Problem von Anonym - 32 Jahre

Ich kann schlecht mit meinem Partner offen kommunizieren

Liebes Kummerkastenteam.

Ich habe keine leichte Kindheit hinter mir. Es fing schon damit an, dass ich mich in vielen Sachen von anderen unterscheidete. Ich hatte Sichelfüße als ich ganz klein war. Ich bin Linkshänder. Habe eine Trichterbrust. Eine Brille mit dreizehn bekommen und nebenbei wurde ich in der Schule viel gemobbt. Meine Eltern ließen sich früh scheiden, da war ich kurz vor der Einschulung. Dann bekam meine Mutter einen neuen Partner (gerade als ich in die Schule kam) und von da an ging alles nur noch bergab. Also hauptsächlich emotional für mich. Ich war immer ein offener und lebendiger fröhlicher Mensch. Ich war weltoffen begeistert und hatte so gut wie vor nichts Angst. Ich war vor allen Dingen neugierig und wissensbegierig. Aber am wenigsten kam ich mit der Scheidung meiner Eltern klar (da ziehen heute noch Wunden in mir...) ich kam damals nicht damit klar und für mich brach meine Traumwelt früh zusammen. Ich war immer ein emotionaler Mensch, der nur die Nähe seiner Eltern nach der Trennung nach wie vor spüren wollte. Aber nach dem meine Mutter ihren neuen Partner hatte wurden mein Bruder und ich fast null geherzigt und in den Arm genommen. Ich suchte verzweifelt nach der Sicherheit von ihr in den Arm genommen zu werden und von ihr die Bestätigung zu bekommen : ich habe Dich immer noch lieb und ich liebe dich so wie Du bist. Aber die kam bis heute leider nicht wirklich. Erst gestern hörte ich schon wieder von ihr : warum musst du immer eine Ausnahme sein? Warum musst du immer aus der Reihe tanzen und Dinge anders machen als andere? Aber das ist etwas das sie nicht versteht oder überhaupt die Welt. Den das das wir alle so unterschiedlich sind erst das bereichert doch unsere Welt und macht sie aus. Es ist traurig, dass es sowas wie Normen überhaupt gibt. Aber genug der Vergangenheit ich wollte mit der Vorgeschichte nur auf etwas hinaus. Ich habe nie emotionale Stabilität kennengelernt bzw erlernt. Ich bin jetzt fast 33 und habe mehrere Beziehungen schon hinter mir und jedes Mal habe ich Schluss gemacht, weil ich Panik bekommen habe. Dabei sehne ich mich nur nach einer Sache. Ich möchte jemand an meiner Seite, der mich gerade deshalb liebt, weil ich so bin wie ich bin. Für den ich so bin, wie ich bin. Und ich habe einen Partner. Und eigentlich könnte alles perfekt bzw genug sein, wenn es da nicht ein Problem zwischen uns gäbe und zwar das wir offen miteinander über alles reden können. Ich weiß nicht, wie ich ihm offen sagen kann was ich brauche, was ich mir wünsche ohne das ich ihn unter Druck setze bzw was von ihm erwarte oder ihn bedränge? Ich weiß nicht, wie man solche Aussagen formuliert, so dass sie offen stehen und er selbst entscheiden kann, ob er dem nachgehen möchte oder nicht. Abgesehen davon habe ich das Bedürfnis mit ihm zu reden, aber weiß nicht wie und wann der richtige Moment, Zeitpunkt und Ort dafür ist. Wie schafft man eine gute Atmosphäre bzw vor allem wie könnte die Worte als Gesprächs-Einleitung aussehen? Ich habe zwar schon versucht nach sowas zu Googlen, aber bisher hat es mir leider nix gebracht. Ich kann mir wirklich eine Zukunft mit ihm vorstellen, aber wie kann ich mit jemanden eine Zukunft haben wo wir beide nur über Chats bzw elektronische Posteingänge kommunizieren können. Er und ich würden außerdem bald gerne zusammen ziehen, dass will ich auch wirklich von Herzen, aber spätestens dann wäre es schön wenn wir offen miteinander kommunizieren können. Ich muss zum Abschluss noch hinzu sagen, dass er selbst emotional introvertiert ist und das er mich zwar liebt und das spüre ich auch , aber mir weniger zeigen kann, weil er von seiner Ex zu tiefst verletzt wurde und auch mehrmals betrogen. Er ist selbst auch ein Scheidungskind und damals hatte er auch viele Männer durch seine Mutter leider kennen lernen müssen... Ihm fällt es im Endeffekt genauso schwer über Gefühle etc zu reden. Ich bin halt verzweifelt, weil ich keine Lösung und keine Kommunikationsbrücke für uns finde. Ich will diesen Mann. Wir können super über alles reden, solange es nicht um Bedürfnisse oder Emotionen geht. Was ich mir zum Beispiel konkret von ihm wünsche unter anderem wäre, dass er mich noch mehr krault oder streichelt. Was er hin und wieder macht, nur leider viel zu wenig. Ich sehne mich stark danach berührt zu werden, vielleicht weil ich mich verstärkt danach sehne schöne Sachen zu empfinden. Aber wie formuliere ich, dass ohne zu fordern? Negatives Gegenbeispiel ist wenn er mir zum Beispiel was ,,verspricht" bzw Hoffnung macht und es dann nicht einhält. Das tut mir übelst weh und er versteht das nicht: in dem er zum Beispiel sagt er ruft an und tut es im Endeffekt nicht und ich warte und beim nächsten Gespräch sorry hab ich wohl vergessen. Das sind so Sachen die ich dann nicht verstehen kann. Wenn ich das Wichtigste laut ihm bin, wie kann er mich dann vergessen? Oder er macht mir Hoffnung mit mir zu tanzen, was ich mir sehnlichst wünsche, aber am Schluss will er dann doch nicht. Vielleicht muss ich ihm allgemein noch mehr geben?

Ich hoffe ihr könnt mir ein paar Tipps geben, ich weiß nicht mehr weiter.

Ich habe zum Schluss noch eine Bitte an Euch, bitte nicht mein Namen aufgrund meiner angegebenen Email Adresse hier angeben. Vielen Dank :)

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Das hast du schön gesagt: "Den das das wir alle so unterschiedlich sind erst das bereichert doch unsere Welt und macht sie aus." Diese Aussage kann ich fett unterstreichen!
Ich glaube, du hast schon eine unglaublich tollen Ansatz in dir, du bist doch schon auf dem Erkenntnispfad. Wie ein Panther, der zum Sprung ansetzt!
Du hast eine negativ geprägte Vergangenheitsgeschichte, gleichzeitig so viele Reichtümer in dir. Und das Zitat beweist: Du hast das alles noch in dir, es ist vielleicht nur gerade nicht so leicht zugänglich! Du kannst alles in dir freilegen, was dich glücklich macht. Und das ist auch meine Kernbotschaft, bevor es um dein Anliegen mit der partnerschaftlichen Kommunikation geht. Dreh - und Angelpunkt bist immer du selbst. Es geht nicht darum, dass du deinem Freund mehr geben musst! Sondern dir!
Du vermisst noch heute Zuneigung und körperliche Wärme deiner Mutter, deiner Eltern. Das kann ich nachfühlen. Gleichzeitig ist es so extrem wichtig, dass du nicht darauf wartest, von außen etwas zu erhalten, um dich besser zu fühlen. Sondern dass du lernst, diese Herzenswärme selbst zu erzeugen und dich selbst in den Armen zu halten. Du willst geliebt werden, so wie du bist. Dann fange selbst damit an! Erst wenn du dich so akzeptieren kannst, wie du bist, mit deiner gesamten Vergangenheit, deinen verschiedenen Erfahrungen, Rückschlägen, Eigenschaften, Träumen...., wirst du das vollumfänglich von deinen Mitmenschen zu spüren bekommen. Das ist ein enormes Unterfangen, wenn man es nicht gewöhnt ist. Gleichzeitig ist es das Lohnenswerteste, was man für sich tun kann. Für sich selbst die beste Freundin oder der beste Freund zu sein, erzeugt in allen Lebensbereichen neue Effekte, die langfristig äußerst positiv wirken. Sprich, auch auf deine Paarbeziehung wirkt es sich positiv aus, wenn du deine inneren Schatten aufarbeitest, dich in Selbstliebe übst und dir dabei eventuell professionell helfen lässt (durch psychologische Beratung, Coaching, Psychotherapie, Seminare, usw.).

Nun zu deiner Partnerschaft.
Es ist so eine Sache mit dem "eigentlich" und "gut genug". Denn solange du noch nicht komplett zu deiner persönlichen Hochform auflaufen konntest, also Selbstliebe, Akzeptanz, Nachsicht, Selbstvertrauen, Selbsterkenntnis, Geduld noch ausbaufähig sind, kannst du vermutlich noch nicht komplett abschätzen, wie gut dein Freund tatsächlich zu dir passt. Sicherlich kann es sein, dass ihr schon ziemlich gut harmoniert. Doch kann eben auch das Gegenteil der Fall sein. So ehrlich müssen wir hier sein.

Nehmen wir einmal an, ihr habt wirklich eine prima menschliche Basis, geprägt von vielen Gemeinsamkeiten, geteilten Werten, gleichen oder ähnlichen Zielen, gegenseitiger Rücksichtnahme und Ergänzung - dann frage ich mich, ob sich dein Freund aktiv darum bemüht, dein Seelenleben zu erforschen? Stellt er dir Fragen, unterstützt er dich, ist er empathisch? Wenn ja, hast du tollen Startbedingungen, weil er sich deinen kommunikativen Bemühungen bestimmt sehr freudig und offen begegnen würde.

Jetzt einmal rund um Kommunizieren - ich weiß nicht, wie das bei euch abläuft. Es fällt mir auch ehrlich gesagt schwer, mir das bildlich vorzustellen. Daher ganz allgemein: Du brauchst dich nicht davor zu fürchten, deinen Freund zu verärgern und zu bedrängen, nur weil du ihn um etwas bittest, einen Wunsch äußerst, deine Meinung sagst, mal etwas launisch bist oder mal NEIN sagst. Ganz im Gegenteil: All das ist sehr wichtig und gesund. Nicht nur für dich, sondern auch für eure Beziehung.
Zunächst solltest du ihm ganz simpel mitteilen, was aktuell in dir vorgeht. Du kannst es via Chat ankündigen, dann aber bei einem Spaziergang in der Natur oder in einer sehr ruhigen Gegend erzählen. Hier ist wirklich dein Mut gefragt! Ihr seid es beide gewöhnt, zu schweigen und euch höchstens schriftlich mitzuteilen. Diese Muster solltet ihr durchbrechen.
Falls dir das zu schwierig erscheint: Kündige es schriftlich an, dass du vorhast, mehr über deine Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen und dass es dir noch schwerfällt. Frage nach seiner Bereitschaft. Sollte er hier sofort dichtmachen, ist es schon eine große Herausforderung. Dann bliebe fast nur noch eine Paartherapie, doch erscheint mir das auch eher unrealistisch, wenn Kommunikation bei euch beiden so hakt. Dann ginge es am ehesten, indem du sehr konsequent an dir arbeitest und sehr geduldig mit ihm bist.

Falls er nicht gleich abblockt, du dich aber einem direkten Gespräch (noch) nicht gewachsen fühlst, könntet ihr auch Folgendes probieren: Ihr setzt euch an einen Tisch, sodass ihr euch gut anschauen könnt. Legt euch Stift und Papier bereit. Dann beginnst du und schreibst etwas auf, was dir sprachlich sonst nicht so einfach über die Lippen geht. Dann schiebst du es ihm hin, er liest es in Ruhe und kann dann wiederum etwas schriftlich antworten. Das ist sozusagen eine Übung, die gleichzeitig hilft, Informationen auszutauschen.
Eine Steigerung ist dann, eine Antwort mündlich zu geben, anstatt sie aufzuschreiben. Und dann wieder gesteigert, komplett mündlich zu kommunizieren. Probiert es ruhig mal aus!

Genauso mit der körperlichen Kommunikation: Beginne selbst mit liebevollen Berührungen. Einfach nur, weil es dir gefällt und du weißt, dass er es mag. Ohne die Absicht, dann selbst berührt zu werden. Bedingungsloses Geben. Frage nach, wenn du unsicher bist: "Ist das gut so?", "Fühlst es sich schön an?" --> Achte auf seine Mimik und Gestik, manchmal ist es nur ein unscheinbares Nicken, was maximales Wohlsein anzeigt. Ermutige ihn, JA zu sagen, gerne spielerisch, neckend.
Und wenn du das Bedürfnis nach seiner körperlichen Zuwendung hast: Führe seine Hand, lege sie auf die Stellen, die du angenehm findest. Das kann es dir erleichtern, es auszusprechen: "Bitte kraule mich hier."

