Anwort von Nuala

Lieber David!

Deine Zeilen rühren mich sehr. Ich leide sozusagen mit dir. Und was bedeutet das? Dass ich bei dir bin - auch wenn ich nicht neben dir sitzen kann. Aber auf anderer Ebene bin ich gerne für dich da.
Und weißt du was? Du kannst das auch. Nicht nur bei anderen Menschen, die du gerne hast. Sondern ganz besonders bei dir. Nimm dich einmal in den Arm, entweder gefühlt oder ganz echt. Du bist nicht der "fette Körper", sondern ein Mensch mit vielen tollen Eigenschaften.
Deine gewählte Überschrift lautet "Ich bin fett und habe kein Selbstbewusstsein". Streiche jetzt das "fett" weg - dann sind wir schon ganz nahe an der Lösung. Du hast kein Selbstbewusstsein. Und das macht, dass du dich so unendlich miserabel fühlst. Denn eigentlich ist es vollkommen schnurzpiepegal, wie dein Körper aussieht. Es ist doch letztlich nur eine Hülle. Natürlich sollte man seinen Körper gut behandeln, indem man sich viel Schlaf gönnt, gesund isst und trinkt, sich genug bewegt, keine Drogen konsumiert etc. Doch wenn du dich eigentlich total okay findest, wie du bist und deinen Körper gut behandelst, wäre es wirklich nebensächlich, ob du fett bist oder nicht.
Die große Frage ist, ob du einfach so bist, oder ob du durch dein seelisches Unglück sehr dick geworden bist. Durch Essen aus Langeweile und Frust beispielsweise. Da lässt sich nämlich ganz viel ändern! Auch Bewegung hilft deinem Körper, deinem Geist und deiner Psyche. Es muss kein krasser Sport sein; allein schon Spazierengehen bringt ganz viel.
Wenn du schon weißt, dass du eine ernstzunehmende Adipositas hast, hast du vermutlich schon ärztlich darauf schauen lassen. Hier ist meine Empfehlung: Lasse dich bitte beraten, was du konkret tun kannst. Es gibt ja spezielle Kliniken für Kinder und Jugendliche, die stark übergewichtig sind. Ich könnte mir vorstellen, dass dir dies helfen würde. Lies gerne hier weiter: https://www.kurkliniken.de/blog/adipositas-therapie-bei-kindern.html und am besten überzeugst du deine Mutter, dass du dorthin gehen solltest!

Zurück zu meinen ersten Aussagen - wenn du wieder mehr "in dir zuhause bist", sodass du sagen kannst: Ich bin okay so wie ich bin, ein paar Pfunde rauf oder runter, hast du den offensichtlichsten Brocken auf deinem Weg beseitigt. Doch dahinter lauert ja immer noch das mangelnde Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Und das ist auch viel Arbeit. Doch eine sehr gewinnbringende! Ich verlinke dir unten viele andere Zuschriften und Internetseiten. Da kannst du viel mit üben, dein positives Gefühl für dich aufzubauen.

Ich kann dir nur so viel sagen: Du hast viele Dinge an dir, die andere Menschen mögen können. Nur musst du dich auch trauen, dich so zu zeigen, wie du "gemacht" wurdest. Nur so kannst du Akzeptanz und Respekt erhalten.
Es ist aber auch echt wichtig, dein Misstrauen abzulegen. Solange du deiner Umwelt unterstellst, sie würden dich nur auslachen und ausnutzen, wird genau das eintreten. Weil du es sozusagen so "bestellt" hast. Versuche einfach mal, jeden Tag das Schöne zu entdecken. Auch wenn es dir klein vorkommt - je mehr du dich auf erfreuliche Sachen beziehst, wirst du immer mehr davon entdecken. Und auch deine Mitschüler:innen werden bemerken, dass du natürlicher und zugewandter wirst. Das dauert zugegebenermaßen, doch erste positive Effekte stellen sich bestimmt rasch ein.

Falls du kein Klassensprecher sein möchtest: Stehe dazu und gib den Posten ab.
Wenn es dir Spaß bereitet, dann genieße es und mache dich darin groß! Denn natürlich kannst du Klassensprecher sein. Es kommt ja entscheidend darauf an, ob du Lust darauf hast und geeignet dafür bist. Mit deinem Aussehen und deinem Leben hat das rein gar nichts zutun!

