Problem von Marc - 21 Jahre

Suizidgedanken

Hallo, mein Name ist Marc.
Seit dem ich ein Kind bin, habe ich gemerkt, dass ich etwas anders bin als andere Kinder. Es fällt mir schwer die Menschen in meiner Umgebung zu verstehen. Ich bin eher introvertiert und rational, gleichzeitig interessiere ich mich für Musik und Zeichnen.

Von Natur aus bin ich verschlossen und schaffe es nicht Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Manchmal verfange ich mich in meinem rationalen Denken.

Vor etwa 2 Monaten kamen wieder die suizidalen Gedanken. Im Hinterkopf mache ich mir ziemliche Sorgen, da die Pläne immer genauer, realistischer werden. Ich hatte schon einmal einen Selbstmordversuch überlebt, denn auch wenn es heißt, dass die meisten Suizidversuche aus dem Affekt entstehen, habe ich das Gefühl, dass ich es rational abgewertet habe.

Meine Ex-Freundin hat mich als Psychopathen beschimpft und ein paar meiner ehemaligen Freunde ebenso, weil ich kein allzu großes emotionales Verständnis für andere aufbringen kann.
Als ich mich über das Thema erkundigt habe, merkte ich sehr schnell, dass ich weder nach Macht strebe noch andere Menschen dominieren möchte. Ich habe noch nie jemanden mit Absicht Schaden zugefügt.

Ich bin verzweifelt, da ich keine Ahnung habe was nicht mit mir stimmt und wie ich weiter machen soll. Soziale Interaktionen machen mich psychisch und physisch kaputt. Man kann nicht mit ihnen und man kann nicht ohne sie. Viele Menschen haben mich allein gelassen, denn es ist mit beinahe unmöglich meine Gefühle die in mir vorgehen direkt zu beschreiben. Selbst in diesem Moment merke ich, dass ich mehr schreiben möchte und präziser. Leider ist mir das nicht möglich.
Ich lächele viel, aber bin nicht immer glücklich. Das verwirrt die meisten Menschen.

Wie gesagt, langsam aber sicher fällt es mir immer schwerer den Ausweg Suizid nicht in Betracht zu ziehen und eigentlich will ich nicht sterben, nur wird alles langsam komplizierter anzugehen und für jedes Problem eine Lösungsstrategie zu finden.

Mit freundlichen Grüßen
Marc

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Marc,

ich freue mich, dass du uns geschrieben hast. So kann dir bestenfalls ein paar hilfreiche Dinge nennen, sodass du den Suizid nicht als beste Lösung anerkennst, sondern viel bessere Alternativen für dich sehen kannst.

Ich möchte dir zunächst einige beantwortete Zuschriften verlinken, in denen es um Suizidgedanken geht. Da steckt schon viel drin, was auch dir etwas geben kann:
* https://mein-kummerkasten.de/331693/Ich-glaube-ich-habe-Selbstmord-Gedanken.html
* https://mein-kummerkasten.de/331224/Selbstmordgedanken-und-uebergewicht.html
* https://mein-kummerkasten.de/331107/Depressionen-Selbsthass-uebermas-an-Schuldgefuehlen.html
Im Archiv findest du natürlich noch viel, viel mehr!

Nun möchte ich konkret auf einzelne Punkte eingehen, welche du beschrieben hast.

- Gefühlswahrnehmung und - ausdruck: Es ist auch hier absolut verschieden, wie sehr Menschen Gefühle bei sich und Anderen spüren und zeigen können. Das kann man auch erstmal als gegeben hinnehmen. Sicherlich kann etwas Handfestes dahinter stecken. Ich will mich hüten, hier mit "Diagnosen" um mich zu schmeißen, aber damit du für dich selbst bestimmte Dinge überprüfen kannst, will ich ein paar Möglichkeiten nennen. Du solltest das Ganze jedoch definitiv ärztlich abklären lassen! Allein schon wegen deiner Suizidgedanken! Je schneller, desto besser!

Ganz grundlegend kannst du mit folgender Frage arbeiten: Habe ich an sich schon (stärkere) Gefühle, kann sie nur nicht richtig rauslassen, oder ist da an sich kaum was vorhanden? Das allein wäre schon wichtig, denn das sind ja ganz verschiedene Qualitäten! Ersteres würde in die klassische psychotherapeutische Arbeit tendieren, denn verschüttete Gefühle sind oft das Ergebnis von viel tiefer liegenden Konflikten, Erlebnissen und Prägungen.

