Problem von Anonym - 15 Jahre

Mein Ex-Freund fässt mich an und lässt sich nicht davon abhalten

Hallo,
also ich war ein halbes Jahr mit einem Jungen aus meiner Klasse zusammen und habe es daraufhin beendet, dass war in der 7 und jetzt bin ich in der 9., ich komm jetzt eigentlich ganz gut mit ihm klar. Doch seit wir eine neue Sitzordnung haben, sitze ich neben ihm. Auch davor hat er schon meine Nähe gesucht, in dem er z.B. versucht hat meine Hand zuhalten oder den Arm um mich zulegen. Seit er neben mir sitzt liegt seine Hand IMMER auf meinem Oberschenkel und ich schiebe sie andauernd weg. Ich habe ihn darauf schon angesprochen und er meint er wollte nur testen ob es mir gefällt. Ich hab das ganze dann klargestellt und ihm gesagt er soll das lassen. Er meinte er lässt es....doch seit dem Gespräch ist es och schlimmer. Er berührt meinen Po und versucht mich zu küssen.
Ich habe es meinem besten Freund erzählt und er mein ich soll ihm eine scheuern, also meinem Ex. Dieser ist leider einen Kopf größer als ich und leider extrem stark. Ich traue mich also nicht so etwas zu machen....


Bitte antwortet. Ich bin echt am verzweifeln. Wie gesagt ich hab es NUR meinem besten Freund erzählt und das war es.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

ich danke dir für deine Offenheit. Eines ist ganz klar: Du kannst dieses Problem nicht allein lösen. Ihn zu schlagen, mag eine Lösung sein, wenn du dir davon tatsächlich Besserung versprichst. Ganz abgesehen davon, dass ich als Christ aber schon aus Prinzip nicht zur Gewalt raten will, ist es ja auch offensichtlich: Du hast Angst vor seiner Reaktion, hast Angst, Gegengewalt könnte die Folge sein! Dann, schlag auf keinen Fall zu. Sondern suche lieber nach Möglichkeiten, wie du dich damit gar nicht mehr abgeben musst. Sonst gibst du ihm am Ende noch die Möglichkeit, sich selbst als das Opfer darzustellen. Und das wäre nicht nur ungerecht, sondern auch zu deinem eigenen Schaden.

Die einfachste Vorgehensweise liegt darin, deinem Klassenlehrer die Situation zu schildern. Ich weiß es kostet Überwindung. Aber es liegt auf der Hand, dass diese Sitzordnung nicht so bleiben kann. Dein Ex muss so sitzen, dass er a) keine Möglichkeit mehr hat, dich zu berühren, und b) auch nicht die Möglichkeit hat, dich durch Blicke, Gesten oder Ähnliches zu verunsichern und abzulenken. Bitte also den zuständigen Lehrer - vielleicht suchst du ihn / sie zusammen mit einer Freundin auf, oder kontaktierst ihn / sie erst einmal per Mail - die Sitzordnung entsprechend zu verändern. Selbstverständlich, und das wird jedem einleuchten, muss das ohne Angabe von Gründen geschehen, und das steht jederzeit in der Macht der Lehrer. Wenn du nicht möchtest, dass die Mitschüler eins und eins zusammen zählen, dann wird es sicher auch möglich sein, die gesamte Sitzordnung "aus gegebenem Anlass" zu verändern.

Damit wir uns recht verstehen, liebe Anonyme: Dass er so bald wie möglich NICHT MEHR neben dir und NICHT MEHR in deiner Nähe sitzt, ist nichts, um was du deinen Klassenlehrer/-lehrerin unverbindlich bittest, und was er / sie nach Gutdünken tun oder lassen kann. Sondern es handelt sich hier um DEIN Recht. Es verletzt deine wichtigsten Menschenrechte, nicht vor sexueller Belästigung geschützt zu werden und dich vor Gewalt fürchten zu müssen, wenn jederzeit Möglichkeiten bereit stehen, die Gefahr sofort abzustellen. Daher solltest du auch unbedingt kommunizieren, dass die Sache für dich keinen Aufschub duldet und dass, wenn sich das weiter fortsetzt, der Schulbesuch für dich nicht mehr vorstellbar ist. Es muss etwas geschehen. Nicht morgen, nicht nächste Woche - sofort. Und du solltest auf keinen Fall zögern, dich auch an die übrigen Stellen der Schule - Elternvertreter, Schülersprecher und Direktor(in) - zu wenden, wenn du bei deinen Lehrern keinen Erfolg hast. Lass dir nichts sagen; lass dich nicht vertrösten; lass das, was du erlebst, von niemandem kleinreden oder verharmlosen oder bestreiten. Dir wird Gewalt angetan - körperlich und seelisch. Und niemand hat das lächerlich zu finden.

Für die Wege außerhalb der Klassenzimmer müssen andere Lösungen gefunden werden. Keine Lösung kann es jedenfalls sein, dass du dich in den Pausen versteckst oder versuchst, ihm nicht zu begegnen. Such dir eine Freundin oder Freund, die dich auf den täglichen Wegen begleitet, zum Beispiel zur Umkleide oder zur Haltestelle, und hab auch keine Scheu, dich laut bemerkbar zu machen, wenn er wieder zudringlich wird. Vergiss dabei nie die folgende Grundregel: DU bist das Opfer. DU bestimmst, was Gewalt ist. Und das, was hier vor sich geht, ist nicht normal, nicht "typisch Jungs", nicht "stell dich nicht so an", nicht "Pubertät", sondern Belästigung und Einschüchterung. Niemand hat das lächerlich zu finden. Ich kann verstehen, wenn du Angst hast, man könnte dir das Ganze negativ auslegen und über dich reden, wenn du dich bemerkbar machst, ihn von dir stößt, schreist - aber wenn das notwendig werden sollte (was ich nicht hoffe!), dann ist das vielleicht deine Rettung aus der Angst der letzten Zeit. Ihm muss eine Grenze gesetzt werden. Und wenn er sie bei dir nicht lernt, werden vielleicht noch viele Mädchen und Frauen darunter leiden. Denk immer daran!

Der letzte Weg - nämlich eine offizielle Beschwerde oder sogar eine Anzeige - kommt dann in Betracht, wenn du dir nicht mehr anders zu helfen weißt. Und wann das ist, das liegt wiederum bei dir. Noch einmal: Hier ist nichts harmlos! Denn dein Exfreund ist mit über vierzehn Jahren strafmündig und kann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn er dich bedrängt, belästigt und bedroht. Sichere dir daher den Beistand deines besten Freundes und anderer Freunde zu, wenn es zum Äußersten kommt: Ihr wisst, was los ist. Und ihr solltet euch trauen, es auszusprechen. Denn ihr helft damit auch denjenigen, denen er nach dir solches antun könnte (und wahrscheinlich würde). Man muss nicht sofort zum äußersten Mittel greifen - vergiss aber nie, dass du ohne Weiteres Grund hättest, es zu tun. Und das darfst du deinem Ex auch ruhig sagen! Es ist seine Sache, wenn er mutwillig sein Leben wegwirft, indem er etwas tut, von dem er ganz genau weiß, dass es unrecht ist. Aber du lebst dein Leben, und du hast ein Recht darauf, es in Frieden und Würde zu tun.

Ich wünsche dir allen Mut und alle Kraft, die Schritte zu tun, die zu tun sind. Du bist eine tapfere junge Frau - und ich hoffe trotzdem, dass du in Zukunft nicht mehr so tapfer sein musst, wie du es bisher musstest. Dazu besteht kein Grund. Fordere deine Rechte ein!

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul