Problem von Benny - 21 Jahre

Antwort Situation mit Ex

Hallo Paul,

vielen Dank für die wirkliche lange Antwort und auch die intensive Auseinandersetzung mit meiner Thematik.
Der Text hat mich im positiven Sinne aufgewühlt und ich werde mir deine Antwort wahrscheinlich noch etwas öfter durchlesen.

Zum aktuellen Stand:

Ich hatte irgendwie noch keine Lust, Kraft, was auch immer, um beispielsweise Bilder zu löschen die sie mir von sich gesendet hatte. Irgendwie setzte ich mich damit auch aktuell noch nicht auseinander.
Da ich heute meine letze Prüfung an der Uni für das Semester hatte (welche glücklicherweise trotz der Umstände gut verlief), ergeben sich für mich noch einige Freizeiten in denen ich auch vermutlich, zumindest ab und zu, über alles nachdenken werde.

Aktuell geht es mir nocht so schlecht, vielleicht auch dem geschuldet, dass wir doch seit 4/5 Wochen eigentlich keinen persönlichen Kontakt, geschweige denn Nähe hatten.
Mir geht es prinzipiell nicht um Schuldzuweisungen, das wäre kindisch, aber es lässt sich nun mal festhalten, wie auch du sehr detailliert und einfühlsam beschrieben hast, dass sie eher der Part war, welcher sich nicht sicher wär/ist.
Unterhaltungen mit Freunden (sowohl männlich, als auch weiblich) haben mich relativ gut aufgefangen, da diese auch nicht verstehen konnten, wie das alles ablief.

Also was ist die Situation mit ihr? Nun ja, nach meiner Aussage, dass ich ihr ein schönes Leben wünsche
(natürlich und das muss man ehrlicherweise sagen, war dort sowohl eine ehrliche Aussage, wie auch Häme zu finden. Ich habe ihr aber immer deutllich gemacht, dass ich möchte, dass sie glücklich sein kann, auch wenn es ohne mich ist.)
wurde ich, meiner Einschätzung nach, erst mal blockiert (Whatsapp Bild war direkt nach dem Lesen meiner Nachricht weg) oder aus den Kontakten gelöscht, je nach Einstellung.

Etwa einen Tag später war ihr Bild und ihr zuletzt online Status wieder sichtbar für mich. Entweder wurde ich entblockt oder sie hat ihre Einstellungen in Whatsapp geändert.

Ich sollte mich zwar nicht in wahllosen Interpretationen verlieren, doch war ich schon immer ein Mensch dem Details schnell auffielen und der sich viel mit Dingen beschäftigt.

Mich irritiert das Verhalten ihrerseits nun doch etwas. Ich habe ihren Kontakt noch nicht gelöscht, heißt sie könnte theoretisch alles sehen bei mir.

ich denke mal, es hat keinen Zweck Gründe hierfür zu finden. Was mich zum Denken angestoßen hat, war nur, dass es dann doch nicht spurlos an ihr vorbeigeht. Sie also, wenn sie mal eine ruhige Minute hat, sich doch mit allem auseinandersetzt.

Was ich damit sagen will, ich finde jeder hat eine zweite Chance verdient und wenn sie und das möchte ich klar sagen, auf mich zukommt, um noch ein Gespräch zu führen, bin ich gerne bereit zuzustimmen.
Von meiner Seite wird aber nichts mehr kommen. Ich weiß in gewisser Weise könnte man sagen, ich würde doch noch Hoffnungen haben, dass alles gut wird. Wahrscheinlich würde ich mich selber anlügen wenn ich sage nein, aber das ist wahrscheinlich alles der aktuellen Phase geschuldet.

Hoffnung treibt Menschen an, aber Hoffnung kann auch Menschen zerstören.
Wie sagte die Volksbank Werbung so schön: "Jeder hat etwas, was ihn antreibt."

Was mich antreibt und da bin ich vielen dankbar, vor allem dir Paul, ist, dass ich daran glaube, dass ich doch noch was finden werden, was ich suche.

Nochmals vielen Dank für die lange Antwort, sollte sich irgendwas ändern, schreibe ich gerne noch mal. Ich denke es ist doch für ein paar Leute bzw. dich interessant wie die Geschichte (n) sich fortschreibt (en).

In diesem Sinne,
wünsche ich dir einen schönen Tag und liebe Grüße

Benny

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Benny,

natürlich weiß ich nicht, ob die Situation sich inzwischen schon weiterentwickelt hat; falls ja, so bin ich durchaus begierig, es zu erfahren. Was ich im Folgenden schreibe, solltest du nicht als Empfehlung oder gar Forderung verstehen. Ich will dich in deinen Entscheidungen nicht über Gebühr beeinflussen. Nur du kannst wissen, was wirklich gut für dich ist; und manche Menschen sind eben leidensfähiger als andere. Ich möchte dir Denkanstöße liefern, aber ich erhebe nicht den Anspruch, dass sie unbedingt für dich passend sind. Was sich in meinem Leben bewährt hat, muss bei dir deshalb noch lange nicht so sein.

Zunächst bitte ich dich, eines zu bedenken: Die zweite Chance gibst du (falls) nicht nur deiner Ex, sondern auch dir selbst. Der Satz "Jeder verdient eine zweite Chance" ist also nicht unbedingt auf denjenigen zu beziehen, der sie erbittet, sondern meiner Meinung nach am meisten auf den, der sie gewährt. Nur du kannst wissen, ob du dir von einem neuen Anlauf etwas versprichst. Und vor allem: Nur du kannst wissen, was das ist. Denn eine zweite Chance muss nicht in dem festen Glauben gegeben werden, dass es diesmal funktioniert. Vielleicht - und das ist eine, wie ich finde, nachvollziehbare Motivation - gibt man sie auch nur, um sich wirklich sicher zu sein, dass es nicht funktioniert. Wichtig ist, beides nicht zu verwechseln. Denn wenn es zwischen zwei Menschen zu gravierende Unterschiede gibt, als dass eine realistische Hoffnung bestünde, dass sie auf Dauer miteinander harmonieren, dann ist das in der Regel auch sichtbar. Und ich habe ehrlich gesagt nicht den Eindruck, dass deine Freundin vom Leben (zumindest jetzt in dieser Zeit) dasselbe erwartet wie du. Andererseits: Das hat ja nichts zu heißen. Denn wenn deine Gefühle dir eingeben, dass du noch nicht von ihr lassen kannst, dann brauchst du den zweiten Anlauf vielleicht. Betrachte ihn daher als Versuch, den du durchaus ernst nimmst; aber wenn du irgend kannst, nicht als Verpflichtung. Denn zu einer gelingenden Beziehung gehört ihr beide. Und letztlich ist es auch nie nur ein Teil, der den anderen enttäuscht, sondern es sind zwei, die einfach nicht zueinander passen. Trennungen kommen - wie ja auch deine - nicht aus heiterem Himmel. Sie werfen ihre Schatten voraus. Und diese Schatten sind mit einem Neuversuch nicht weg.

Du wirst deine Freundin nicht ummodeln können, und du solltest dich auch von ihr nicht ummodeln lassen. Wenn sie dir signalisieren sollte, dass für sie ein zweiter Anlauf in Frage kommt, dann muss dem - wie du vollkommen richtig siehst - eine Aussprache zwischen euch vorausgehen. Und du solltest ebenso deutlich machen, dass du auf sie nicht angewiesen bist. Die Beziehung ist nicht so gedacht - keine Beziehung ist so gedacht! - dass du dich vor ihr erniedrigst, eine Schuld bei dir suchst, die du nicht hast. Und das nur, um ihre Liebe nicht zu verlieren. Dir ist mehr gegeben, wenn du eine Beziehung nicht führst, die dir nicht gut tut, als sie zu behalten, weil du dich in ein Bild verrannt hast, das nicht (mehr) der Wirklichkeit entspricht.

Nun kommt allerdings das große Aber: Es ist ja nur zu wahr - du kannst deinem Herzen nicht befehlen, Benny. Ich selbst war mit Unterbrechungen fünf Jahre mit meiner Ex zusammen. Ich muss sagen, dass wir wirklich ein großes und tiefes Vertrauensverhältnis zueinander haben, uns alles erzählen können. Wir haben viel miteinander erlebt und das würde ich nicht missen wollen. Nicht umsonst habe ich noch heute freundschaftlich mit ihr Kontakt. Andererseits: Dass ihre Vorstellungen von Beziehung (und überhaupt ihre Lebenspläne) sich von meinen unterscheiden, das wusste ich schon, als wir uns mit 17 kennen lernten. Es lag in der Luft; es war klar, dass wir verschieden sind, verschiedene Persönlichkeiten, verschiedene Lebensweisen, verschiedene Weltbilder. Trotzdem war das, was dabei herauskam, positiv. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem es belastend wurde. Und es wurde nicht besser. Und doch habe ich es - obwohl ich mich zwischendurch zweimal von ihr getrennt habe - immer wieder probiert. Unsere letzte Beziehungsphase hatte keinen eigentlichen Anfang und kein eigentliches Ende; wir haben es geschafft, als Freunde so gut zu harmonieren, dass wir inzwischen akzeptieren können, kein Paar zu sein. Doch der Weg dahin hat viel Kraft gekostet. Er war auch nicht vorhersehbar. Und es kann auch nicht bei allen Paaren so kommen. Wenn ich oder sie nur ein winziges Bisschen egoistischer oder energischer wären, hätten unsere Wege sich vielleicht vor Jahren getrennt. Und mit Sicherheit wäre das anfangs für uns beide nicht schön gewesen, doch sicher würden wir inzwischen trotzdem ein glückliches Leben führen.

Verstehst du, worauf ich hinaus will? Manchmal muss man probieren, immer wieder probieren, um zu scheitern. Um das Scheitern als den eigentlichen Gewinn sehen zu können. Manche Menschen werden hunderte Male von ihrem Partner betrogen oder geschlagen, um immer wieder seinen Beteuerungen oder Bitten zu glauben, und zu ihm oder ihr zurückzukehren. Für diese Menschen wäre es weiß Gott besser, wenn sie konsequenter sein könnten. Deine Situation ist nicht so drastisch. Dennoch solltest du zwei Dinge im Hinterkopf behalten - und dir immer wieder sagen: Erstens, es kann sein, dass es nicht funktioniert. Zweitens, vielleicht ist das überhaupt der eigentliche Sinn dahinter. Weitermachen zu können in dem Wissen, dass man alles gegeben hat, so viele Chancen gegeben hat, bis der letzte Zweifel ausgeräumt war, das letzte "Hätte ich doch..." beseitigt, weil es einfach Zeit ist. Aber das erstmal anzunehmen, ist nicht leicht. Du kannst es durchaus noch einmal probieren, falls sich die Möglichkeit ergibt - doch diesmal solltest du es nicht als Wink des Schicksals betrachten, das dir eine letzte Gelegenheit schenkt, die Frau deines Lebens an dich zu binden. Denn dann verrennst du dich vielleicht, so wie beim ersten Mal. Sondern du solltest es als selbstbestimmte Entscheidung sehen: Ich liebe sie, daher probieren wir es. Und wenn es klappt, ist es gut. Wenn es aber nicht klappt, hat auch das seinen Nutzen. Dass es weitergehen kann - und dass du etwas gelernt hast. Noch mehr gelernt hast.

