Problem von Anonym - 16 Jahre

Zivilcourage

Hallo liebes Kummerkasten Team, ich habe das Problem das ich heute in der Schule (Gesamtschule 10te Klasse) Zivilcourage bewiesen habe und mir das erstens nicht gedankt wurde (ist mir aber egal) und zweitens die gegnerische Person sich auf mich eingeschossen hat. Zum einfachen Verständnis nenne ich die Personen Lisa und Max (beide Namen sind ausgedacht. Das Problem aber nicht.).
Wir sind eigentlich eine sehr gute Klassengemeinschaft dank unseres Klassenlehrers und werden im Jahrgang als die Vorzeigeklasse tituliert. Jedoch seit Anfang des Schuljahres entgleist uns ein Max. Vorher war er eine sehr ruhiger Schüler der sich kaum zu Wort meldete und gut integriert war. Seit den Sommerferien jedoch hat er sich von der Klasse distanziert und selbst ausgeschlossen. Zudem hat er Mädchen aus unserem Jahrgang angeschrieben das er auf ihre Bilder onaniert. Auch hat er Lisa angeschrieben und ihr geschrieben ohne das sie vorher irgendwelche Hoffnungen geweckt hat, das sie zu hässlich sei und für ihn überhaupt nicht in fragen kommt. Darauf hin hat die Klasse eine gewisse Distanz zu ihm und er will auch nicht wieder zurück in die Gemeinschaft ihm ist im Moment alles Egal so auch der aktuelle Vorfall.
Da wir in der 10ten Klasse sind, am Ende des Schuljahres Abschlussprüfung haben und die Schule verlassen werden, ist ein Abschlussball in Planung. Das Planungskomitee plant einen Ball mit dem Vorbild des Amerikanischen Prom. Hierzu gehört natürlich auch das Tanzen. Da unsere Klasse die einzige im Jahrgang ist die etwas in Planung hat und was auf die Beine Stellen kann, haben wir uns darauf demokratisch geeinigt den Eröffungstanz zu machen. Hierzu wollen wir Walzer tanzen. Für die Partner haben die Jungs gelost (Auch dieser Vorgang wurde per Abstimmung genehmigt). Ich habe einen Zug mit dem ich sehr zufrieden bin (ist aber unwichtig). Lisa ist unsere Klassensprecherin und stellte die Regel auf das keine abschätzige Reaktion über den Zug gemacht wird. Alle waren eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Zug bis auf Lisa. Als sie erfahren hat das Max sie gezogen hat schrie sie hysterisch das sie niemals mit diesem Typ tanzen wird. Da wir wussten das sie immer etwas über reagiert ließen wir sie in Ruhe. Wir dachten die beruhigt sich schon wieder und nächste Woche beschwert die sich halt noch mal und dann ist gut und sie wir es am Ende einfach hinnehmen.
Falsch gedacht. Heute in Deutsch (die Losung fand letzte Woche Dienstag in der 6ten Stunde statt) kam das Thema Abschlussball und Tanzpartner auf (da ich auf einer Gesamtschule bin haben nicht in jedem Fach die ganze Klasse sondern sind in Kursen eingeteilt in Deutsch auch hier sind nur wenige Schüler aus unserer Klasse aber auch Max). Lisa nutzte das dazu auszudrücken wie sehr sie Max nicht mag und wie beschissen sie es findet das sie ausgerechnet mit ihm tanzen muss. Das macht sie aber in einer Form die echt nicht geht es fallen Sätze: "mit diesem Spaßt tanze ich nicht... ". sie macht Max mitten im Deutsch Unterricht bewusst verletzend richtig runter und beleidigt ihn auf eine Art und weise das es echt nicht mehr ging. also habe ich mich eingeschaltet und habe Lisa gesagt das das echt unter aller Würde ist wie sie hier Max runter macht und ihn bloß stellt wofür er wirklich nichts kann. Darauf hin entbrannte eine Diskussion zwischen Lisa und mir. Das ganze wurde durch das klingen ohne ein Ergebnis beendet. Da ich wusste das wir in der 5ten und 6ten Stunde Unterricht mit unserem Klassenlehrer hatten und wir so oder so noch was klären mussten wollte ich diese Plattform nutzten und dieses Problem in der Klasse ansprechen um eine gemeinsame Lösung zu finden. In der 5ten Stunde nach dem wir die andere Sache geklärt hatten wollte ich nun das Problem ansprechen (nur damit es keine Missverständnisse gibt mir war egal was sie zu mir gesagt hat mir ging es nur darum das Max wenigstens eine Entschuldigung bekommt oder sie wenigstes Einsicht bekommt). Jedoch hatte bereits unser Klassen Lehrer davon mitbekommen und sprach das Thema selbst an. Bevor ich weiter erzähle noch was zu unserm Klassenlehrer. Unser Klassenlehrer ist sehr intelligent jung und sehr engagiert. Er hält oft Appells an uns wo er sehr viel nachdenkliches erzählt. Meistens ist er echt total entspannt und hat auf uns einen enormen Einfluss. Er spricht das Thema ganz sachlich und sagt das er es mit bekommen hat und so weiter. Lisa fühlt sich sofort angegriffen und fängt mit unserem Lehrer eine Diskussion an. In der Stellt sie ihre Team Unfähigkeit dar und diskutiert darauf das es doch ihre Entscheidung ist wie und was sie sagt das es ihre Sache ist wie sie mit dem Zug umgeht. Da sie auch hier wieder Max (der auch im Raum ist) wieder runtermacht und es auch gegen mich geht schalte ich mich wieder ein am Ende schoss sie sich darauf ein das ich an allem Schuld bin und alles mein Problem ist das sie keinerlei Einsicht zeigt und eine Entschuldigung gab es auch nicht. Leider wird mir das Problem weiter nachhängen zwar wird Lisa die einzige sein die darauf rumhackt und der Rest der Klasse sich neutral verhält aber alle zu mir halten frage ich mich wie soll ich weiter darauf reagieren und mich verhalten soll?

