Problem von Sophie - 17 Jahre

Ich weiß nicht mehr weiter

Hallo!
Ich hab in meinem bisherigen Leben ziemlich viel Mist erlebt und dementsprechend schlecht geht es mir mittlerweile damit. Seit ich denken kann, werde ich von meiner Mama physisch und psychisch missbraucht. Ich weiß nicht wie oft es vorkam, dass ich nicht einmal mehr im Bett liegen konnte, weil alles wehgetan hat. Sie hat mich an meinen Haaren durch die Wohnung gezerrt, meinen Kopf gegen Wände, Türe und Schränke geschleudert und so lange auf mich eingetreten (vor allem auf meinen Kopf), bis ich kraftlos auf dem Boden lag. Sie hat mir schon im Kindergartenalter zu verstehen gegeben, dass ich wertlos bin und wie sehr sie mich hasst. Sätze wie "Halt deinen dreckigen Mund du Miststück, oder es knallt", "Hör auf zu heulen, oder ich geb dir einen Grund zum heulen" und "Geh mir aus den Augen, ich will dich nicht mehr sehen du dreckige Göre" waren für mich nie etwas erschreckendes. Nachdem sie mich so sehr geschlagen hat, dass ich nicht einmal mehr laufen (geschweigedenn sitzen) konnte, hat sie mir einen Waschlappen zum Kühlen in mein Zimmer geworfen und ich konnte jedes Mal nur daran denken, dass ihr ihr nicht böse sein darf, weil sie mir ja etwas zum Kühlen gegeben hat. Sie hat mich immer für alles verantwortlich gemacht. Ich war Schuld wenn eine ihrer unzähligen Beziehungen in die Brüche ging, weil ich ja das schlimme Kind war und wenn irgenwas in ihrem Leben nicht so lief wie sie es wollte, hat sie mich dafür bestraft.
Ich habe ihr Verhalten nie in Frage gestellt. Für mich war das schlichtweg normal. Ich habe ziemlich früh gelernt, dass ich für meine Worte, Gefühle und Tränen bestraft werde und so habe ich mich immer mehr zurückgezogen. Als ich 7 war und in der Grundschule eine gute Freundin kennengelernt habe, war ich die meiste Zeit bei ihr und ihrer Familie zuhause. Ziemlich schnell hat ihr Papa komische Andeutungen mir gegenüber gemacht, aber weil ich gelernt habe, dass ich still sein muss, habe ich nie etwas gesagt. Ich weiß nicht wie weit er damals gegangen ist, ich kann mich nur an viele einzelne Ausschnitte erinnern und an die Situation, in der er nackt vor mir stand, mich hochgehoben hat und mich berührt hat. Seine Finger waren an Stellen, die ich nicht weiter erläutern kann. An diesem Tag hat er mich zu Dingen gezwungen, die ich überhaupt nicht verstanden habe. Das ging noch 3 Jahre so weiter. Ich hab mich nie gewehrt, vielleicht gebe ich mir deswegen auch so sehr die Schuld für alles. Er hat gesagt, dass das alle Männer tun und dass das normal ist. Ich muss nur meinen Mund halten, weil man uns sonst trennt. Dieser Mann war meine Familie und auch wenn er mir jahrelang so wehgetan hat, habe ich ihn noch immer gern. Als ich 10 war, ist er aufgeflogen. Ich musste vor Gericht aussagen, habe für ihn gelogen und ihn beschützt. Es hat nie jemand mit mir darüber geredet, meine Mama hat mich weder zu einem Psychologen, noch zu sonst jemanden geschickt und so habe ich das jahrelang verdrängt. Erst als ich mit 14 die Unterlagen vom Gericht gefunden habe, ist die Erinnerung teilweise wieder zurückgekommen. Jetzt bin ich 17 und mir wird so langsam bewusst, wie verkorkst mein bisheriges Leben war. Ich lebe noch immer bei meiner Mama und inzwischen ist sie dazu übergegangen meinen kleinen Bruder zu schlagen (er ist 3), mich beschimpft sie nur noch. Ich weiß dass ich ihm helfen muss, ich weiß nur nicht wie. Er ist alles und ich habe so Angst, dass ich ihn nie mehr sehen darf, wenn ich meine Mama verrate. Das Jugendamt ist, glaube ich, keine Option; ich habe viel zu sehr Angst vor ihr. Eine Therapie ist momentan auch nicht möglich, da ich in einer kleinen Stadt wohne, in der es keinen Psychologen/Therapeuten gibt. In die nächstgrößere Stadt muss man mit dem Auto fahren und das funktioniert nicht, weil es keiner mitbekommen darf. Im Grunde fühlt es sich immer noch so an, als wäre alles meine Schuld. Es kommt mir so unwahrscheinlich vor, gleich von zwei Menschen so verletzt und behandelt zu werden, dass es mir so vorkommt, als wäre etwas an mir, das die Menschen zu solchen Taten veranlasst. Ich bin einfach nur noch verzweifelt und leer.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Sophie!

Deine Mutter ist äußerst gewalttätig und hat dich nachhaltig geschädigt. Bitte verhindere, dass dein kleiner Bruder weiterhin dieser Tortur ausgesetzt ist, indem du dir ganz schnell Erwachsene in deiner direkten Nähe suchst und mit diesen gemeinsam zur Polizei gehst. Du kannst einen vertrauensvollen Nachbarn, Eltern von einer Freundin, eine Lehrerin, Sozialarbeiter etc. sein. Außerdem kannst du den örtlichen Frauennotruf wählen, denn es gibt an in vielen Städten solche Ansprechpersonen für misshandelte Kinder und Frauen. Bitte zögere nicht länger, nimm deinen gesamten Mut zusammen und tue diesen Schritt. Es ist der einzig Richtige. Alles Andere verlängert euer Leid nur unnötig und schafft weitere Probleme.
Auch das Jugendamt muss informiert werden. Daran führt kein Weg vorbei!

Wegen deiner Angst: Es gibt Frauenhäuser, die speziell für solche Situationen ins Leben gerufen wurden. Auch bei Freund:innen kannst du bestimmt untertauchen. Bitte schaue auch hier hinein, da findest du weitere Unterstützungangebote: https://weisser-ring.de/ Sie können dir per Telefon und vor Ort helfen, deine Angst zu überwinden und dir einen vorübergehenden Schlafplatz zu organisieren. Da du schon 17 bist, hast du einige Möglichkeiten, du musst also nicht befürchten, wieder bei deiner Mutter zu landen. Es geht vielmehr darum, dass du es dir zutraust und dich nicht von deiner Angst lähmen lässt!

Für dich ganz persönlich wäre es ganz toll, wenn du dir alles einmal bei einer Fachkraft von der Seele sprechen könntest, am besten im Rahmen einer längeren Begleitung, z.B. einer Psychotherapie. Lies bitte hier nach: https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html

Zusammengefasst lautet mein dringender Appell an dich: Nimm die Beine in die Hand und LAUF!

Du kannst dich immer bei uns melden. Wir werden versuchen, dann rasch zu antworten, wenn ich sehe, dass du wieder geschrieben hast.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft, Durchhaltevermögen und Mut!

Alles Gute!
Nuala