Problem von Anonym - 16 Jahre

Bruder wird bevorzugt

Mein kleiner Bruder ist 13 und wird zu Hause jedes Mal bevorzugt. Er ist total agressiv, schreit rum, beleidigt mich und auch meine Mutter. Meinen anderen kleinen Bruder ist er nur am nerven. Er ist schlecht in der Schule. Tut nichts zuhause, außer vielleicht seit 1 Monat mit dem Hund rauszugehen, weil ich es einfach nicht fair fand alles zu machen. Er bekommt immer teure Klamotten und alles was er will. Wenn wir Streit haben, werde ich angeschnauzt. Wenn er mich beleidigt interessiert es meine Eltern nicht, doch wenn ich ihn beleidige werde ich richtig angeschrien. Ich hatte in seinem Alter kein Fernseher im Zimmer, habe erst jetzt mit 16 einen bekommen und weil mein Bruder rumgeheult hat, muss ich ihn mir den jetzt, mit ihm teilen. Er hat mich auch in den Bauch getreten und meine Eltern haben nichts dazu gesagt. Hinzu kommt, dass er machen kann, was er will. Er bekommt keinen Druck und wenn er mich mal runter macht (habe schon selbst zweifel) und ich es dann auch bei ihm mache, sagen meine Eltern auch was negatives über mich. Ich höre nichts positives. Immer werde ich mit allen verglichen und schlecht gemacht. Muss relaziv viel zu Hause tun, dabei komme ich jetzt in die 11. Klasse auf ein Gymnasium und habe viel schulisch zutun, das verstehen die einfach nicht. Hinzu kommt, dass ich noch zwei weitere kleine Brüder habe, um die ich mich öfters kümmern muss, während mein 13 jähriger Bruder im Zimmer sitzt und YouTube schaut. Bei ihm wird auch nie eine Strafe durchgezogen, bei mir jedoch schon. Ich habe schon versucht mit meinen Eltern zu reden, aber das bringt nichts, meistens fange ich dann an zu weinen und mein Vater macht sich dann lustig über mich. Allgemein wurde von mir immer verlangt, die toughe zu sein, nicht zu weinen, stark zu sein, wenn ich als Kind verletzt war, die Schmerzen auszuhalten und immer alles richtig zu machen. Feiern darf ich immer nur bis halb 1, obwohl meine freunde viel länger dürfen. Allgemein verbieten mir meine Eltern voll viel, weil ich ja ein Mädchen bin und mir was passieren kann. Ich kann auf mich aufpassen, habe freunde um mich und finde sie bei sowas viel zu überfürsorglich, was auch schon eine Freundin meiner Mutter meinte. Am meisten verletzt mich jedoch das ungerechte Behandeln und dass ich immer mit allen verglichen und schlecht gemacht werde. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Und mit jemand anderem in der Familie möchte ich nicht reden, genauso wenig mit meinen Freunden.

Anwort von Miriam

Hallo meine Liebe,
Aus deinem Text kann ich eine Menge Wut heraushören. So, wie du die Situation beschreibst würde sie mich auch sehr bedrücken und ich kann dich gut verstehen. Toll finde ich, dass du uns hier schreibst, denn du hast dich bestimmt direkt etwas leichter gefühlt, als du das mal von der Seele geschrieben hattest und das ist immer ein Gewinn. Falls das nicht so sein sollte, ist diese Antwort dir vielleicht trotzdem langfristig eine Hilfe.

Ich habe es so verstanden, dass du die Älteste deiner Geschwister bist. Man hört das leider öfter, dass Eltern beim ersten Kind extrem vorsichtig sind, was die Freiheiten angeht, zum Beispiel lange auszubleiben, und die jüngeren Kinder als Nesthäkchen behandelt werden, die sich viel mehr herausnehmen dürfen. In Bezug auf das Feiern lass dir aber gesagt sein, dass es nur noch weniger als zwei Jahre bis zu deinem achtzehnten Geburtstag sind. Danach darf dir niemand mehr vorschreiben, wie lange du ausgehen darfst oder wo du dich aufzuhalten hast. Für mich war das damals auch ein Befreiungsschlag. Auch wenn einem das mit sechzehn noch so weit weg vorkommt, hilft es vielleicht doch ein bisschen, dich auf diese positive Zukunftsaussicht zu konzentrieren.

