Problem von Nicole - 40 Jahre

Ich gehöre nicht dazu

Seit ich klein war wurde meine Schwester (2 Jahre jünger) immer bevorzugt. Es gibt natürlich Stimmen, die meinen man bilde sich das ein... Aber wenn man gesagt bekommt "Du warst ein Unfall, deine Schwester ein Wunschkind... aber mach dir nichts draus... wir haben dich trotzdem irgendwie lieb!" dann weiss man, dass nur geduldet ist. Egal was war meine Mutter ist immer direkt ausgerastet, hat rumgeschrien und einen gepackt und durchgeschüttelt ( wenn man nicht eine geballert bekommen hat). Die Androhung von Schlägen gab es sehr oft. Mit 19 war es dann bei mir soweit, dass ich nicht mehr leben wollte und in eine psychiatrische Klinik kam. Aber selbst da bekam ich zuhören "So tun als wolle ich mich umbringen kann ich auch.. aber ich muss dafür nicht in die Klapse!" Original O-Ton meiner Schwester. Meine Mutter war und ist sich nie irgendeiner Schuld bewusst... mein Vater war immer arbeiten und hielt sich meist raus. In meiner Therapie riet man mir alles mal aufzuschreiben in einer Art Brief und dieses meinen Eltern vorzulegen... danach wurde ich von meiner Familie als bösartiges, Familienzerstörendes Kind betitelt, das lügt und sich alles nur ausgedacht und eingebildet hat. Dabei ist es meine Familie, die es mit der Ehrlichkeit nicht so ernst nimmt und mich um ne ordentliche Menge Geld betrogen hat und es als Fehler meinerseits hingestellt hat. Ich hab ja ne Lernschwäche (in den Augen meiner Familie ne Behinderung) und verstehe/kapiere deshalb ja nichts. Der Höhepunkt war dann Anfang 2010 als mein Opa starb. Ich hab viel geweint und mich dann erdreistet mich auf der Trauerfeier mit meiner Cousine an schöne und auch lustige Dinge mit unseren Opa zu erinnern, sodass wir nach dem Weinen auch mal geschmunzelt haben. Am nächsten Tag würde ich angerufen und mein Vater meinte, dass wir uns unter aller Sau benommen hätten. Da war für mich der Zeitpunkt gekommen "Stop" zu sagen und den Kontakt abzubrechen. Einige Wochen später bestätigte sich dann, dass ich ein Kind erwarte. Ich habe mir Gedanken darum gemacht was ich dem Kind mal über ihre Grosseltern sage und entschied mich, den Kontakt dem Kind zuliebe zu erhalten. Sie liebt ihre Grosseltern auch... aber am Wochenende kam dann wieder so ein Hammer. Sie wollen das Haus in gut 4 Jahren verkaufen (Was haben sie damals den Bruder meines Vaters bekniet mit dem Erbe, damit sie ne Altersvorsorge haben und die Kinder abgesichert sind usw.) und haben sich ein Haus in X gekauft (damit sie schön Nähe meiner Schwester sind). Aber ich soll mir keine Gedanken machen... ich werde später mal nicht benachteiligt und auch bedacht. Alles wäre geregelt... ja ne... ist klar. Es fühlt sich an als hätten sie mir mit Anlauf ein Messer in den Rücken gerammt. Die halten mich immer noch für dumm... waren mal wieder mit nen neuen Auto da. Welches sie angeblich schon über nen halbes Jahr haben und auch schonmal damit bei uns gewesen wären. Aber sogar meinem Mann war das neue Auto aufgefallen... und sie waren definitiv das letzte Mal mit einem Anderen da. Aber ich bin ja eben Behindert und bekomme nichts mit... Man sollte meinen nach einer langen Therapie wäre ich geheilt und habe die Depressionen gut in Griff, aber man vergisst eben nie und es holt einen immer wieder ein.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Nicole!

Ich habe ein X an die Stelle gesetzt, die zuviel über deine Familie verraten könnte. -
Es liest sich nach einer sehr bedauerlichen Familienkonstellation und - situation. Du hast von Kleinauf von allen Seiten arge Hiebe einstecken müssen.
Umso mehr möchte ich hervorheben, dass du es dennoch geschafft hast, dich nicht aufzugeben und dass du deinen gesunden Menschenverstand einsetzt! Du bemerkst die Dinge, die offensichtlich völlig zu Unrecht an dir und an deinem Verhalten kritisiert werden.

