Problem von Reisball - 30 Jahre

Mein Vater ist komisch

Guten Morgen lieber Kummerkasten,
Ich bin mir nicht sicher ob der Titel passt. Denn mein Vater ist mehr als komisch. Ich glaube er hat auch psychische Probleme doch spricht nicht darüber. Aber nun zu mein Problem.
Mein Vater möchte jedes Jahr immer am selben Ort Urlaub machen. Um diesen Urlaubsort gibt es immer Streitereien zwischen meinen Eltern. Er möchte immer an die Adria und meine Mama möchte nicht dort hin den sie geht nicht gerne Baden und es ist ihr dort viel zu warm. Wenn die zwei wir mal um diesen Urlaub streiten bekomme ich immer einen Anruf von meiner Mutter. Wenn sie dann immer seit deiner Vater dreht mal wieder durch, geht mein Plus und Blutdruck gleich nach oben. Diesen Sommer war diesmal alles anders. Meine Mutter ist als Kompromiss und des lieben Friedens mit meinem Vater für zwei Wochen an die Adria gefahren. Auf dem Rückweg haben sie noch eine Woche in den Bergen Urlaub gemacht,damit der Weg nicht ganz so weit ist.
So in der Zeit wo meine Eltern im Urlaub waren, haben mein Freund und ich uns eine gemeinsame Wohnung gesucht. Haben auch eine gefunden und sind mitten im Umzug. Gestern(17.7.2019) schrieben mein Vater mir eine WhatsApp. Sie begann mit Hallo Töchterchen..... in den Moment hätte es schon bei mir Alarm schlagen müssen. Denn wenn er so an fängt geht es darum mit ihm gemeinsam irgendwohin zu fahren. Natürlich war es so. Ich habe dem nächst zweieinhalb Wochen Urlaub und werde diesmal den Urlaub zu Hause verbringen,da mein Freund kein Urlaub hat. Somit bildet sich mein Vater, da er Resturlaub hat das ich mit ihm doch eine Woche an die Adria fahren könnte. In dem Moment war ich wie versteinert. Mir fehlten die Worte. Nach wenigen Augenblicken sagte ich das ich dies nicht in Ordnung finden würde gegenüber Mutti und das sie nicht damit einverstanden wäre. Daraufhin er ganz trocken "wie so sollte sie was dagegen haben. Du willst doch nicht deinen ganzen Urlaub zu Hause verbringen?" Innerlich dachte ich mir das ist doch meine Sache wie ich meinen Urlaub verbringe. Ich sagte: "Nein das tue ich Mama nicht an". Darauf beendete er abrupt das Gespräch. Ich war nach dem Gespräch völlig fertig. Wenige Minuten später schrieb mir meine Mutter und wollte wissen wo Papa mit mir hinfahren möchte. Ich schrieb einfach ich weiß es nicht. Sie will mich vor meiner Arbeit nochmal anrufen. Mein Vater ist doch völlig gestört mit dem Thema Adria. Mein Vater kann kein NEIN akzeptieren und das nervt mich er versucht mich immer wieder auf seine Art und Weise zu manipulieren. Wenn mein Freund dabei ist kann ich immer auf seine Unterstützung hoffe bzw. da traut sich mein Vater nichts. Am Telefon oder wenn wir alleine sind versucht er es immer. Am Ende schafft er es leider auch das ich ein knicke und ja sage. Doch diesmal hoffe ich das ich stark bleibe.
Mein Vater hat mit dem Wort nein ein Problem ist egal bei wem. Er möchte immer sein Kopf durchsetzen und wenn er merkt er kommt nicht weiter bockt er und schweigt. Meine Mutter leidet sehr zu Hause. Sie ist an solchen Situationen den Tränen sehr nah. Sie versteht nicht wie man so sein kann. Mein Vater ist gegenüber sie sehr respektlos und trifft Entscheidungen oder bespricht Dinge hinter ihrem Rücken. Was in meinen Augen falsch ist. Am Ende vermittel immer zwischen ihnen. Manchmal frage ich mich ob er sich noch richtig liebt. 32 Jahre Ehe ist schon verdammt viel.

Den er hat mal selber zu ihr gesagt ich kann dich nicht umarmen oder sowas. Ich kann es im Moment nicht. Das zeigt einen doch das man ein psychisches Problem hat. Meine Mutter gab ihm den Rat mal sich professionelle Hilfe zu suchen. Ich glaube nämlich auch das er ein psychisches Problem hat über das er nicht reden möchte. Wie können wir meinem Vater helfen? Klar nimmt mich das alles seelisch mit und ich leide extrem drunter,aber am Ende ist er immer noch mein Vater. Er hat auch öfters gesagt dann gehe ich mich umbringen dann habt ihr eure Ruhe.
Ich weiß wirklich nicht mehr weiter.

Ich hoffe ihr könnt mir irgendwie helfen.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Reisball,

es ist nicht so klar, ob dein Vater ein psychisches Problem hat, wie ihr vermutet. Menschen verhalten sich auch mal phasenweise anders als gewohnt, haben mit inneren "Schweinehunden" zu kämpfen, verarbeiten Erlebtes intensiv, haben bestimmte soziale Rollen und Zuschreibungen verinnerlicht usw.
Entscheidender wäre, ob er einen starken Leidensdruck hat bzw. sich alles in letzter Zeit sehr negativ verändert hat, wie lange er sich schon so anders benimmt, seine Arbeit, seine Hobbys leiden, er unkonzentriert, fahrig, wenig ansprechbar, in sich gekehrt, sehr reizbar ist etc. - das können aber nur Indizien sein. Wirklich herausfinden könnte er es nur selbst und faktisch mittels einer ärztlich-therapeutischen Diagnostik.
Auf die Ferne ist das nicht einzuschätzen.