Ich finde es sehr schlimm, dass wenn du versuchst, mit deinen Eltern zu reden, diese dich offensichtlich überhaupt nicht ernst nehmen und sich dein Vater sogar über dich lustig macht. Vor allem wenn es um verbale und körperliche Gewalt von Seiten deines Bruders geht. Das verletzt sehr und hinterlässt jedes Mal Spuren. Außerdem wärst du ja auch schon alt genug, sodass man das Ganze eigentlich etwas erwachsener miteinander klären könnte.

Wenn die Gesprächsversuche mit den Eltern weiterhin scheitern, wäre da vielleicht die Freundin deiner Mutter eine Person, mit der du mal unter vier Augen sprechen könntest? Sie hat vielleicht mehr Einfluss auf deine Eltern und scheint dich ja in gewisser Hinsicht zu verstehen. Und wenn dein Vater sich nur lustig macht, könnt ihr auch zunächst nur mit deiner Mutter reden, wenn du glaubst, dass das bei der Klärung eher hilft.

Eine weitere Möglichkeit wäre, einen Lehrer deines Vertrauens in der Schule anzusprechen. Vor allem im Hinblick auf deine damit verbundenen schulischen Sorgen kannst du davon ausgehen, dass das nur einen Gewinn bringen kann. So können die Lehrer deine Situation auch in der Schule berücksichtigen.

Auch, wenn es dir vielleicht übertrieben vorkommen sollte, gibt es in solchen Situationen auch die Möglichkeit, das Jugendamt zu benachrichtigen und den Mitarbeitern dort die Situation einmal zu schildern. Im persönlichen Gespräch kann dann das Ausmaß deiner Unterdrückung in der Familie besser eingeschätzt werden. Ich spreche hier absichtlich nicht von Bevorzugung, denn gerade, wenn es um tolerierte körperliche Gewalt zwischen Familienmitgliedern geht, ist dies nicht zu unterschätzen und geht auch schon weit über eine schlichte Bevorzugung heraus.

Bis eine Lösung gefunden ist, bleibt dir erst mal nur, die Zähne zusammenzubeißen und deinen Bruder so gut es geht zu ignorieren, wenn er Streit sucht. So lange man auf Sticheleien nicht eingeht, macht es dem anderen oft keinen Spaß mehr und er hört irgendwann auf.
Vielleicht hast du auch einen Ort, an dem du gerne bist, wo du dich mal davon zurückziehen kannst und deine Ruhe vor allem hast. Da lernt es sich vielleicht auch besser.

Wichtig ist: Du bist auf jeden Fall auf einem richtigen Weg. Auch wenn du schlecht gemacht wirst, bist du nicht schlecht. Lass dich auch nicht vergleichen, denn du bist du und so ist das auch gut. Du machst voraussichtlich dein Abitur in ein paar Jahren und hast diesbezüglich alles richtig gemacht. Darauf kannst du stolz sein.

Zudem hast du auch ein Recht darauf, die Zeit, die du für die Schule benötigst, einzufordern. Vielleicht hilft es hier, wenn du mit deinen Eltern einen Kompromiss ausmachst und sagst, dass du nach deinen Schulaufgaben noch eine bestimmte Aufgabe im Haushalt erledigst. Somit gehst du einen Schritt auf sie zu und sie kommen dir dann vielleicht eher entgegen.

Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass du einen Weg findest, mit dieser schwierigen Situation umzugehen und dass deine Eltern dir in Zukunft ein bisschen mehr Verständnis entgegenbringen und hoffe, dass meine Worte dir dabei ein kleines bisschen weiterhelfen können.

Liebe Grüße
Miriam