Zum Selbstschauen:
--> Vielleicht wäre es gut, wenn du mal in Richtung (Asperger)Autismus recherchieren würdest. Man merkt dann schon irgendwann: Passt das zu mir oder klingt das alles fremd? Eine meiner Ansicht nach schöne und informative Internetseite dazu ist diese hier: https://autismus-kultur.de/
--> Du kannst dich ja mal zum Stichwort Alexithymie belesen, eventuell wirst du da fündig: https://www.alexithymie.com/, da gibt es auch ein Forum zu Austausch, dieses könnte dir in jedem Fall etwas bringen, auch wenn du dich da nur bedingt wiederfinden solltest, denn bestimmte Tipps und Erfahrungen von Betroffenen sind oft Gold wert! Außerdem z.B. https://open-mind-akademie.de/gefuehlsblindheit-jeder-10-mensch-ist-betroffen/
--> Auch Psychopathie ist nicht auszuschließen, weil es bei Weitem nicht immer in solch destruktive Richtungen gehen muss, wie deine Bezugspersonen es angenommen haben bzw. du es gelesen hast. Es gibt auch gut angepasste Psychopath:innen, die keinem schaden, aber gerade bezüglich Emotionen und Gefühlen etwas anders "ticken". Was durchaus auch Vorteile haben kann!

Das führt mich zu dem Aspekt, dass es oft schon reicht, sich die vermeintlichen Nachteile umzudeuten und das Beste für sich zu extrahieren. Bzw. die positiven Seiten deiner spezifischen Gefühlswahrnehmung/deines Umgangs mit Gefühlen herauszuarbeiten. Hier könnte dir z.B. eine psychologische Beratung/Coaching oder der Besuch bei einer:m Heilpraktiker:In für Psychotherapie nützlich sein. Da kann das Ressourcenorientierte, Kraftspendende im Fokus stehen, was dir wirklich viel geben könnte! Nur als Beispiel: Anders bzw. "weniger" wahrzunehmen kann helfen, sich auf konkrete Ziele zu fixieren und diese schnell und effizient durchzuziehen. Oder sich nicht so leicht verunsichern zu lassen. Oder ruhig zu bleiben, um so der sprichwörtliche "Fels in der Brandung" zu sein, wenn es Anderen total schlecht geht. Ein Coaching kann hier ansetzen und genau schauen, was bei dir individuell alles noch schlummert. Da würde mit Sicherheit eine Fülle an Schätzen zusammenkommen!

Davon abgesehen sehe ich es so: Wenn du sowieso kein großes Bedürfnis nach sozialer Interaktion hast, weil du lieber allein bleiben möchtest, kannst du dein Leben aktiv umgestalten und das Soziale auf ein Minimum reduzieren. Diejenigen, die dir wichtig sind, kannst du aufklären. So kann im besten Fall Verständnis für dein Verhalten entstehen, sodass beide Seiten erleichtert sein können und ein besseres Aufeinander-Einstellen möglich wird.
Natürlich kann es auch bedeuten, dein soziales Umfeld radikal "auszumisten". Energieräuber:innen, die dich beschimpfen und ausgrenzen, brauchst du nicht in deinem Leben! Jeder Mensch kann seinen Platz finden, aber mit den unpassenden Personen ringsherum wird es viel schwerer als nötig. Bedenke: Du bist nicht allein - es kann jetzt die Zeit sein, nach Gleichgesinnten zu suchen, also nach ähnlich Introvertierten, nach passionierten Maler:innen, Zeichner:innen etc.! Erschließe dir nach und nach Umfelder, in denen du dich entfalten kannst. Das erleichtert dir auch das Ablegen der Maske.