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Anonymer,

ich danke für deine Schilderung und dein Vertrauen in uns. Fraglos ehrt es dich, dass du dich für eure gemeinsame Planung stark gemacht hast, und dabei auch an den Gemeinschaftssinn und Lisas Zurückhaltung appelliert hast. Ich glaube, du hast bereits mehr getan, als in so einer Situation getan werden muss - jedenfalls, solange weder Max Lisa weiter bedrängt, noch Lisa oder Andere sich entschließen, Max dauerhaft das Leben schwer zu machen. Eine Klassengemeinschaft ist eine tolle Sache, aber es darf auch nicht übersehen werden, dass sie keine Verpflichtung darstellt. Wenn jemand sich nicht beteiligen möchte, dann kannst du ihn nicht dazu zwingen. Zumindest endet der Versuch meist mit nur noch mehr bösem Blut.

Um ganz offen zu sein: Ich kann auch Lisa grundsätzlich verstehen. Sicher war ihre Art und Weise, sich auszudrücken, unangemessen, ja aggressiv - aber ich würde Max auch nicht vorschnell in Schutz nehmen wollen, ohne zu wissen, ob er vielleicht in den letzten Monaten noch weitere Nachrichten geschrieben oder sie sogar direkt beleidigt hat. Es ist völlig klar, dass, was immer sie erfahren hat, ihren Kontrollverlust nicht rechtfertigt. Aber sie um jeden Preis dazu bringen zu wollen, mit Max den Ball zu eröffnen, halte ich auch für keine gute Idee. Natürlich kann man immer sagen, das ist ein einmaliges Event, das von allen Beteiligten ein gewisses Opfer verlangt. Aber letztendlich widerspricht die Pflicht zur Solidarität, die auch Lisa gegenüber eurer ganzen Klasse hat, in diesem Fall ihrem Recht, ihrem Ärger Luft zu machen - einem Ärger, den ich nicht unberechtigt finde. Und ein Recht darauf, dass sie alle an diesem Abend das größtmögliche persönliche Wohlbefinden haben, haben auch alle, jede und jeder einzelne. Ob das nun am besten erreicht wird, indem eine Person sich opfert, oder indem alle gewisse Makel akzeptieren, ist kaum zu klären. Vielleicht ist es einfach so, dass es nur "fast perfekt" werden kann. So dämlich das auch ist.

