woanders (bei der Oma oder Freunde ist er ein Sonnenschein). Das macht mich so traurig- was mache ich nur falsch? Hätte ich gewusst, dass er so wird - ich hätte nie ein 2. Kind bekommen. Ich habe Angst dass sie auch so wird.
Aber diese Gedanken machen mich so traurig, so wütend.
Wie bekomme ich diese Wut aus mir? Wie vermeide ich, dass ich rumbrülle? Ich will es nicht, aber in dem Moment explodiere ich. Ich versuche zb den Raum zu verlassen, wenn ich es Merk. Aber es geht den ganzen Tag so und irgendwann brülle ich dann doch. Mittlerweile habe ich nur noch Magenprobleme, ständig Übelkeit (dabei leide ich auch noch an emetophobie - Angst vorm Erbrechen). Die Ärzte sagen, es liege am stress. Körperlich ist nichts, außer ab und zu Magenschleimhautentzündungen. Ich soll was dagegen tun. Aber was denn? Kinder weggeben ist ja natürlich keine Option. Ich will nicht ohne sie leben. Ich liebe sie ja. Mal mehr Freizeit für mich? Meine Familie wohnt nicht hier. Die Familie von meinem Mann ist zu sehr eingebunden in andere Dinge - nur ab und zu hat seine Mutter mal Zeit. Und mein Mann - ja der arbeitet im schichtsystem und ist leider auch nur ständig genervt und motzt, weil er so ko ist von der Arbeit. Wenn er sieht, wie erledigt ich bin, macht er auch mal viel. Aber das ändert leider nichts an meiner Grundeinstellung. Mittlerweile hab ich nicht mal mehr Lust aufzustehen. Jeden Tag das gleiche. Jeden Tag die gleichen Aufgaben. Jeden Tag dieses Geschrei und getrotze. Als Mutter hat man echt nie Urlaub, niemand dankt und alle hacken trotzdem auf einem rum. Und es wird ja auch nicht besser. Nur anders.
Ich weiß nicht, ob ich das alles schaffe. Ich will meinen Kindern eine wunderschöne Kindheit geben. Aber so wie ich mich hier aufführe und fühle kann ich es nicht. Im mai hab ich einen Termin beim Psychotherapeuten, aber es dauert noch so lang. Ich habe keine Reserven mehr, nervlich nicht und körperlich auch nicht mehr (bin sehr abgemagert seit der Geburt - 10 Kilo weniger).

Vielleicht habt ihr Tipps für mich? Bitte verurteilt mich nicht. Ich wünschte auch so sehr, dass ich anders denken/fühlen und handeln könnte. Jeder in meiner Familie ist scheinbar die geborene Mutter - nur ich nicht.

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ich möchte dich einmal virtuell fest drücken und dir sagen: Ich denke kein bisschen schlecht über dich und verurteile dich auch nicht! Ganz im Gegenteil: Ich kann dich verstehen! Kennst du das Stichwort "Regretting Motherhood"? Das trifft genau dein Problem. Es ist keine Seltenheit, das Muttersein zu bereuen. Und oft liegt es eben genau nicht daran, dass man die Kinder nicht liebt. Sondern an bescheidenen Lebensumständen, besonders an mangelnder Unterstützung.

Was ich bei dir ganz stark lese, ist das tiefe Bedürfnis, alles gut zu machen und für deine Kinder da zu sein. Du liebst deine Kinder, das allein ist einfach wunderbar und extrem viel wert! Ihr habt definitiv Schwierigkeiten, die sofort angegangen werden müssen, doch bitte glaube mir: Du bist KEINE schlechte Mutter! Deine Kinder sind durch deine Liebe auf der Welt. Das ist einfach schön und genau richtig! Halte dir das vor Augen.
Und ich bin mir recht sicher, dass dein Sohn dich einfach spiegelt: Er zeigt dir durch sein eigenes motziges Verhalten, wie er dich wahrnimmt. Doch das bedeutet nicht, dass du als Mutter eine Zumutung bist. Du bist einfach überfordert und verzweifelt. Das ist völlig natürlich und darf dir niemals zum Vorwurf gemacht werden. Und soll ich dir was sagen? Ich glaube, es gibt viele Mütter, denen es ähnlich geht. Weil es a) einfach krass ist, zwei Kinder großzuziehen - in deinem Fall mit einem sehr geringen Altersabstand, vergiss das nicht! - und b) ein krasser Druck in Sachen Perfektionismus herrscht. Muttersein in Deutschland kann ein Spießrutenlauf sein. Weil der Vater viel zu wenig beachtet wird, obwohl er so eine bedeutende Rolle hat und die Mutter entlasten müsste. Weil die Mutter als Figur ins Absurdeste hinein glorifiziert wird, was zu einer unrealistischen Erwartungshaltung führt. Eine Mutter soll so viel leisten und alles richtig machen, so wird es oft vermittelt. Wenn auch unterschwellig. Und das macht etwas mit einem Menschen!
Ich bin selbst Mutter einer kleinen Tochter. Ich habe mich immer vor diesem Sozialdruck gefürchtet. Und weißt du was? Ich habe sehr viel dafür getan, ihm zu entkommen - es hat geklappt! Ich habe weitestgehend meine Ruhe. Ich mache das, was ich kann und was ich mir zumuten möchte. Die anderen Sachen macht mein Partner. Und wenn ich irgendwo nicht hingehen will, mache ich es nicht. Da kräht kein Hahn danach.
Du denkst vielleicht: Ich MUSS dies und jenes tun, aber das ist ein Trugschluss! Du musst vor allem schauen, dass du dich nicht verlierst! Du musst dich selbst schützen und verwöhnen, so gut es eben geht mit den Kindern. Sie sind klein und bedürftig, das ist eine Durststrecke. Doch bald sind sie größer, können in den Kindergarten gehen.