- Introversion: Das Alleinseinwollen, in sich Gekehrte an sich ist nicht das Problem, sondern vielmehr die Bewertung dessen. Introversion ist einfach ein wesentlicher Teil deiner Persönlichkeit und will als solcher anerkannt und gelebt werden. Sie zu verleugnen, zu unterdrücken oder sich eine Maske auszusetzen, ist krankmachend und daher als Strategie nicht zu empfehlen!
Darüber hinaus gibt es weitaus mehr Menschen, die mehr oder weniger introvertiert sind, als du glauben magst. Nur ist es eben so eine Sache, wie offen darüber geredet wird... es ist leider, leider noch zu wenig gesellschaftlich akzeptiert. Doch das ändert an den Fakten nichts - und wenn du eben lieber für dich bist und deinen Interessen nachgehen möchtest, dann tu es einfach! Denn das allein kann dir die Energie geben, soziale Interaktionen zu meistern. Da deine "Batterien" aufladen konnten. Man kann sich für bestimmte Situationen gewisse "Schlupflöcher" überlegen und Kompromisse gehen. Also beispielsweise: "Ich gehe heute Abend, nachdem ich den ganzen Tag für mich war, auf die Party meiner Bekannten, weil ich sie gerne habe. Wenn ich dann merke, dass es mir reicht, ziehe ich mich diskret zurück. Ich kann mit ihr auch im Vorfeld absprechen, dass es sein kann, dass ich nach 2 - 3 Stunden wieder gehen möchte. Dann weiß sie schon Bescheid und ist nicht irritiert."
Zudem kannst du auch einen großen Mittelweg gehen, vor allem dann, wenn du gerne schreibst: Nutze das Internet als soziales Medium. Setze vielleicht einen eigenen Blog auf, vernetze dich stark virtuell, sei in Foren und Online-Gruppen unterwegs. Dort kannst du interagieren, ohne die "geballte Ladung" an Mensch abzubekommen. Du kannst da selbst entscheiden, wann Schluss ist, ohne dass dir jemand böse ist. Gleichzeitig kannst du dich als Teil eines großen Ganzen fühlen und etwas zusammen mit Anderen bewegen, z.B. in Form von Projektarbeit.
Auch sehr schön können Brief - oder Mailfreund:innenschaften sein. Du hast eine eingebaute Distanz, bekommst aber trotzdem etwas vom Gegenüber mit und kannst dich ggf. sogar mehr öffnen, als dies bei direkter Interaktion der Fall sein kann.

- So tun als ob: Ich habe schon geschrieben, dass Masken tragen nicht zielführend sind. Ich möchte das hier nochmal betonen. Erstens merken die Leute, das etwas nicht stimmt, zweitens macht es dich selbst unglücklich. Wenn man sich in seinem echten Selbst nicht zeigt, verlernt man es immer mehr, sich selbst zu spüren und bei sich zu sein. Und sich dadurch zu vertreten nach außen hin. Was ja letztlich alle Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse betrifft.
Auch hier wieder mein Hinweis: Wenn du dich professionell begleiten ließest, könntest du am schrittweise Fallenlassen deiner Maske arbeiten.

- Zeichnen: Gerade Gefühle und Gedanken lassen sich sehr gut durch das zeichnen herauslassen, und sei es andeutungsweise. Unter Zuhilfenahme von stimmungsvoller Musik, Ruhe und Geduld mit den Materialien deiner Wahl kannst du dich für dich allein daran herantasten, deine Empfindungen auf eine Leinwand, auf verschiedene Papiere, Stoff usw. zu bringen. Du kannst das auch mit Schreiben verknüpfen, indem du z.B. einzelne Begriffe einbaust. Auch Collagen können sehr reizvoll sein, entweder ungerichtet-frei oder konkret zu einem Thema, das dich beschäftigt.
Eine Kunsttherapie wäre u.U. etwas Passendes für dich, welche du im Rahmen eines Klinikaufenthaltes wahrnehmen könntest.

Zusammengefasst: Suche dir bitte rasch therapeutische Hilfe bzw. gehe direkt in eine Psychiatrie, da dort Personen mit akuten Suizidgedanken am ehesten aufgefangen werden können.
Recherchiere ruhig noch etwas, damit du vor Ort etwas nennen kannst, was du vermutest. Horche in dich hinein, so gut es geht. Umgib dich mit Leuten, die es gut mit dir meinen, die Anderen lässt du ziehen. Lasse das klitzekleine Glück zu, packe es, vergrößere es! Es wird weiteres Glück nach sich ziehen.

Ich wünsche dir von Herzen alles Liebe,
Nuala