Problem von Anonym - 17 Jahre

Ich hab alles, doch trotzdem fühl ich mich leer

Eigentlich könnte mein Leben gerade nicht besser sein. Ich hab mein Abitur hinter mir, kann meine Freizeit füllen und krieg duzende Angebote für die Zukunft. An materiellen Dingen hab ich alles was man sich wünschen könnte und eine liebe Familie hab ich auch. Und trotzdem fühle ich mich so unglaublich einsam und unerfüllt. Ich schäme mich so dafür, weil eigentlich müsste ich alles was ich habe schätzen und könnte glücklich sein. Aber ich sitze trotzdem jeden Abend weinend in meinem Zimmer und ich weiß nicht warum. Tief im Inneren hab ich Sehnsucht nach irgendeiner Form von Bestätigung, die ich nicht definieren kann. Trübseligkeit ohne bestimmenden Grund finde ich noch trauriger, als wenn man einen Grund hätte. Was kann ich gegen diese komische Existenzkrise tun? Ich möchte einfach nur glücklich sein mit all dem was ich besitze und schon erreicht habe. Ich würde mich über eine Antwort Freuen! Liebe Grüße

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Unbekannte!

Gerade in der Zeit nach dem Abitur kommen schnell mal Zweifel auf. Das ist ein Stück weit normal. Denn es geht ja auch um die großen Fragen bezüglich der Zukunft und wie das eigene Leben gestaltet werden kann und soll.
Nichts zu überstürzen und sich nicht unnötig mit wohlmeinenden Ratschlägen aus dem Familien - und Freundeskreis beeinflussen zu lassen, finde ich da sehr wichtig. Wie schnell macht man dann das, was die Anderen sagen, weil es ja angeblich keine Alternative gibt, es zu gut passt, das die einmalige Chance ist... Wie schnell landet man in einem Hamsterrad!
Am besten nimmst du dir so viel Zeit wie möglich. Ohne Hetzen, ohne Druck. Ich habe ein paar Ideen, vielleicht kannst du diese weiterspinnen. Lasse sie auf dich wirken, gehe zwischendurch z.B. spazieren, lies dann wieder.

Besonders wenn von allen Seiten etwas auf einen einprasselt, kann man schnell überfordert sein. Vielleicht ist das bei dir der Fall? Es kann sein, dass du mehr Ruhe bräuchtest, um ganz mit dir selbst zu Antworten zu gelangen - zwar nicht auf alles, aber zumindest auf das, was aktuell am drängendsten ist.
--> Du könntest dir eine Auszeit nehmen. Ich habe einer Ratsuchenden einmal Folgendes geschrieben:
"Eine längere Reise ins Ausland (mehrere Wochen oder gar Monate) können da sehr inspirierend und befreiend sein. Eine Segelfahrt, Klosterbesuche, Extremwandern, Leben in einer kleinen Dorfgemeinschaft.... was auch immer. Und sei es "nur", dass du den Jakobsweg in Deutschland gehst, im Allgäu in einer Hütte lebst oder an der Ostsee stundenlang am Strand spazieren gehst. Falls es dir allein zu schwer fällt, kannst du ein professionelles Angebot buchen oder mit Freund:innen losziehen, die dich sozusagen "mitreißen". Oder etwas ganz Anderes im Sinne des Aufbruches, das du bisher immer verdrängt hast." Auch dir könnte das helfen, denke einmal darüber nach.

Außerdem denke ich, gerade WEIL alles im Überfluss vorhanden ist, stellen sich gerne Unsicherheiten und Unzufriedenheiten ein. Denn wo bleibt der tiefergehende Sinn? Klar, du kannst, wie in meinen Vorschlägen beschrieben, auf Sinnsuche gehen, indem du beispielsweise auf längere Wanderschaft gingest.
Doch auch ein ehrenamtliches Engagement ist eine sehr schöne Weise, etwas vom eigenen Reichtum abzugeben und damit eine ganz besondere Erfüllung zu finden. Es ist wichtiger denn je, sich gesellschaftlich zu engagieren. Gerade dann, wenn man sehr privilegiert aufgewachsen ist. Etwas vom "Kuchen" abzugeben, wenn man so viel hat, kann eine sehr beglückende und prägende Erfahrung sein!
Das Tolle an Ehrenamt ist, dass man sich den Bereich und die Zeit ziemlich frei aussuchen kann. Egal ob mit Tieren, Pflanzen, Menschen - ob mehrmals in der Woche oder nur hin - und wieder ein paar Stunden: Es macht oft ausgeglichener und erfüllter. Man weiß, dass man etwas Sinnvolles tut. Und du kannst im Außen Bestätigung bekommen, indem dir Menschen und Tiere dankbar für deine Hilfe sind. Oder zumindest, dass du siehst: Durch meinen Einsatz wurden Missstände beseitigt. Das bringt wirklich viele Glücksgefühle!

Doch Bestätigung darf nicht in erster Linie von außen kommen.
Du bist Diejenige, die sich selbst Bestätigung geben muss, indem du dich uneingeschränkt annimmst und liebst! All die Dinge von außen, die du aufgezählt hast, können dich nicht beglücken, wenn du in dir selbst nicht die Voraussetzung dafür geschaffen hast.

Und: Glücklich sein ist kein immerwährender Dauerzustand! Das wird einem nur von Medien und unechten Personen so vorgegaukelt. In Wahrheit ist Glück etwas, was in einem Meer aus Zufriedenheit immer mal wieder auffunkelt. Kleine Momente, manchmal auch Stunden oder Tage. Aber nicht chronisch! Es ist schon wunderbar, einfach zufrieden zu sein. Hier helfen Demut und Dankbarkeit. Und dankbar kannst du wegen sehr vielen Dingen sein, die viel kleiner sind als die bekannten Errungenschaften und Statussymbole. Sei dankbar, dass du am morgen einen Fuß vor den anderen setzt - und so geht es immer weiter :)

Ich hoffe, ich konnte dir mit meinen Gedanken etwas weiterhelfen! Du machst was draus, ganz bestimmt.

Sei herzlich gegrüßt,
Nuala