Problem von Anonym -

Freundschaft wird immer mehr zur Belastung

Liebes Kummerkasten-Team,
ich möchte diesmal gerne anonym bleiben, aber vielleicht erkennt ihr an meiner E-Mail-Adresse, dass ich vor etwa eineinhalb Jahren schon einmal ein Problem eingesandt habe, auf das mir Bernd geantwortet hatte. Die Antwort hat mir damals sehr geholfen. Die gute Nachricht ist, dass ich diese tiefe Traurigkeit, die ich empfunden habe, zum Teil überwunden habe und es wieder ganz gut schaffe, auf mein eigenes Leben zu schauen und es auch zu genießen. Es hat sich nur leider ein Folgeproblem ergeben, das mir jetzt zu schaffen macht:

Da ich mich mit der in meiner letzten Nachricht beschriebenen Katastrophe sehr viel beschäftigt habe, war ich auch in Internetforen unterwegs und habe auf diese Weise eine Frau (D.) kennengelernt, 16 Jahre älter als ich, die auch deshalb getrauert hat. Wir haben viel geschrieben, telefoniert und uns irgendwann auch getroffen. Dann sind wir auch zusammen an den Ort gefahren, wo einige der Opfer beerdigt sind. Das war für mich ein sehr wichtiger Besuch. D. hatte auch schon Kontakt zu Angehörigen und hat auch für mich einen Kontakt hergestellt. Sie erzählte vielen, was für ein mitfühlender Mensch ich sei.

Anfangs hat mir diese Freundschaft sehr viel bedeutet, ich konnte D. sehr viel anvertrauen, aber irgendwann wurde es immer mehr. D. möchte fast täglich mit mir telefonieren, teilweise auch mitten in der Nacht, wenn ich eigentlich schlafen möchte. Auch an dem Ort der Gräber möchte sie sich ständig mit mir treffen. Ich war innerhalb zwei Jahren sieben Mal dort, obwohl es sechseinhalb Stunden von mir wegliegt, und mir die Zugfahrt und Übernachtungen eigentlich auf Dauer zu teuer sind. Aber wenn ich andeute, dass ich nicht mitkommen mag, versucht sie mir ein schlechtes Gewissen einreden, als seien mir die Opfer nicht mehr wichtig oder in der Art. Außerdem will sie immer in ein teures Hotel, weil sie sich ja erholen muss. Das ist überhaupt immer so, dass sie viel über ihren Alltag klagt und von mir Verständnis erwartet, aber anders herum kein Verständnis für mich hat. Dass ich zum Beispiel in der Uni bestimmte Veranstaltungen nicht schwänzen möchte, versteht sie nicht. Ich müsse eben wissen, was mir wirklich wichtig ist, sagt sie dann.

Drastisch verschärft haben sich die Probleme, seit eine dritte Person (M.) dazu gekommen ist. M. ist auch eine unbeteiligte Trauernde, neun Jahre jünger als ich. D. hat den Kontakt zwischen uns hergestellt und M. und ich haben uns auch gut verstanden. Das Problem ist nur, dass D. und M. mittlerweile völlig zerstritten sind, wofür ich den genauen Grund nicht kenne bzw. nur zwei sehr unterschiedliche Versionen. Nun wollen beide, dass ich mit der anderen nichts mehr zu tun habe. Und beide wollen, dass ich mit ihnen zu dem Ort der Gräber fahre. Dabei war mir das ja vorher schon zu viel. Ich habe es trotzdem gemacht. Verbinden kann ich die Besuche auch schlecht, weil die eine nicht wissen darf, dass ich mich mit der anderen treffe. Als D. einmal herausgefunden hat, dass ich mit M. alleine da war, ist sie ausgerastet und meinte, wie enttäuscht sie von mir sei, schließlich habe sie ja den Kontakt zwischen uns hergestellt und jetzt würden wir sie einfach ausschließen. Sie meinte, ich müsse jetzt eben wissen, wer mir wichtiger sei. Sie habe doch schon so viel für mich getan, zum Beispiel Kontakt für Angehörigen hergestellt. Daher geht es leider nur noch mit Lügen. Ich muss mich manchmal anstrengen um mir zu merken, wem ich welche Lüge gesagt habe, wer was von wem nicht wissen darf usw. Ich fühle mich so schlecht, weil ich eigentlich ehrlich sein möchte. Aber unter der Ehrlichkeit hätte ich vor allem von D.s Seite aus massiv zu leiden, und das schaffe ich einfach nicht. Zudem fühle ich mich auch entfremdet von der Trauer, die ich beim ersten Mal so stark gespürt habe, weil ich in Gedanken nicht mehr wirklich dabei bin, sondern nur unter diesem Stress.

Vor Kurzem hatte ich wieder so ein Schlüsselerlebnis: Ich bin D. in ihrer Heimatstadt besuchen gekommen, weil sie mich unbedingt sehen wollte. Sie meinte, wir machen uns da mal zu zweit ein schönes Wochenende und sie bringt mich auf andere Gedanken (ich war nämlich ziemlich niedergeschlagen, aber wegen einer anderen Sache). Dann ging es los. Ich sagte ihr, dass ich nur für zwei Nächte bleiben kann, hat sie gejammert, dass das doch viel zu kurz sei. Als es dabei geblieben ist, meinte sie nur "Na wie du möchtest". Kein Wort der Freude, mich zu sehen. Es hat mich so unter Druck gesetzt, dass ich ihr gesagt habe, ein paar Stunden früher da zu sein als ich es eigentlich gebucht hatte, und dann unterwegs einfach immer meinte, der Zug habe Verspätung. Auch wieder eine Lüge. Ich konnte einfach nicht anders. Als ich dort war, musste sie die ganze Zeit irgendwelche privaten Angelegenheiten klären und dafür mit sämtlichen Leuten telefonieren, und sagte am Telefon mehrmals "Und jetzt muss ich Arme mich auch noch um meinen Gast kümmern..." Ich war eigentlich nur da, um sie zu bemitleiden, nicht um aufgemuntert zu werden. Sie schlief auch immer fast bis Mittag, weil sie ja viel Erholung brauche. Obwohl sie mir ja vorgeworfen hatte, es wäre viel zu wenig Zeit. Auf der Heimfahrt musste ich weinen, weil ich mich gefragt habe, was hatte ich eigentlich davon. Und warum mache ich es dann trotzdem.

Aber ich befürchte, dass es immer so weiter gehen wird. Ich füge mich immer ihren Erwartungen, weil ich nicht damit umgehen kann, dass sie sonst enttäuscht von mir ist. Es ist keine ebenbürtige Beziehung. Sie traut mir auch nicht viel zu glaube ich. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin für sie nur das kleine Mädchen, das sie in ihrer Hand hat. Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass ich schon das Gefühl habe, sie mag mich und interessiert sich auch für mich. Trotzdem ist diese Freundschaft für mich mehr zur Belastung geworden und ich wünsche mir eigentlich nur noch, dass es aufhören würde. Nur dann kann ich wieder voll auf meinen eigenen Weg schauen. Aber das traue ich mich nicht, denn ich weiß, sie würde mich dann psychisch fertig machen. Außerdem würde ich sie unendlich damit enttäuschen und mit diesem Gefühl möchte ich auch nicht leben. Wahrscheinlich würde sie mich auch bei Angehörigen schlecht da stehen lassen.
Ich sehe keinen Ausweg aus dieser Situation und hoffe, von euch einen guten Ratschlag zu bekommen, wie ich mich daraus etwas befreien kann.
Vielen lieben Dank für eure Zeit und eure Mühe!

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

es tut mir sehr leid zu lesen, dass eure ursprünglich so wohltuende Verbindung in eine derartige Richtung abgedriftet ist!

Ich schreibe das jetzt mal so frei heraus: Meine Befürchtung ist, dass du an zwei völlige Energieräuberinnen geraten bist, die dich schon lange ausnutzen. Sie missbrauchen eine eigentlich schöne Sache, um sich an dir zu bereichern. Sie vermischen Ebenen, die getrennt bleiben müssten. Sie ignorieren deine Persönlichkeit, setzen dich unter Druck, schreiben dir vor, wie du dich als "gute" Freundin zu benehmen hast.
Und: Mit Freundinnenschaft hat dies alles nichts zutun, ganz im Gegenteil! Sie heucheln dir das vor, besonders D. Echte Freundschaft ist auf Augenhöhe, nicht hierarchisch. Da gibt es keine Manipulationen, kein Druck, keine ständigen Bedingungen. Wenn Angst im Spiel ist, ist etwas gehörig faul!

