Problem von Reni - 64 Jahre

Als Familie versagt!!!!!!

Hallo
ich möchte mir etwas von der Seele schreiben.Vor 4 Jahren wurden meine Eltern krank.Zuerst mein Vater .Er kam ins Krankenhaus und ich habe ihn in der Zeit betreut.Dann wurde kurz darauf meine Mutter krank nun musste ich mich um Beide kümmern..Ich kam bald an meine Belastungsgrenze.Viele Entscheidungen musste ich in der schweren Situation alleine treffen...Ich habe noch weitere 4 Geschwister..die sich aus der Verantwortung gezogen haben..Jede Hilfe die für meine Eltern notwendig waren musste ich alleine tragen..Mein Vater kam dann ins Pflegeheim..dort waren viele Probleme die bewältigt werden mussten..wieder musste ich mich einbringen..Meine Geschwister waren nur zuständig für Pflichtbesuche..Gleichzeitag paralell war ich in der Betreuung meiner Mutter..alle Arztbesuche und sonstige Angelegenheiten musste ich alleine tragen..Irgendwann war meine Kraft zu Ende und ich brachte auch meine Mutter ins Pflegeheim..mein Vater ist letztes Jahr verstorben..an seinem Grab bekam ich zu hören ich habe meine Mutter entsorgt..Den Kontakt zu diesen Menschen habe ich abgebrochen....FAMILIE hat versagt!!!!!in einer schweren Zeit haben Sie mich und meine Eltern im Stich gelassen.Meine Mutter lebt noch ..da ich Ihr keinen gesetzlichen Betreuer vor die Nase setzten wollte ..habe ich die Bevollmächtigung weiterhin..Sie besuchen meine Mutter jedoch sind es Pflichtbesuche...ich bin heute und gegenwärtig in Behandlung beim Arzt habe psychosomatische Beschwerden und dabei das zu verarbeiten....es fällt mir schwer zu verstehen wie Menschen so egoistisch und gleichgültig sich verhalten können.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Reni,

ich danke dir, dass du uns geschrieben hast. Du hast ein schweres Paket zu tragen. Dafür möchte ich dir meinen Respekt aussprechen! Du kannst dir getrost auf die Schulter klopfen und dir sagen: "Ich habe es nach bestem Wissen und Gewissen versucht, für meine Eltern da zu sein. Ich habe viel geschafft. Es ist verständlich, dass ich allein nicht alles schultern konnte."

Dass du an deine Belastungsgrenze und leider auch darüber hinaus gelangt bist, ist sehr traurig. Doch viel trauriger ist, dass es soweit kommen musste - wenn du von Anfang an mehr Unterstützung erfahren hättest, wäre die Last gleichmäßiger verteilt gewesen.

Nun zu deinen Familienangehörigen.
Ich kann verstehen, dass du sehr enttäuscht, niedergeschlagen und fassungslos bist. Es wäre auf jeden Fall wünschenswert, dass eine Familie zusammenhält und schaut, wie sich die einzelnen Mitglieder gegenseitig helfen und etwas abnehmen könnten.
Ich kann natürlich nicht sagen, was genau da bei euch im Argen liegt. Doch könnte es eine Perspektive sein, mal genauer nachzuschauen, WARUM sich die Anderen so gegen dich gestellt haben. Damit meine ich: Sie müssen Gründe haben. Ob diese nun objektiv gerechtfertigt sind oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber Menschen haben eben ihre Motive, weswegen sie in einer bestimmten Weise agieren. Und vielleicht liegt bei euch der Kern des Problems viel tiefer! Es könnte sich lohnen, da mal richtig reinzuschauen, ein "größeres Fass" aufzumachen. Bestenfalls natürlich mit den Betroffenen gemeinsam, z.B. in Form einer Mediation, sofern du dir erneuten Kontakt vorstellen könntest. Also dass ihr jemand Neutrales bei einer Aussprache dabei hättet und so mal alles genannt werden könnte, was eure Familie jahre - oder gar jahrezehntelang begleitet und beschwert hat. Es gibt Familien, da spielen u.a. unterdrückter Neid, Eifersucht, Ängste und Wut eine so wichtige Rolle, dass alles Weitere direkt oder indirekt davon gelenkt wird. Das muss bei euch nicht so sein. Doch es wäre einen Versuch wert!
Dann gibt es noch Verfahren wie z.B. Familienaufstellung. Das könntest du auch alleine oder mit einem Geschwister machen - wer sich eben bereit erklärt.
Es ist ganz allgemein sehr gut, dass du dich bereits in professionelle Hände begeben hast, denn um dich geht es hier jetzt besonders. Von diesem Punkt ausgehend kann dann noch zusätzlich geschaut werden: Was ist denn da los in deiner Familie? Und bestenfalls ergeben sich dann noch Möglichkeiten zur Klärung, zum besseren Verständnis, zur Versöhnung.

Stichwort Versöhnung: Versöhnung kann dir einen ganz neuen Blickwinkel eröffnen. Du kannst die anderen Menschen nicht ändern. Doch, und das ist eine wunderbare Sache, kannst immer bei dir ansetzen und gucken, was dein Beitrag zu etwas ist. Also falls sich nun herauskristallisieren sollte - nur als Beispiel -, dass du chronisch zuviel agiert und damit ggf. anderen Familienmitgliedern die Chance genommen hast, selbst allmählich mehr Verantwortung zu übernehmen, kann das in Zukunft für dich heißen: Ich bin jetzt mal ganz für mich da und tue mir viel Gutes. Was die Beziehung zu deiner Mutter nicht ausschließt. Du kannst im Rahmen deiner Kräfte nach wie vor für sie eine Stütze sein - aber eben so, dass du nicht weit hinter ihr rangierst. Wir können uns selbst als wichtigste Person sehen, immer und überall. Das ist kein Egoismus, sondern die gesunde Selbstliebe, die dafür sorgt, dass man mit klarem Blick sowohl die eigene Position, als auch die Bedürfnisse der Mitmenschen erkennen kann. Also: Du kannst dich einerseits mit der Situation an sich versöhnen, indem du sie als gegeben ansiehst und dir vornimmst, gelassen anzunehmen, was sich daraus ergibt. Versöhnen kannst du dich auch mit dem Verhalten deiner Familie. Du musst es nicht gutheißen, aber vielleicht kannst du es schaffen, ihre Gründe (bekannt oder nicht) als legitim anzuerkennen. Wir alle haben unterschiedliche Wahrnehmungen der Welt und sozusagen unsere eigene Realität. Wenn du dir das vor Augen führst, wird das Akzeptieren und damit eine Versöhnung mit dem Ist-Zustand eventuell einfacher für dich.

Ich wünsche dir, dass du nun mehr Ruhe findest und so leben kannst, wie es sich für dich stimmig anfühlt.

Alles Liebe!
Nuala