Problem von Anonym - 26 Jahre

komme mit mir selbst nicht mehr klar

Hallo, ich bin schon immer bisexuell interessiert. Habe nun länger in einer heterosexuellen Beziehung gelebt, aber einfach die letzten Monate immer mehr gemerkt, dass es mich immer mehr zu Frauen hinzieht. Dadurch war ich auch in der Szene immer mehr aktiv und habe mich auch letztendlich von meinem Freund getrennt. Nun habe ich aber ein Problem. a) ich habe das Gefühl von anderen Lesben nicht akzeptiert zu werden, da ich ja mal was mit einem Typ hatte und das jetzt auch nicht unbedingt eklig finde oder so wenn ich an einen Typ denke, habe nur einfach kein (sexuelles) Interesse mehr an Typen
b) ich weiß einfach nicht wer oder was ich bin... bi-/pansexuell, lesbisch... aber ist das denn überhaupt so wichtig? warum versteift sich da jede so drauf: was bist du denn? Mir ist wenn ich eine Beziehung suche eigentlich recht egal wer oder was vor mir steht (Mann, Frau, nicht ganz eindeutig, mein Alter oder älter...), es muss die emotionale Ebene stimmen
c) ich bin Frau und fühle mich auch inzwischen als solch eine (während der Pubertät wäre ich zeitweise lieber ein Kerl gewesen), jedoch bin ich auch keine "Tussi". D.h. ich schminke mich eher selten, stehe nicht auf pink, liebe meinen Sidecut (Rest der Haare ist mind. Schulterlang) und habe auch keine gemachten Fingernägel oder so.
Grds. fühle ich mich eher zu maskulinen Frauen hingezogen, wie zu sehr femininen Frauen. Jetzt habe ich aber das Problem, dass mir schon mehrere Frauen gesagt haben ich wäre zwar sexuell attraktiv, da ich sehr weiblich aussehe, aber mehr eben auch nicht, da ich zu maskulin wäre...
verstehe die Welt nicht, was denn nun? wer bin ich, was bin ich, was kann ich tun um etwas mehr "Anerkennung" zu finden - ggf. etwas femininer zu werden ohne mich komplett verstellen/verdrehen zu müssen? kenne ich mich selbst nicht gut genug, dass ich vielleicht in Wahrheit wirklich maskulin bin, es aber nur noch nicht weiß? gibt es keine (maskulinen) Frauen die nicht unbedingt eine Prinzessin an ihrer Seite brauchen, sondern eben auch eine sportliche, natürliche Frau mögen... vorallem wenn ich ja so maskulin bin, warum stehen die Männer (die ich ja garnicht will) dann so auf mich? Dann wären die ja irgendwie alle schwul?!

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Es kommt mir so vor, als würdest du dich von der Intoleranz und Borniertheit anderer Menschen massiv verunsichern lassen - doch nicht du bist das Problem, sondern deren eingeschränkte Sicht auf die Dinge!
Versuche doch, aus diesem Käfig auszubrechen, indem du es anders machst. Sei eine authentische Person und lebe nach deinem innersten Gefühl.
Es kann ja auch einfach sein, dass sich die Frauen, denen du dich nähern wolltest, in Wahrheit deine Unsicherheit gespürt und sich diffus dann von dir abgewandt haben und es selbst nicht anders benennen konnten. Wer weiß. - Es ändert nichts daran, dass du dir selbst treu sein MUSST, um ein dauerhaft zufriedenes Leben führen zu können. Daran gibt es nichts zu rütteln.

Sehen wir es mal ganz nüchtern: Du bist einfach du, ein Individuum. Dabei ist es total unerheblich, wie du aussiehst, dich benimmst, kleidest etc. Wichtig ist einzig und allein, dass du dich damit wohlfühlst. Und dann wirst du als positive Folge daraus auch die entsprechenden Menschen für dich begeistern, weil diese dein Echtsein bemerken und dann sehen: "Ah, da ist eine so wie ich! Da will ich hin!"
Oder: "Oh, sie ist anders als ich und damit eine tolle Ergänzung! Ich finde das sehr reizvoll!"

Ich denke, du solltest aufhören, dich mit Betitelungen und Schablonen verrückt zu machen. Was ist schon "weiblich", was ist schon "männlich"? Alle Menschen haben beide Anteile in sich. Mehr braucht man streng genommen auch nicht zu wissen; viel wesentlicher ist doch die Persönlichkeit, die sich möglichst frei entfalten sollte. Das geht aber nur, wenn man offen und frei denken und handeln kann. Sicher, das ist nicht in jeder Lage möglich; doch annäherungsweise definitiv!

"Frausein" ist genauso schillernd und verschieden wie "Mannsein".
In der Psychologie ist es Konsens, dass innerhalb der beiden Geschlechtsgruppen Frau/Mann mehr Unterschiede bestehen, als zwischen ihnen. Nur Vorurteile, Stereotype und Rollenerwartungen unterstellen, dass sich Frauen alle sehr ähnlich seien und Männer auch. Faktisch ist es eben nicht so. Also: Pink ist z.B. einfach nur eine Farbe, kein Anhängsel eines Geschlechts.

Falls es dir sehr wichtig ist, dich genauer einzuordnen, empfehle ich dir, dich auf einschlägigen LGBTQ - Seiten umzusehen und über längere Zeit in dich hineinzuhorchen.
Dennoch: Es ist nichts starr und zu 100% festgelegt. Der Mensch hat so viele Widersprüche, Facetten und fließende Übergänge in sich - da kommt keine Bezeichnung, kein Label dagegen an. Sprich lieber von "Tendenzen", "Vorlieben", "momentan", "aktuell", "meistens", etc., das nimmt dir den Druck und macht alles flexibler. Und zu leben bedeutet nun einmal, dass alles ständig im Wandel ist. Sexuelles Begehren eben auch - mehr oder weniger ausgeprägt.

Ein weiterer Gedanke von mir ist, erstmal diese einschlägige Szene zu meiden, wenn du dort offensichtlich wenig Entgegenkommen erfährst. Schließlich kannst du Sex - und Liebespartnerinnen auch auf andere Weisen kennenlernen. Zudem ist es sehr oft so, dass gerade dieses aktive und sehr "starre" Suchen zu Misserfolgen führt. Lebe, das ist schon herausfordernd und spannend genug! ;) Und dann wirst du überrascht sein, wer plötzlich deinen Weg kreuzt. Auch wenn es eine Weile dauern mag: Wenn du dich nicht verbiegst, sondern dir treu bleibst, wirst du langfristig in allen Lebensbereichen erfolgreich sein, so natürlich auch in Sachen Beziehung.

Guck gerne auch hier hinein:
- https://www.bine.net/
- https://queer-lexikon.net/tag/bisexualitaet/
- https://mein-kummerkasten.de/Suche/Bisexualit%C3%A4t
- https://libs.w4w.net/index.php/info/links

Ich wünsche dir einen schönen restlichen Sommer!
Nuala