Hier noch ein paar grundsätzliche Tipps:

- Du machst dir selbst einen unnötig starken Druck. Du bist keine Maschine! Und auch ein ganz kleines Kind versteht, wenn du sagst: "Ich bin müde, ich lege mich hin." Dann kannst du mit den beiden z.B. im Bett ein Buch anschauen. Das beruhigt euch alle drei. Und du kannst deinem Körper die nötige Ruhe geben, um wieder Kraft zu sammeln.

- Du musst mit deinem Mann offen über deine Gefühle sprechen und mit ihm dauerhafte und regelmäßige Aufgabenverteilungen klären. Wenn er gestresst von der Arbeit ist, passt sie für ihn vielleicht gar nicht. Vielleicht kann er Stunden reduzieren oder sich versetzen lassen? Die Kinder würden sehr davon profitieren, ihren Vater im Alltag zu erleben. Und du erst! Also: Vielleicht könnt ihr beide Dinge in eine gefälligere Richtung lenken: Dann ist dein Mann weniger fertig und du auch nicht. Und eure Kinder reagieren dann mit mehr Gelassenheit und Zufriedenheit. Was wiederum euch entspannter macht und sich nicht so schreckliche "Wutspiralen" bilden.

- Außerdem kannst du auch arbeiten gehen und dein Mann ist eine Weile bei den Kindern. Entweder gehst du Vollzeit und er übernimmt den Haushalt und die Kinderbetreuung, oder ihr sucht euch beide 50%-Stellen oder weniger. Oft lohnt es sich, genau hinzuschauen, ob wirklich der berufliche Stress im passenden Verhältnis zu den Finanzen steht...

- Eure Wohnung muss nicht dauernd picobello aussehen. Viel, viel wichtiger ist, dass du nicht vor die Hunde gehst!! Mit kleinen Kindern lohnt sich meiner Meinung nach ständiges Aufräumen eh nicht, dann lieber feste Plätze/Räume schaffen, wo es nicht so stört. Auch hat es viel mit deiner inneren Haltung zutun. Will ich selbst, dass es sauber und ordentlich ist? Oder mache ich es, weil es angeblich von mir erwartet wird?

- Hilfe von Anderen annehmen (Familie, Bekannte, auch von beruflich Helfenden!): Bitte schweige nicht. Vielleicht ist euren Verwandten kein bisschen klar, dass du so überfordert bist. Da geht dann mitunter doch noch was! Also scheue dich bitte nicht, das anzusprechen. Zumal du ja auch etwas dafür tun kannst, sofern es in deiner Macht steht und nicht neue Überforderungen heraufbeschwört.

- Melde dich in Tauschnetzen und Nachbarschaftsnetzwerken an: Da sind wirklich viele Menschen, die z.T. sehr viel Zeit übrig haben, weil sie beispielsweise schon in Rente sind. Da helfen viele sehr gerne bei Reparaturen, Haushalt, Kinderbetreuung, Behördengängen usw.! Das ist dann wirklich schön, weil es um sinnvolle Dinge geht und sich Leute mit ihren Erfahrungen und Begabungen einbringen können, z.B. in Sachen Babysitting. Im besten Fall findet ihr jemanden, der das auch mal kostenlos übernimmt. Und sei es für 1 - 2 Stunden, dass du mal draußen spazierengehen oder in der Sonne sitzen kannst.

- Eigene Anforderungen überdenken - Prioritäten setzen (was ist mir wirklich wichtig und was nur scheinbar...?) Wo müssen mein Mann und ich unseren Lebensstil umlenken, um uns nicht chronisch zu stressen?