Und mit all diesem parasitären Gehabe fahren sie bei dir sehr gut.
Warum? Weil du dich selbst übergehst, um ihnen alles Recht zu machen.
Es ist die eine Seite der Medaille, dass wir deren Verhalten anklagen. Doch die andere Seite der Medaille ist, dass du es geschehen lässt. Und das ist das eigentlich Dramatische an dem Ganzen, weil du sozusagen zum Spielball fremder Interessen geworden bist und dich dadurch immer mehr selbst verlässt und dich von dir selbst entfremdest. Das ist eine denkwürdige Entwicklung, die du schleunigst unterbinden solltest! Ich zitiere von folgender Internetseite: https://universityofhappiness.de/warum-unsere-gutmuetigkeit-so-oft-ausgenutzt-wird/ : "(...) das Problem ist, wer sich so gut antrainiert hat, die eigenen Bedürfnisse zu verleugnen, der wird irgendwann gar nicht mehr wissen, was die eigenen Bedürfnisse sind. Und dann wird es gefährlich. Denn dann, allerspätestens, kommt man gar nicht mehr heraus, aus der Gutmütigkeitsfalle."
Du hast ja schon erkannt, dass du eigentlich anders handeln müsstest. Und fragst dich, warum zum Henker dir das nicht gelingen will?! - Ich habe den Verdacht, dass sehr viel aus deinen Vorerfahrungen eine wesentliche Rolle spielt, weswegen du da so perfekt "mitwirkst". Ich dachte mir beim Lesen: Ist das etwas aus deinen familiären Beziehungen, was du wieder aufleben lässt? Es klingt mir so. Und das müsstest du erforschen. Ich empfehle dir entweder ein Coaching (psychologische Beratung/Lebensberatung) oder sogar eine therapeutisch Aufarbeitung. Denn Menschen, die sich so herumschubsen lassen, neigen immer wieder dazu, sich selbst dauernd zu vernachlässigen und die Wünsche der Anderen ohne Wenn und Aber zu erfüllen. Doch das ist Gift!

Also: Ein striktes Umdenken ist angesagt!
Hilf dir, indem du den beiden ab sofort den Rücken zukehrst und dich ganz auf dich besinnst. Du bist ihnen NICHTS schuldig! Brich am besten den Kontakt ab, um dir eine Abkürzung zu schaffen, dafür brauchst du auch keine Rechtfertigung. Du kannst dir auch eine neue Handynummer zulegen und dich anderweitig unsichtbar machen. Denn ich glaube, sie würden dich immer wieder bombardieren und triezen. Das musst du dir nicht antun.

Mit Unterstützung einer:s psychologischen Berater:in bzw. einer:s Psychotherapeut:in kannst du den Absprung schaffen und zugleich an deinen seelischen "Baustellen" arbeiten, welche höchstwahrscheinlich ursächlich dafür sind, dass du diesen Personen so auf den Leim gegangen bist. Das würde dir nicht nur für den Ist-Zustand etwas bringen, sondern auch für deine Zukunft, damit du selbstsicherer, ausgeglichener und zufriedener werden kannst. Was dazu führt, dass solche Energievampire keine Chance mehr bei dir hätten.

Selbstliebe ist hier das Zaubermittel. Damit du endlich dich an Platz 1 setzt - und das für immer! Und, das möchte ich betonen, ist nicht mit kaltem Egoismus zu verwechseln, der nur die eigenen Interessen vertritt. Nein, es geht schlicht und ergreifend darum, dass du als Individuum dich so entfalten kannst, wie es dir entspricht. Und dazu gehört eben ganz elementar, dass du dich nicht selbst unterdrückst und kleinmachst.
Beispielhaft kannst du hier beginnen, dich mit Selbstliebe zu befassen: https://www.dein-neuanfang.de/coaching/selbstliebe/

Ich wünsche dir alles Gute - und du weißt ja, wir sind gerne wieder für dich da.

Nuala