Problem von Alex - 20 Jahre

Ich bin überfordert und habe das Gefühl, dass mich keiner versteht.

Hallo liebes Kummerkasten-Team. Ich habe mich schon öfters bei euch gemeldet und eure Antworten haben mir bisher oft geholfen oder Kraft gegeben.

Ich weiß nicht genau, wo ich anfangen soll. Ich bin diese Sommer mit meiner Ausbildung fertig geworden und bin seit letzter Woche am arbeiten. Ich habe mich bei einer Zeitartbeitsfirma beworben, da ich von anderen Betrieben in meinem Bereich nur Absagen bekommen habe und ich übergangsmäßig dort arbeiten will, aber trotzdem weiterhin nach Stellenanzeigen Ausschau halte. Und da beginnt schon das erste Problem. Ich hatte Montag meinen ersten Arbeitstag und habe auf dem Weg zur Arbeit bekam ich starke Bauchschmerzen. Beim Arzt stellte sich dann heraus, dass ich einen Magendarm-Infekt habe. War dann die ganze Woche verhindert und wurde vermehrt gefragt, ob es vielleicht einfach nur die Aufregung gewesen sei. Nun ist eine Woche vergangen, ich habe zwei Tage gearbeitet(Freitag und darauf die Woche den Montag) und bin schon wieder krank geworden. Mittelohrenentzündung. Hatte mich am zweiten Tag quasi hingequält, obwohl es mir nicht gut ging. Ich hatte Schwierigkeiten mit dem Sprechen und war sehr schlapp. Hab mich jetzt am nächsten Tag wieder krank schreiben lassen und bin bis Freitag krank geschrieben. Musste also bei der Zeitarbeitsfirma ( in dem Fall mein Arbeitgeber) und dem Betrieb Bescheid sagen. Beide waren sehr genervt und haben mir nicht mal eine gute Besserung gewünscht. Ich habe so ein schlechtes Gewissen und andererseits kann ich nicht verstehen, warum einfach darüber hinweggeschaut wird, wenn sich jemand zur Arbeit quält? Es ist sehr blöd gelaufen und es tut mir auch unheimich leid, dass ich die ersten zwei Wochen nicht richtig gearbeitet habe, aber man kann es nun mal nicht ändern. Vorhin hat mich die Zeitarbeitsfirma nochmal angerufen und ich bekomme das Gefühl nicht los, dass sie mich nicht ernst nehmen. Muss also aufgrund meines schlechten Gewissens morgen arbeiten obwohl ich krank geschrieben bin. Und das nur, weil mir am Telefon gesagt wurde:"Ich hatte sie jetzt aber schon für morgen eingeplant und wir bekommen keinen Ersatz mehr." Ich fühle mich einfach so missverstanden und habe das Gefühl, dass man mir nicht wirklich zuhört. Ich muss Dinge oft mehrmals erklären, damit man mich überhaupt versteht. Oder es entstehen schnell Missverständnisse. Das ist im Allgemeinen oft der Fall.

Abgesehen davon habe ich massive Zukunftsängste und die Sorge, dass ich mit mehr Verantwortung überhaupt nicht klarkomme. Seit ich angefangen habe zu arbeiten, werde ich mit Briefen von allen Seiten bombardiert. Hier wird meine Unterschrift benötigt, diese Dokumente sind erforderlich und müssen rechtzeitig eingereicht werden, mich überfordert das. Ich besitze nur wenig Selbstbewusstsein und wenn ich jemandem meine Probleme erzähle und nicht ernst genommen werde, frage ich mich manchmal, ob mit mir etwas nicht stimmt. Genau so ist es aber auch passiert, dass ich mich vermeintlichen Freunden gegenüber geöffnet und ihnen von meinen Problemen erzählt habe und sie sich wortlos abgewandt haben.

Freunde habe ich nicht wirklich, das geht schon seit meiner Pubertät so. Ich hatte wenige Schulfreunde, auch in meiner Ausbildung, aber wirklich zuverlässig und vertrauensvoll war niemand. Aber gut genug bin ich immer gewesen, um mir stundenlang die Probleme Anderer anzuhören. Das hat irgendwann dazu geführt, dass es mir immer schwerer fiel, auf andere Menschen zuzugehen und überhaupt ein Gespräch mit ihnen anzufangen. Es gehört für mich mittlerweile zum Alltag allein zu sein und oft brauche ich es um abzuschalten. Aber diese Zeiten ziehen sich ins endlose und es scheint kein Ende in Sicht.

Ich bin ein sehr sensibler Mensch und werde schnell emotional, weswegen ich mir oft über alles mögliche den Kopf zerbreche und anfange zu weinen. Aber auch bei meiner Familie finde ich kein Verständnis oder es wird nur verglichen, nach dem Motto:"Ich habe mich damals auch nicht so angestellt wie du oder mir so viele Gedanken gemacht."