Zum Thema Mutter: Höre auf, von hassen zu reden und zu denken. Übe dich in Zuneigung. Du wirst merken, dass sie es dann viel eher erwidern wird, als wenn du mit ihr in extreme Streitereien verwickelt bist. Sicher - du darfst deine Meinung sagen und deine Grenzen schützen. Doch das WIE ist entscheidend. Wie sagt man: Der Ton macht die Musik! Übrigens kannst du deiner Mutter auch einen Brief schreiben.
Mein spezieller Tipp, um mehr rauszukommen, für Bewegung zu sorgen und mit ihr etwas zu unternehmen: Geht gemeinsam spazieren, macht etwas Besonders, z.B. in einen Freizeitpark gehen. Frag sie einfach mal, und wenn sie Nein sagt, dann frage nach! Lass nicht locker! Bleibe dabei freundlich und vertrete deine Interessen. Dann fühlt sie sich nicht so angegriffen.

Falls sie kein bisschen auf deine Anliegen eingehen sollte, wäre es toll, wenn du deinen Vater ins Boot holen würdest. Außerdem können dir auch andere Personen helfen, z.B. jemand aus deiner Verwandtschaft, Eltern von Freund:innen, Klassenlehrer:in, etc.

Konkret zum Thema Freund:innen treffen: Das fände ich sehr gut, wenn sich da etwas ändern würde. Denn du brauchst diese sozialen Kontakte. Und das Argument mit den 17 Minuten ist lächerlich (bitte sage ihr das aber nicht so, das sage ich jetzt sozusagen unter uns). Versuche, noch einmal in Ruhe mit ihr darüber zu sprechen und Lösungen zu finden. Vielleicht lässt sie sich auf Kompromisse ein, z.B. dass du direkt nach der Schule mal mit jemandem mitgehen kannst oder von daheim abgeholt wirst. Außerdem können ja auch Leute zu dir kommen!
Neben diesen schon bestehenden Leuten wäre es spitze, wenn du weitere Jungs und Mädels kennenlernen würdest. Sprich bitte mit deiner Mutter, dass du gerne mehr rausgehen möchtest - es gibt z.B. Jugendtreffs, Vereine, Sportangebote etc., wo du teilnehmen könntest.
Vielleicht hast du auch Lust auf eine Brief - oder Mailfreundschaft? Dann schau dich doch einmal im Internet um, es gibt auch einige in deinem Alter, denen du schreiben kannst! https://www.brieffreunde.de/

Hier meine Tipps in Kurzform:
* Verinnerliche, dass du großartig bist! Immer und überall!
* Schaue, was du tun kannst, um dich wohl in deinem Körper zu fühlen.
* Ändere dein Denken über dich und andere: Gehe immer vom Besten aus, dann wirst du genau das auch spüren! Ein positives Denken macht positive Gefühle!
* Höre auf, sinnlose Sachen zu tun wie z.B. Tee rauchen.
* Achte auf dich und schätze dich.
* Mache ganz viel, was dir wirklich Spaß macht.
* Nimm Kurangebote wahr (Klinik, etwas von der Krankenkasse, etc.)
* Sage Nein, wenn du etwas nicht geben oder machen möchtest. Sage Ja, wenn du es von Herzen willst.
* Igele dich nicht in deinem Zimmer ein, sondern gehe so viel wie möglich raus.
* Schließe dich mit anderen Adipositas-Betroffenen zusammen.

Und noch viel Input rund um Selbstbewusstsein:
https://mein-kummerkasten.de/3110/Wo-ist-mein-selbstbewustsein.html
https://mein-kummerkasten.de/118806/Kein-Selbstbewusstsein.html
Zu Konflikt mit Mutter/Eltern:
https://mein-kummerkasten.de/331963/Ich-hasse-meine-Eltern.html
Freund:innen:
https://mein-kummerkasten.de/332048/Ich-fuehle-mich-unwohl-in-der-Schule-wegen-meiner-Freunde.html
Zu sich selbst stehen:
https://mein-kummerkasten.de/331720/Ich-kann-nicht-ich-selbst-sein.html
Und zu Körper & Selbsthass:
https://mein-kummerkasten.de/331966/Mein-selbsthass-wird-immer-schlimmer.html
https://mein-kummerkasten.de/268113/Ich-kann-nicht-mehr.html


Ich hoffe sehr, dass du bald in Ruhe mit deiner Mutter reden kannst und sich nach und nach viele Dinge zum Guten wenden.
Gib dich bitte nicht auf! Glaube an dich und daran, dass du das Allerbeste verdient hast.

Du kannst dich immer bei uns melden, wir lesen uns gerne durch, was du zu berichten hast und versuchen, dir Hilfestellung zu geben.

Alles Liebe und fühl' gedrückt!
Nuala