Problem von Anonym - 25 Jahre

Mein Freund leidet unter seinen Psychopharmaka, aber außer ihm und ich sieht es keiner

Ich mache mir Sorgen um die Gesundheit von meinem Freund, da er mit sämtlichen Nebenwirkungen von seinen Psychopharmaka Probleme hat. Er muss wegen seinen Angstzuständen und Zwängen ein Medikament nehmen, das seine Lebensqualität mit nicht zu unterschätzenden Nebenwirkungen mittelmäßig beeinträchtigt, so nimmt er trotz gesunder Ernährung und regelmäßigem Sport zu, ihm wird hin und wieder übel, er hat einige Gedächtnislücken, und er ist nicht glücklich dass er sein Fluoxetin nehmen muss. Wegen seiner Gewichtszunahme, und den anderen Nebenwirkungen wurde er schon von seinen Eltern angemotzt, was mir als seiner Freundin natürlich sauer aufstößt. Ich habe bis Mitte letzten Sommers ebenfalls Psychopharmaka genommen und, wie er, auch unter leichtem Übergewicht, Übelkeit, und ausgeprägter Schläfrigkeit gelitten bis ich mein Amisulprid ausgeschlichen habe. Auch psychisch geht es mir ohne dieses Medikament besser. Wir haben zu zweit über dieses Thema gesprochen und er will dieses Medikament absetzen, weil er mit den Nebenwirkungen Probleme hat. Nur leider merkt das außer uns beiden niemand und es kommen dann beleidigende Sprüche besonders über seine leicht mollige Figur oder sein Problem wird von seinen Eltern und seinem Neurologen nicht ernst genommen. Klar will ich ihm so gut wie möglich dabei helfen, nur ich weis leider nicht wie und habe Angst davor dass er potenzielle Schäden davontragen könnte. Auch wenn ich selbst Medizin studiert und durch Psychoedukationsstunden (also Aufklärung über Wirkung von, und Gründen für Psychopharmaka) Wissen über solche Medikamente habe, habe ich auch große Angst davor dass es ihm durch das Absetzen seines Medikaments emotional schlechter gehen könnte (vor 2 Jahren hat er einmal die Einnahme vergessen und wo wir mit seinem Freund auf dem Rückweg von der Eisdiele waren, hat er 3 Panikattacken bekommen, weil er jemanden gesehen hat der ihn gestalkt hat, und versucht wegzurennen, er ist dabei über 2 rote Ampeln gerannt, aber zum Glück ist ihm nichts passiert. Wegen diesem Vorfall 2017 habe ich Angst dass er auch durch schrittweises Absetzen irgendwelche medizinische Schäden oder Folgeschäden davontragen könnte, aber ich will ihn auch sehr gerne dabei unterstützen ohne diese (besonders für ihn) unangenehmen Nebenwirkungen leben zu können.). Letztes Wochenende haben wir unter 4 Augen darüber gesprochen und wir waren uns direkt einig, dass er es absetzen will, ich habe auch über meine Ängste diesbezüglich mit ihm gesprochen. Wir sind uns auch darüber einig, dass wir das nur unter ärztlicher Aufsicht und Kontrolle, und nur sehr langsam durchführen können. Schon einige Wochen vorher hat er mir gesagt dass er sehr unter diesen Tabletten leidet, ich sehe es auch, aber seine Eltern und sein Neurologe merken nicht dass seine gesundheitlichen Probleme von diesem Medikament kommen, dabei sind diese Nebenwirkungen als solche klar zu erkennen (steht auch im Beipackzettel vom Medikament). Wie sollen wir den anderen aus seiner Familie erklären dass er damit Probleme hat und was kann man machen dass es ihm auch nach dem Absetzen besser geht? Am meisten leidet er unter seinen Psychopharmaka.

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Danke, dass du dich wieder ratsuchend an uns gewandt hast.

Ich sehe es so: Wenn ein Psychopharmakum schon eine geraume Weile eingenommen wird und in diesem längeren Zeitraum klar zuordbare Nebenwirkungen auftreten, die schwerer wiegen als die erhoffte Wirkung, sollte es abgesetzt werden.
Das eigentliche Problem ist doch, dass der zuständige Neurologe die Nebenwirkungen deines Freundes und den damit verbundenen Leidensdruck nicht ernst nimmt. Dabei ist die Patienten- Klienten-Beziehung das A und O! Ich würde daher zuallererst eine: neue:n Neurolog:in bzw. Psychiater:in konsultieren - wo die Chemie (im wahrsten Sinne des Wortes!) stimmt, sich dein Freund also aufgehoben fühlt, ihm zugehört wird und solange geschaut wird, bis das für ihn passende Medikament gefunden ist. Dass dies auch mal eine Weile dauern kann, liegt auf der Hand. Ein: gute:r Ärztin gibt sich entsprechend Mühe und spricht auch über nicht-medikamentöse Alternativen, welche zusätzlich neue Lebensqualität ermöglichen können.
Er kann ergänzend auch im heilpraktischen Bereich gucken. Gerade den Ursachen seiner Panikattacken und Zwängen mal ohne Medikamenten auf den Grund zu gehen, erscheint mir als sehr interessant und lohnenswert. Hier können Heilpraktiker:innen für Psychotherapie bzw. ärztliche Psychotherapeut:innen eine gute Alternative zur reinen Schulmedizin sein. Mittels Hypnose und anderer Verfahren kann vertieft geschaut werden, was genau deinen Freund seelisch beschäftigt - und bestenfalls das Problem direkt an der Wurzel gepackt werden, sodass langfristig eventuell gar keine Psychopharmaka mehr nötig wären!

Zur leidigen Auseinandersetzung mit der Verwandtschaft kann ich euch zu mehr Abgrenzung und Selbstbehauptung raten. Es gibt ja auch keinen Grund, sich mit ihnen darüber vertieft auseinanderzusetzen, da sie ihn ja ohnehin nicht ärztlich behandeln. Und wenn von ihnen keine Empathie und Akzeptanz zu erwarten sind, müssen sie eben mehr oder weniger mit entsprechend knappen oder keinen Informationen zu seinen Vorhaben klarkommen.
Dein Freund weiß am besten, was gut für ihn ist - da muss er sich nicht reinreden lassen. Er braucht von seiner Verwandtschaft ja auch keine Erlaubnis, dies oder jenes zu tun.
Und auch Fatshaming bzw. Lookism muss er sich nicht bieten lassen. Wenn er sich selbst mit etwas mehr Gewicht nicht wohl fühlt, dann ist das seine Sache - allerdings darf niemand aufgrund seines Äußeren abgewertet werden. Genau das kann er auch verbal deutlich machen.

Ich wünsche euch alles Gute!
Nuala