Es wirkt auf mich so, als habe sich in deiner Familie die Unsitte etabliert, dich als allgemeinen "Fußabstreifer" anzusehen. Wer weiß, vielleicht wurde dir diese Rolle von Kindesbeinen an zugewiesen.

Wäre da nicht deine Tochter, würde ich dich ermuntern, den Kontaktabbruch durchzuziehen.
Ich kann aber auch verstehen, dass du ihr die Großeltern nicht vorenthalten möchtest. Dabei will ich jedoch zu Bedenken geben: Was konkret hat denn deine Kleine davon, wenn du quasi unter Schmerzen mit deiner Familie Kontakt hast - für sie? Was vermittelst du ihr unterschwellig damit? Dass deine Bedürfnisse nicht so wichtig sind. Dass du die Demütigung eben aushältst. Und das ist ein sehr heikles Signal an deine Tochter. Sie spürt ja unterschwellig, was bei euch abgeht. Negative Beziehungen, Energien und subtile verletzende Botschaften kriegen auch schon die Jüngsten mit, sogar oft umso deutlicher!

Sicherlich kann es auch einen Mittelweg geben: Dass deine Tochter ihre Großeltern sieht, vielleicht nur sporadisch und dann durch deinen Mann gebracht und und abgeholt.

Tatsächlich halte ich es für eine Option, dass dein Mann und du eine Familienberatungsstelle aufsucht, um die Lage darzulegen. Es müsste herausgearbeitet werden, welche Vorteile der Kontakt noch hätte - und für wen. Wenn du bzw. auch dein Mann nur am Geben seid und deine Tochter auch nicht soo viel davon hätte, wäre die Bilanz viel zu negativ.
Auch was deine finanziellen Einbußen anbelangt - ginge da vielleicht noch etwas? Du könntest eine entsprechende Beratung in Erwägung ziehen, es wäre ja toll, wenn du dein Geld zurückbekommen würdest!

Davon abgesehen kann ich nur an dich appellieren: Schütze dich!
Deine Tochter wird nicht schlechter aufwachsen, nur weil du deutliche Grenzen ziehst. Ganz im Gegenteil, sie wird profitieren. Sie kann sich abgucken, was persönliche Stärke ist und warum es okay ist, NEIN zu sagen. Und sie kann lernen, was Gemeinheiten sind, die einem zu sehr zusetzen.

Wenn sie älter ist, könntest du ihr das auch kindgerecht und zusammengefasst begründen, warum du keinen (näheren) Kontakt mehr pflegen möchtest. Das verstehen Kinder. Dafür musst du weder ins Detail gehen, noch Namen nennen. Es würde reichen, wenn du sowas sagst wie: "Ich habe mich dafür entschieden, meine Eltern nicht mehr zu sehen. Das tut mir zu weh. Wir streiten leider so viel." Oder: "Wir haben noch nicht die Möglichkeiten gefunden, uns nicht gegenseitig zu verletzen." usw. Du würdest bestimmt die Worte finden, die sich für dich gut anfühlen und ausreichend viel erklären könnten.

Vielleicht kannst du dich ein weiteres Mal in therapeutische Hände begeben, falls du spüren solltest, dass du mit dem Thema noch nicht "durch" bist. Und so klingt deine Beschreibung für mich.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass du ein Coaching in Anspruch nehmen könntest, um sehr gezielt an deinen Ressourcen zu arbeiten, positive Grundhaltungen aufzubauen und allgemein eine gewisse "Robustheit" bezüglich deiner sehr niederdrückenden Familiengeschichte zu entwickeln.

Während deiner bisherigen therapeutischen Erfahrungen hast du mit Sicherheit viele nützliche Werkzeuge und Techniken erlernt. Nutze diese, um dir selbst zu helfen. Begreife sie als Schatzkiste, die du zu jeder Tages - und Nachtzeit öffnen und dich daran bedienen kannst. Übrigens gilt dies auch für alles, was dich ausmacht - das ist ebenfalls eine bunte Schatzkiste, an der du dich erfreuen kannst. :)

Ich habe dir noch ein paar ähnliche Zuschriften herausgesucht:
- https://mein-kummerkasten.de/331663/psychische-Gewalt-Trauma.html
- https://mein-kummerkasten.de/331594/Als-Familie-versagt.html
- https://mein-kummerkasten.de/331537/Bin-ich-ein-Schmarotzer.html

Ich wünsche dir alles Gute und grüße dich herzlich,
Nuala