Du könntest dies bei ihm ansprechen, doch klingt mir deine Schilderung nicht so, als ob ein solches Gespräch _im Moment_ von Erfolg gekrönt wäre.
Letztlich kann auch nur er selbst aus eigenem Antrieb Hilfe in Anspruch nehmen - und diese kann sehr unterschiedlich aussehen. Das muss keine Therapie sein. Es gibt so viele Angebote, vom Wochenend-Seminar über Lebensberatungen über klassische Beratungsstellen hin zu intensiver Buch - und sonstiger Medienlektüre ist die Palette sehr umfangreich. Das Wesentliche ist der WILLE zur Veränderung! Alles Weitere findet sich dann. Wenn er nichts verändern will, tut er es logischerweise auch nicht.

Was mir allerdings auffällt, ist dass ihr anscheinend einige Kommunikations - und Grenzenprobleme innerhalb eurer Familie habt. Ihr kommuniziert anscheinend weder klar und ehrlich, was WIRKLICH in euch vorgeht, noch könnt ihr zeitüberdauernd und _überzeugend_ Nein sagen, deine Mutter, nicht, du nicht und dein Vater spiegelt euch das recht anschaulich, indem er euch immer wieder bombardiert und nervt. Und für euch ist es leicht, mit dem Finger auf ihn zu zeigen und ihm die Schuld zuzuschieben, während ihr euch als Opfer benehmt und damit weiter in diesem ungesunden Kreislauf verharrt. Damit will ich nicht sagen, dass dein Vater ein Engelchen ist. Doch es geht um Verantwortung und dem genauen Schauen, was eigentlich passiert. Dazu gehört, die Manipulationen als solche zu benennen und sich diesen rigoros zu entziehen (auch diese Pseudo-Selbstmordandrohung geht in die Richtung). Und auch, aus der Ich-Perspektive zu zeigen: Papa, ich hab dich lieb, aber hier geht mir das zu weit, was du veranstaltest!

Konkret an deinen aktuellen Beispielen:
- Deine Mutter will nicht ans Meer, macht es aber trotzdem - anstatt Tacheles zu reden und nach sinnvolleren Lösungen zu suchen, mit denen sie viel zufriedener sein würde.
- Du willst nicht mit deinem Vater in den Urlaub fahren - schiebst aber das Leid deiner Mutter vor, anstatt zu sagen: "Papa, ich möchte nicht mit dir in den Urlaub fahren."

Ihr zeigt euch gegenseitig nicht, was ihr wollt - außer dein Vater, der seine Bedürfnisse umso heftiger durchsetzen will und es auch schafft, weil ihr im Außen nachgiebig seid. Doch innerlich ist euer Widerstand umso gravierender und erzeugt Leid. Es gibt keine Harmonie bei euch im Innen und Außen. Verstehst du? So wird es immer weitergehen, ihr werdet euch mit diesen Mustern immer weiter anpieksen und gegenseitig stressen. -
Ihr könnt nie die Anderen verändern, aber euch selbst. Du kannst dein Verhalten abändern, sodass du sagen kannst: Das bin wirklich ich, ohne Lügen, ohne Wischiwaschi, ohne Selbstbetrug. Es ist nicht einfach, aber es lohnt sich, gleich damit anzufangen.
Guck mal hier: https://www.youtube.com/watch?v=h2UJXbhatKE

Ihr könnt sicherlich eine Familien-Beratungsstelle aufsuchen, das kann euch durchaus etwas bringen. Doch wäre da die Frage: Wer von euch geht hin?

Fang bei dir selbst an, übe einen neuen Umgang auf Augenhöhe mit deinem Vater.
Mit neuen Verhaltensweisen, die deinen Selbstwert betonen, kannst du die Anderen auf Dauer mitziehen, weil deine Verhaltensänderungen eben auch bei ihnen etwas bewirken.
Und falls nicht, grenze dich immer weiter ab - denn die Eheprobleme deiner Eltern gehen dich schlicht nichts an, das haben sie gemeinsam zu lösen. Und das darfst du genau so verdeutlichen. Das kannst du liebevoll und rücksichtsvoll tun; doch Rücksicht fängt eben zuerst bei dir an.
Wenn du irgendwas machen möchtest, könntest du zusammen mit deiner Mutter anfängst, richtig ehrlich alles auf den Tisch zu packen, ohne Drumherum Reden, Beschönigen, relativieren, verleugnen. Dann wärt ihr schon mal zu zweit und könntet euch gegenseitig motivieren und unterstützen.
In weiteren Schritten könntet ihr sogar Kommunikationsseminare besuchen und die entsprechenden Themen bearbeiten. Ich habe so den Eindruck, dass euch beide das betrifft (klar, aus der Ferne kann ich das nicht eindeutig beantworten). Du könntest sie auch motivieren, eine Eheberatung oder eine Mediation mit deinem Vater wahrzunehmen: https://www.streitvermittler-mediator.de/blog-mediation/mediation-bei-familienstreitigkeiten.html
Doch Vorsicht - der Grat zwischen gutem Engagement und gefährlichem Absturz ist hier sehr schmal! Achte unbedingt auf deine warnenden inneren Stimmen, du hast sie sehr anschaulich beschrieben. Ab jetzt solltest du unbedingt auf sie hören.

Ich wünsche dir alles Gute und eine schöne selbstbestimmte Urlaubszeit!
Nuala