- Bedürfnisse von anderen Menschen strikt von den eigenen abgrenzen: Das klang in meinen oberen Ausführungen schon an, aber weil es so wichtig ist, hier nochmal. Bitte bleibe bei dir und schaue nicht dauernd in der Außenwelt, was wie zu sein hat. Jede Familie ist anders und hat das Recht, nach den eigenen Bedürfnissen zu leben! Genauso ist jede Mutter anders, vergiss all die starren Rollenvorstellungen! Die engen nur ein und machen deswegen so wütend! Also: Achte dich selbst und respektiere, wenn dir etwas zu weit geht oder zuviel wird. Ich finde es gut, dass du den Raum verlässt, wenn dein Sohn dich zu sehr nervt. Wie wäre es, wenn du ihm auch sagst, wie es dir geht? Gefühle auszusprechen ist wirklich wichtig und hilfreich. Das entlastet dich nämlich auch direkt in dem Moment.

- Dir selbst viel Gutes tun, Auszeiten nehmen, entspannen!! Auch das hatte ich schon angedeutet: Ich lese aus deinen Zeilen, dass viel zu viel an dir hängen bleibt. Da muss sich sehr viel verändern. Und Entspannung geht auch mit deinen Kindern. Entweder das Beispiel mit dem Buch im Bett, oder sowas wie im Sommer kleines Planschbecken aufbauen, sich massieren, Traumreise anhören, einfach daliegen und kuscheln... oder ihr setzt euch hin und baut ein Fantasiegebäude aus schlichten Bauklötzen. Das sind ruhige Tätigkeiten, bei denen du auch mal die Passive sein kannst. genauso auf Spielplätzen: Jetzt im Sommer ist das eine gute Übungsmöglichkeit, gelassener zu werden. Auch wenn da ganz viele Eltern sind und (leider) die Meisten um ihre Kinder herumglucken, kannst du dich auf eine Bank setzen und die Kleinen einfach machen lassen. Du musst nicht permanent neben ihnen im Sand hocken und das Schäufelchen halten! Die Kinder profitieren davon, ihre Freiräume zu bekommen. Und falls doch etwas sein sollte, bist du ja schnell da.
Wenn du abends erschöpft vom Tag bist, sollte irgend eine Belohnung auf dich warten. Ein gutes Buch, ein Aromabad, ein schöner Film, Zeit mit deinem Mann... bloß nicht noch Wäschewaschen oder Herumräumen! Am Abend sollte es wirklich um dich gehen. Seele baumeln lassen. Paarzeit. Das ist so wesentlich! Denn nur wenn ihr eine liebevolle Paarbeziehung leben könnt, seid ihr auch als Eltern ein gutes Team und somit ein sicherer Hafen für eure Kinder. Lass dich von ihm massieren, bekochen, gehe mit ihm aus! Es gibt Babysitter:innen, die auf die Kleinen aufpassen können. Du musst nicht dauernd verfügbar sein!

Ich denke, du kannst es auch ohne Psychotherapie schaffen, wieder fröhlicher und zufriedener zu werden. Es setzt voraus, dass du dich ganz grundlegend mit deiner Rolle als Mutter auseinandersetzt und sehr kritisch auf deine Erwartungen guckst. Woher kommen sie? Was machen sie mit dir? Hast du giftige Beziehungen, schlechte Einflüsse um dich herum? Kann da auch die Wut herkommen?

Gib dir Zeit. In jeder Hinsicht. Du musst mit deinem Mann eine Bilanz ziehen und gemeinsam mit ihm an positiven Veränderungen arbeiten. Du machst viel zu viel auf eigene Faust, das muss ein Ende haben!
Um da besser ranzugehen, wäre auch ein Beratungsgespräch in einer Familienberatungsstelle eine sinnvolle Sache.

Deine Kinder werden letztlich spüren, dass es dir besser geht. Und sich entsprechend verhalten. Auch wenn nicht immer alles rund läuft: Das IST letztlich einfach so und muss hingenommen werden. Perfektion und Familie passen von Haus aus nicht zusammen!

Hier noch ein paar Inputs zum Bereuen der Mutterschaft: https://www.herz-und-liebe.com/regretting-motherhood/ und ein Buchtipp: "Wenn Mutter Sein nicht glücklich macht" von Christina Mundlos.

Außerdem habe ich hier schon mal ein ähnliches Problem beantwortet: https://mein-kummerkasten.de/330573/Ich-weiss-nicht-weiter.html

Ich wünsche dir das Allerbeste und viel Kraft! Melde dich bitte wieder, solltest du weiterhin Hilfe brauchen. Wir sind gerne für dich da.

Nuala


PS: Du hast ein Feedback erhalten! https://mein-kummerkasten.de/331317/Feedback-zu-Bereue-es-Mutter-zu-sein.html