Wie schon geschrieben, ist es auch eine Übungssache. Erleichtert wird es durch möglichst angenehme Rahmenbedingungen:
- viel Zeit und Entspannungsmöglichkeiten (ruhige Musik, Spiel, Sport, Massage, auf eine Wiese legen, gärtnern...)
- keine Ablenkungen durch Medien, andere Leute, sachliche Themen
- Grundbedürfnisse befriedigen (wer z.B. hungrig ist, kann sich schlechter konzentrieren)
- gemeinsame Hobbys pflegen, die Kooperation und Nähe fördern
- Räume gut lüften, störende Gegenstände entfernen, Alltagszeug wegpacken

Ich gebe dir mal ein paar Beispiele für Dinge, die du sagen kannst:
"Ich freue mich sehr, wenn du mich kraulst. Das kannst du sehr gerne immer wieder tun."
"Ich genieße deine Nähe sehr."
"Ich finde, dass...", "Ich würde gerne,...", "Ich will heute nicht,..."
"Wenn ich genervt von der Arbeit bin, brauche ich zunächst einmal X, um mich zu entspannen."
"Nein, das gefällt mir nicht."
"Sonst gerne, momentan ist es mir zuviel."
"Du kannst mir jederzeit sagen, wenn du etwas brauchst oder dich etwas stört."
"Ich wünsche mir, dass du dich an Abmachungen hältst, (weil ich mich nicht vergessen fühlen möchte)."

Der Clou bei all diesen Wünschen und Äußerungen ist eben, dass sie erwartungsfrei gestellt werden sollten. Du kannst eben NICHT erwarten, dass dein Freund immer daran denkt, was er dir gesagt hatte. Du beziehst es aber sehr auf dich und fühlst dich dann minderwertig. Ein angeknackster Selbstwert.
Du wirst am ehesten zufrieden und ausgeglichen in menschlichen Beziehungen sein, wenn du insbesondere für dein persönliches Wohlbefinden sorgst und nicht alles davon abhängig machst, was andere Menschen tun oder nicht tun. Ja, es ist auch mal frustrierend, vergessen oder übersehen zu werden. Versuche, dann deine Gefühle zu spüren, anzunehmen und zu analysieren. Lasse es zu, traurig zu sein. Es geht vorbei, dann hast du deine trauer erfolgreich verarbeitet, indem du mitten durch sie hindurchgegangen bist. Dann hast du wieder Platz für andere Gedanken und Gefühle.

Lerne auch, verschiedene Blickwinkel einzunehmen. Dein Partner hat vielleicht mal viel Stress und denkt deswegen nicht an ein flüchtiges Versprechen, das ist zumindest ein profanes Alltagsbeispiel.

Dein Umgang damit ist entscheidend! Je mehr du lernst, dich selbst permanent anzunehmen und zu respektieren, desto mehr wird es auch dein Freund tun. Davon gehe ich fest aus! Und dann ist es überhaupt nicht schlimm, wenn du mal sehr energisch deine Ansicht vertrittst - dann bist du ganz du und kannst entsprechend respektiert werden. Also: Keine Angst vor Auseinandersetzungen! Die Angst ist viel giftiger, als sich mal zu streiten oder etwas zu sagen, was nicht hundertprozentig astrein war. Auf das Gesamte kommt es an! Und das bitte ohne Angst und Zensur. Dann kann sich eure Liebe vertiefen und ihr euch menschlich immer mehr entfalten.

Hier kann ich dir u.a. die Videos von Robert Betz und Martin Uhlemann ans Herz legen, z.B. diese beiden:
- https://www.youtube.com/watch?v=CrD5pndEHME&list=PLh18Aobik-bZa97bwoR1BHdMoE_CXgxdy
- https://www.youtube.com/watch?v=NodP1s-sqjY
Außerdem zu Kommunikation bei Paaren:
- https://zeitzuleben.de/mein-partner-redet-nicht-mit-mir/
- https://www.janiisa.com/thoughts/wie-selbstliebe-dein-liebesleben-beeinflusst/
Und aus dem Kuka-Archiv:
- https://mein-kummerkasten.de/108722/Ich-kann-nicht-offen-zu-meinem-Partner-sein.html
- https://mein-kummerkasten.de/159420/Ich-glaube-nicht-an-mich.html

Ich habe jetzt viel geschrieben und hoffe sehr, dass ich dir damit weiterhelfen konnte. Falls du noch ein Anliegen hast, kannst du uns natürlich wieder schreiben.

In diesem Sinne: Mach dich auf, springe und werde frei! :)

Alles Liebe!
Nuala