Ich hoffe, dass ich nicht zu durcheinander geschrieben habe. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Liebe Grüße

Anwort von Miriam

Hallo Liebe Alex,

Erstmal Herzlichen Glückwunsch nachträglich zu deiner bestandenen Ausbildung. Das ist schon mal etwas, worauf du stolz sein kannst! Es tut mir sehr leid, dass wir deine Nachricht erst jetzt beantworten und ich hoffe, deine Situation hat sich in den letzten Wochen nicht noch verschlechtert. Auch hoffe ich natürlich, dass du wieder fit geworden bist und jetzt mittlerweile wieder normal arbeiten kannst.

Ich kenne dieses Gefühl sehr gut. Man setzt sich selbst so unter Druck, fit zu sein damit man arbeiten kann und dieser Druck führt dann wiederum dazu, dass das Immunsystem wieder schlapp macht. Das ist ärgerlich, sollte aber eigentlich kein Grund dafür sein, sich damit so emotional auseinanderzusetzen. Arbeitsbeziehungen sind rein professioneller Natur und in unserem Gesellschaftssystem sollte man sich eigentlich keine Sorgen machen müssen, wenn man sich krank meldet. Natürlich wünscht man sich da Verständnis. Wenn dies aber nicht kommt, sollte das nicht zu deiner Baustelle werden. Vor allem dann nicht, wenn du sowieso nur vor hast, übergangsweise dort zu arbeiten.

Was mir generell aufgefallen ist, ist dass sich deine Nachricht sehr geknickt und hoffnungslos liest. Mit dem "Erwachsen-sein" überfordert zu sein ist prinzipiell nicht weiter schlimm, denn man "wächst" da auch ein bisschen rein, gerade was Formulare etc. betrifft. Es entstehen ja meistens auch keine wirklich schlimmen Konsequenzen, wenn man mal eine Unterschrift nicht fristgerecht einreicht. So etwas passiert wahrscheinlich jeden Tag bei Ämtern oder Ähnlichem viel häufiger als man denkt. Aber es scheint dich persönlich sehr herunterzuziehen und das ist dann eine Situation, die ja auf Dauer nicht so weiter gehen kann. Es geht wahrscheinlich im Kern um die Frage, wie du etwas mehr Selbstbewusstsein bekommen kannst. Ich glaube, dass es hilft, wenn man sich selbst ein bisschen näher kennen lernt, sich also "selbst bewusst wird". Frage dich, wer du bist, was deine Präferenzen, deine Stärken und deine Schwächen sind. Wenn nötig, schreib es auf und gestehe dir auch mal wirklich positive Eigenschaften zu, die du an dir wirklich schätzt, denn Selbstliebe ist auch ein essentieller Schritt zu selbstbewussterem Auftreten. Und dann frage dich, was der schlimmste Ausgang deiner Situation sein kann und welche Konsequenzen es hätte, wenn jetzt zum Beispiel das mit deiner Arbeit nicht besser wird.

Natürlich klingt das jetzt alles so leicht dahingesagt. Ich kann auch nicht einschätzen, wie "schlimm" dich die ganze Situation tatsächlich mitgenommen hat. Deshalb kann es auch sein, dass sich das Selbstbewusstsein nur durch Hilfe von außen wieder aufbauen lässt. Du solltest auch die Frage in Betracht ziehen, ob dein schwaches Immunsystem vielleicht auch damit zusammenhängt, dass dir die Verantwortung durch den neuen Job und das Erwachsen-Sein psychologisch sehr zusetzt, und du körperlich, also psychosomatisch, darauf reagierst. Auch deine Zukunftsängste scheinen mir ein Indiz für eine solche Möglichkeit zu sein. Diese Frage kann ich dir von Weitem nicht beantworten, aber du kannst dir darüber Gedanken machen und dir notfalls einen Hausarzt deines Vertrauens dafür zu Rate ziehen, vor allem dann, wenn das nun häufiger vorkommt. Ein Arzt könnte dir dann bei weiteren Schritten helfen, die Probleme langfristig zu lösen.

Mir tut das sehr leid, zu hören, dass du nur wenige zuverlässige Freunde hast und auch deine Familie dich scheinbar nicht wirklich ernst nimmt.
Mich wundert es auch, dass die Menschen dich nicht verstehen, denn wenn du so schreibst, scheint mir dein Text sehr strukturiert und gut verständlich formuliert zu sein. Mir geht es auch oft so, dass wenn ich Probleme aufschreibe, sie mir dann klarer werden und meine Gedanken nicht mehr ganz so wirr sind. Vielleicht ist das generell eine Methode für dich, Probleme aufzuschreiben, bevor du mit jemandem darüber sprichst? Mir hilft es jedenfalls immer sehr.

Ich hoffe du kannst mit meiner Nachricht ein bisschen etwas anfangen und bekommst etwas Struktur in die Probleme hinein, um sie dann systematisch lösen zu können.
Schreib mir gerne zurück, wenn sich die Situation verschlimmert und wir suchen noch einmal gemeinsam nach dem richtigen Weg für dich.

Alles Liebe

Miriam