Denn man muss sich das mal klar machen: Was Max gemacht hat, war schlicht und einfach vulgär, frauenfeindlich und in seinem Alter auch nicht zu entschuldigen. Er muss, wenn er sich zu solchen Aktionen hinreißen lässt, eben damit leben, dass die Mädchen, die davon wissen, nicht mehr wirklich etwas mit ihm zu tun haben wollen - so ist es einfach und so finde ich es auch nachvollziehbar. Bezeichnenderweise hast du nur davon geschrieben, dass die Klassengemeinschaft "eine gewisse Distanz" zu ihm habe (kein Wunder), aber nichts darüber, ob er sich für sein Verhalten entschuldigt hat. Wenn er eine ehrliche Entschuldigung ausgesprochen haben sollte, und sowas seitdem nicht mehr vorgekommen ist, dann wäre es richtig, diese Dinge als erledigt zu betrachten. Dann könnte auch Lisa gebeten werden, über ihren Schatten zu springen. Wenn er das aber nicht hat, dann liegen die Dinge eben so, dass Lisa nicht mit einem zum Ball gehen muss, der sich obszön und präpubertär verhält. Das ist zwar nicht schön für ihn, aber viel besser kann man ihm die Folgen eines solchen Verhaltens für sein weiteres Leben nicht klar machen. Es geht in diesem Fall nicht darum, dass die Klassengemeinschaft ihn ausschließt: Kollektives Handeln ist aus vielen Einzelentscheidungen zusammen gesetzt, und wenn es eine verbreitete Meinung gibt, dass Max Grundregeln des Anstands missachtet, ohne Reue zu zeigen, dann muss das auch akzeptiert werden.

Ich sehe folgende Möglichkeiten:

1) Du versuchst, eine Aussprache zwischen Max und Lisa zu arrangieren, bei der er sich für seine Nachrichten entschuldigt. Anschließend sollte auch sie sich für ihre Überreaktion entschuldigen. Das ist mal die Grundlage. Ob sie sich dann bereit findet, mit ihm den Tanz zu machen, weißt du noch nicht. Aber immerhin könnte es dann von ihr erbeten werden.

2) Ihr entscheidet euch dafür, diskret eine Ausnahme zu machen - einfach, um weiteren Ärger zu vermeiden - und du fragst beispielsweise deine Ballpartnerin, ob sie bereit wäre, statt deiner mit Max zu gehen. Du bietest dann Lisa an, es mit ihr zu tun.

3) Ihr richtet es so ein, dass für die zwei zusätzliche Leute aus einer anderen Klasse als Partner gefunden werden. Wenn das nicht funktioniert, externe - einfach, damit niemand allein auflaufen muss.

4) Lieber Anonymer: Du gehst mit Max! Wir leben in einem liberalen Zeitalter, und da du so mutig bist, wie dein Verhalten ja zeigt, sollte dir eventuelles Gerede egal sein. Du weißt - und alle, die es angeht, wissen - dass es jeder Grundlage entbehrt, und damit gut. Diese Option ist zwar ungewöhnlich, aber vielleicht sogar die am einfachsten zu verwirklichende.

Es gibt in dieser Angelegenheit leider keinen Königsweg. Denn es wurden auf beiden Seiten Fehler gemacht, und da der Abschlussball eben so ein wichtiger Meilenstein ist, lässt sich durchaus nachvollziehen, dass keine Seite einen Kompromiss machen will. Was dich selbst mit Lisa entzweit, ist eine andere Sache. Du hast dir persönlich nichts vorzuwerfen, und wenn sie dir bis in alle Ewigkeit grollt, ist das letztlich nur zu ihrem Nachteil. Ändern kannst du es nicht. Dir bleibt die Gewissheit, dich für ein gutes und kameradschaftliches Gelingen eingesetzt zu haben. Zu couragiertem Verhalten gehört aber nicht nur Unerschrockenheit, sondern auch die Bereitschaft, einzusehen, wo die eigenen Grenzen liegen. Denn Courage ist nicht Aufopferung und auch nicht mutwillige Selbstgefährdung - zumindest, wenn es vermeidbar ist.

Ich wünsche dir, dass du die richtigen Worte findest, um eine Lösung herbeizuführen! Vor allem aber: Mach nicht denselben Fehler wie Lisa, und steigere dich nicht in diese Auseinandersetzung hinein. Du hast sie nicht gewollt, und Konflikte laufen sich am ehesten tot, wenn man sich ihnen verweigert. Was man spätestens dann tun sollte, wenn klar ist, dass auf der Gegenseite kein Interesse zur Beendigung des Streits besteht. Du tust, was du kannst - doch wenn es nicht genug ist, ist es leider so. Das ist dann aber nicht deine Schuld und eigentlich auch nicht dein Problem.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul