Problem von Anonym - 19 Jahre

Ich weiß nicht was mit mir los ist

Hallo liebes Kummerkastenteam,
Vorab will ich mich bedanken für das Durchlesen meines Problems. Ich bin sehr dankbar dafür.
Etwas über meine Person, das vielleicht hilfreich sein könnte: ich kann nicht wirklich gut über meine Gefühle reden. Vor allem nicht mit meiner Familie oder mit meinem Freund. Ich habe noch nie wirklich meine Gefühle/Bedürfnisse meinen Mitmenschen offenbart oder ähnliches. Ich wollte/will alles richtig machen und es so machen, dass alle etwas davon haben. Wie es mir dabei geht ist mir meist egal, hauptsache ich mache anderen keine Umstände.
Das lief bisher recht gut, doch in den letzten paar Monaten bekam ich Stimmungsschwankungen - antriebslos, traurig, erschöpft, aggressiv, gleichgültig. Ich weine leider sehr viel und finde nicht den wirklichen Grund dafür. Es reicht schon eine kleine Bemerkung und die Tränen fließen oder ich scheie diese Person an. Ich war/bin eine fröhliche Person, die optimistisch durchs Leben geht/ging und dieses Geschreie und Geweine sieht mir gar nicht ähnlich.
Ich überlege viel und dachte an die Antibabypille, die ich absetzte, wegen den Nebenwirkungen, doch das half nicht. Ich dachte an meinen Beruf, den ich zurzeit ausübe, der mich überhaupt nicht glücklich macht und den ich jetzt wechseln will, doch die Gedanken an einen anderen Beruf machen mir angst und machen mich noch unglücklicher. Ich fühle mich einfach nur kaputt und müde. Ich friere auch ständig, egal wieviel Kleidung ich anhabe.
Vielleicht können ihr mir ja helfen.
Liebe Grüße
XY

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ich lese mir deine Zeilen gerne durch und hoffe, ich kann dir den ein - oder anderen nützlichen Gedanken an die Hand geben.
Ich werde nicht sonderlich viel schreiben, denn auf zauberhafte Weise stecken Frage und Antwort bei dir bereits in deiner Problemschilderung. Du hast die Ursachen selbst benannt, so glaube ich.

Du schreibst: "Ich wollte/will alles richtig machen und es so machen, dass alle etwas davon haben." Gleich danach schreibst du, dass du dich nie wichtig genommen hast. Also ist Aussage 1 falsch! Denn hättest du bisher wirklich nach diesem Motto gelebt, wäre die ALLERWICHTIGSTE Person in deinem Leben jetzt nicht so am Ende: DU SELBST! Und genau das macht dich so krank! Deine Seele schreit nach Erlösung von der Anstrengung, permanent unterdrückt zu werden, sie hat genug davon, unsichtbar zu sein. Sie schafft es einfach nicht mehr, sich zu verbergen, also quellen deine Gefühle förmlich aus dir heraus. Und sieh es als etwas Positives, Erlösendes: Denn jetzt kannst du dein Leben von Grund auf umkrempeln!

Ich befürchte, dass ich dir über die Ferne nicht intensiver beistehen kann, dafür fehlen mir die Details. Womöglich wäre es am besten, du würdest dich therapeutisch begleiten lassen, eventuell würde auch schon eine psychologische Beratung ausreichen, zumindest zur Abklärung, wie gravierend deine Symptome und die dazugehörigen Ursachen sind.
Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass du uns erneut schreibst, gerne noch detaillierter, wenn dich etwas akut runterzieht und du hilflos im Umgang damit bist.

Was du jeden Fall tun kannst und auch wirklich dringend tun solltest: Dich mit deinen Gefühlen, Selbstliebe, Authentizität, Selbstfürsorge, Achtsamkeit und Abgrenzung befassen. Denn nur so kannst du deine Bedürfnisse allmählich entsprechend deiner Persönlichkeit zum Ausdruck bringen lernen. Ja, es ist ein Lernprozess, der sehr viel Zeit benötigt. Und ein sehr lohnenswerter!
Zur Unterstützung gibt es viel Literatur. Guck dich einfach mal zu den genannten Stichwörtern um, ob und welche Medien du für dich passend findest.

Ich habe ein paar Links für dich:
* https://www.lebeblog.de/gefuehle-zeigen/
* https://www.selbstbewusstsein-staerken.net/blog/#Selbstliebe_Selbstakzeptanz
* https://dubistgenug.de/selbstliebe/
* https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/34/Selbstzweifel.html
* https://www.zeitzuleben.de/selbstfindung/

Mein spezieller Tipp für das allmähliche Zeigen von Gefühlen ist, dass du sie selbst erstmal bei dir beobachtest, unzensiert (!) annimmst und mit ihnen angemessen umgehen lernst. Schreibe sie z.B. täglich in ein eigenes "Gefühls-Tagebuch", wann und in welcher Form sie sich gezeigt haben und wie du mit ihnen verfahren bist. Du kannst dann schon erste Durchbrüche notieren, also dass es dir z.B. gelungen ist, deinem Freund in einem innigen Gespräch Einblicke in deine Gefühlswelt gegeben zu haben. So kannst du dich schrittweise dem annähern, was man als "seelengerecht" und somit menschengerecht bezeichnen würde: Sich als echter Mensch auszuleben, mit allem Drum und Dran. Und nicht nur eine Hülle zu sein, auf die andere ihre Wünsche projizieren dürfen.

Ich wünsche dir alles Gute!
Nuala