Aber was rede ich über einen Fall, von dem wir nicht wissen (oder zumindest ich noch nicht), ob er eintritt? Ich kann die Schritte deiner Exfreundin nicht beurteilen, Benny, da ich sie nicht kenne. Du sagst dir völlig zu Recht: Man sollte sich davor hüten, zuviel in kleine Gesten zu interpretieren. Dass sie dich nicht (mehr) blockiert hat, zeigt im Großen und Ganzen nur, dass sie dem nicht die gleiche Bedeutung beimisst wie du: Für dich gibt es nur Entweder- Oder (zumindest hattest du bisher dieses Gefühl); sie hingegen möchte keinen radikalen Schnitt machen (oder hat sich das inzwischen so überlegt), was aber durchaus nicht heißen muss, dass sie ihre Entscheidung grundsätzlich überdenkt. Ich habe dich so verstanden, Benny, dass du dich mit nichts weniger als einer Beziehung zufrieden geben möchtest - und in gewisser Weise hat es dir vielleicht gut getan, der Verlassene zu sein, der Part also, dem man spontan Sympathie entgegen bringt. Vielleicht täusche ich mich da gründlich. Doch falls nicht, möchte ich dir raten: Spiegle nichts vor, das du nicht leisten kannst! Denn wenn du dich mit ihr befreundest, um sie für dich einzunehmen, kann es dir passieren, dass du dich dabei am Ende nur erniedrigst und ausblutest, ohne etwas zu gewinnen. Bevor du einen Entschluss fasst, musst du sicher wissen, dass du ohne sie zurecht kommst - schmerzvoll vielleicht, aber immerhin. Jedes Versprechen, das du in dem Gedanken gibst, sie unbedingt halten zu müssen, weil deine Gefühle so stark sind, macht dich verletzlich. Solange deine Angst, abermals enttäuscht zu werden, größer ist als dein Interesse, herauszufinden, was vielleicht (!) noch werden kann, bist du angreifbar. Es schadet daher nichts, zuerst ein wenig Zeit verstreichen zu lassen und dich an ein Leben im "Jenseits" (von dieser Beziehung) zu gewöhnen.

Letztlich hast du es aber in der Hand: Du kannst sie beknien oder du kannst sie zurückweisen, aber du musst das, was du tust, aus Überzeugung tun. Und es versteht sich von selbst, dass es respektvoll geschehen muss. Du bist enttäuscht worden, aber das ist kein Grund, sie büßen zu lassen. Sie hat dir signalisiert, dass sie nicht das ist, was du suchst - das kannst du ihr nicht vorwerfen. Was sie aber ungünstig gelöst hat, und was du nicht verdient hast, war die Art und Weise, wie sich eure Trennung gestaltete. Das kannst du ihr mitgeben. Solltet du vielleicht auch. Aber nicht von oben herab, sondern als Ratschlag. Mach in all deinem Handeln deutlich, dass du SOUVERÄN entscheidest. Ein Bittsteller ist ein Bittsteller, und ein Rächer ist ein Rächer; ein Erwachsener ist ein Erwachsener. Ich kann dir nichts vorgeben, du entscheidest selbst, was du bist. Ich glaube, dass du dich entschieden hast, erwachsen zu sein, und das ist gut - allein schon, weil sie sich zuletzt nicht dafür entschieden hat. Aber zu einem solchen Handeln gehört die Bereitschaft zur Härte und zur Ehrlichkeit dir selbst gegenüber: Wenn es nicht funktioniert, ist das kein Grund, es nicht nochmal zu versuchen. Aber auch wenn es funktioniert, ist das wiederum kein Grund, es unbedingt zu versuchen. Denn wie ich dir geschrieben habe: Ihr seid unterschiedlich, das hat sie gemerkt, und vielleicht wollte sie weniger dich als sich selbst strafen. Rechne ihr das nicht als Fehler zu - sondern als Unwissenheit. Sie wusste es nicht besser. Jetzt solltest du es besser wissen. Spring daher nicht sofort auf sie an. Mach deutlich, dass du nicht mit dir spielen lässt. Mach überhaupt deutlich, dass es genau das war. Und richte dich danach, wieweit sie bereit ist, das anzuerkennen und zu beheben. Auch wenn die Entscheidung dir nicht leicht fällt. Man kann vieles kitten und manchem auch eine neue Richtung geben. Aber nicht immer. Und wie es in deinem Fall ist, musst du herausfinden.

Ich wünsche dir weitere gute Gespräche im Freundeskreis, und - falls es nötig wird - eine ruhige Stunde für eine Entscheidung, die dich persönlich weiterbringt. Vor allem aber: Genieß die Ferien und betrachte das Erlebte als Sieg über die Widrigkeiten des Lebens! Denn vielleicht ist ein schöneres Glück viel näher, als du glaubst.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul