Problem von Lukas - 35 Jahre

Ich habe mit meinem besten Freund geschlafen

Hallo! Ich habe dieses Problem hier vor einem Monat schon einmal geschildert, es wurde aber nicht beantwortet und hier steht ja auch, dass unbeantwortete Probleme nach einem Monat automatisch gelöscht werden. Deshalb schreibe ich es jetzt einfach nochmal und schreibe noch dazu, was sich da inzwischen so getan hat.

Mein bester Freund und ich haben uns vor 17 Jahren durch einen ehemaligen, sehr guten Freund von uns beiden kennengelernt. Wir hatten nie irgendwelche Probleme miteinander. Wenn wir uns dann mal gestritten haben, dann konnten wir das nach einer sehr kurzen Zeit wieder klären. Wir haben denselben Freundeskreis, in dem es auch nie wirklich Probleme gab. Wir sind wie "Geschwister". Ich bin 35 und er ist 33, wir sind beide eigentlich hetero - und männlich.

Vor 2 Monaten waren wir mit ein paar Freunden in einer Kneipe, sowie fast jedes Wochenende. Danach haben wir uns von ihnen verabschiedet und sind noch (alleine) zu ihm. Wir waren zwar schon etwas angetrunken, haben dann aber noch mehr getrunken. Im Hintergrund lief ein Film, auf den wir gar nicht wirklich geachtet haben. Als wir dann doch mal hingeschaut haben, küsste sich dort gerade jemand. Betrunken wie wir waren, fingen wir an, einfach aus Spaß miteinander rumzumachen. Und ehe wir uns versahen lagen wir entkleidet auf seinem Sofa und hatten Sex, - aber nicht lange, da er nach ein paar Minuten nicht mehr wollte.

Und seitdem ist es nicht mehr dasselbe zwischen uns. Er verhält sich seltsam, winkt aber alles ab und meint, dass alles in Ordnung sei. Mir tut es irgendwie leid, was da passiert ist, da das eher von mir aus ging - Ich habe angefangen, ihn zu küssen, ich habe angefangen, weiter zu gehen. Aber ich weiß nicht wirklich, was ich jetzt tun soll. Hat das Ganze unsere Freundschaft mehr oder weniger kaputt gemacht? Natürlich kann ich sein Verhalten irgendwo nachvollziehen, aber wird es jetzt für immer so bleiben? In den letzten Wochen, seitdem ich das hier das erste Mal abgeschickt habe, hat es sich kein Stück verbessert, sondern eher verschlechtert. Wenn ich versuche, mit ihm darüber zu reden, dann wechselt er immer noch das Thema. Mittlerweile geht er mir ständig aus dem Weg. Richtige Gespräche, egal worüber, sind kaum noch möglich - nicht einmal am Telefon oder in Form von Nachrichten auf WhatsApp usw. Mit in die Kneipe (oder mit an andere Orte, die wir mit Freunden besuchen) möchte er auch nicht mehr. Einer von unseren Freunden, mit denen wir da sonst immer hingehen, hat letzte Woche gesagt, dass er tatsächlich gesagt hat, dass wenn ich mitkomme, dann möchte er nicht mehr mit. Meine Frage vom letzten Monat, ob er vielleicht Abstand will, hat sich damit wohl von selbst beantwortet. War/bin ich vielleicht auch zu aufdringlich?

Bin ich jetzt bi-, oder gar homosexuell? Homosexuelle Fantasien hatten wir beide vorher nicht, genauso wenig wie homosexuelle Erfahrungen, zumindest ich nicht, und bei ihm gehe ich auch davon aus, dass es nicht der Fall ist. Gefühle sind hier wie gesagt nicht im Spiel.

Erfahren hat davon keiner, nur wir beide wissen es.

Danke schon einmal im Voraus.

LG

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Lukas!

Wie schade, dass ein ursprünglich so ungezwungener Abend solche Konsequenzen für euch nach sich gezogen hat. Es ist ein häufiges Phänomen, dass sich Personen in Freund:innenschaften zurückziehen und schweigen, nachdem es körperliche Annäherungen gegeben hatte.
Dass ihr miteinander intim wurdet, sagt ersteinmal rein gar nichts über eure sexuellen Vorlieben aus. Man kann sich hetero fühlen und trotzdem manchmal homosexuelle Impulse und Bedürfnisse haben, umgekehrt natürlich auch. Die Grenzen sind da nicht so starr, wie es oft suggeriert wird. Sexualität ist etwas sehr Schillerndes, das man ruhig auch so bunt ausleben darf. Ich finde, du kannst dir jederzeit zugestehen, mit Männern etwas zu haben - es ist eigentlich total unwichtig. Es zählt ja der Mensch und nicht das Geschlecht. Also lass dich nicht verunsichern, sondern lebe so, wie es dir gefällt. Ob das mal einen Flirt oder Sex mit einem Mann beinhaltet oder es nie wieder geschieht, ist also nebensächlich. Sieh deine Erfahrung als eine Erweiterung deines Horizontes an, an der du dich erfreuen kannst.

Nun zu eurem Konflikt: Eigentlich ist das Problem nicht, dass ihr euch geküsst und kurz Sex hattet. Denn das kann man ja bei Nicht-Gefallen sofort unterbinden. Man kann auch im Anschluss daran reflektieren, wie es einem damit erging, ob man ambivalent ist, ob man es wiederholen möchte etc.
Dein Freund hat zunächst mitgemacht, was bedeuten könnte, dass er es nicht sooo blöd fand. Vielleicht. Hier wäre eine ehrliche Auskunft seinerseits so wichtig und auch fair für dich! Freundschaften gehen kaputt, wenn man nicht komplett ehrlich zueinander ist. Es kann immer etwas passieren, was unangenehm, peinlich bzw. ein zuviel oder ein zu wenig in irgend einer Form war. Doch dafür hat man viele sprachliche Mittel, um solche Themen aus der Welt zu schaffen. Darum glaube ich , der Knackpunkt ist nicht, dass ihr euch sexuell ausprobiert habt, sondern dass er kein bisschen bereit ist, über euer Erlebnis zu sprechen, was sehr schade ist. Denn eigentlich könntet ihr beide daran wachsen und eure Freundschaft sogar noch vertiefen. Immerhin habt ihr euch sehr nahe erlebt und ein besonderes Geheimnis miteinander. Dein Freund scheint damit tragischerweise nicht recht umgehen zu können. Er kann möglicherweise von der Angst getrieben sein, schwul zu sein - leider ist diese Angst noch sehr verbreitet. Denn wenn du schon verunsichert bist, dann kann er das ja ebenfalls sein!
Und wer weiß, was noch alles dahinterstecken könnte. Es kann ja durchaus sein, dass er auf Männer steht und es bisher noch nicht zugelassen hat, sich dazu zu bekennen. Verdrängung und Verleugnung kommen ja immer wieder vor, gerade in den Bereichen Sexualität und Identität.

Manchmal werden in Situationen durch bestimmte Auslöser (wie z.B. Düfte, Geräusche, Berührungen) die schrecklichsten Erinnerungen hervorgerufen, was von außen gar nicht von den Anwesenden bemerkt werden muss. Deshalb finde ich es total wichtig, dass du dich selbst vom Schuldigsein freisprichst. Ihr habt beide Alkohol getrunken und wart in gelöster Stimmung. Außerdem habt ihr euch vertraut. Da ist es eigentlich total schön, mal etwas Neues auszuprobieren, auch sexuell. Das Wichtige sollte ja die Kommunikation dabei sein bzw. das Grenzensetzen. Alkohol ist bei diesen "Spielregeln" zwar eher kontraproduktiv, doch hast du dir ja streng genommen nichts zuschulden kommen lassen. Du hast die Initiative ergriffen, was ja von ihm anscheinend ersteinmal zum Mitmachen geführt hat. Also brauchst du dich nicht mies fühlen. Mies ist die Angst oder das, was jetzt als blödes Gefühl bei deinem Freund vorhanden ist. Und mies ist, dass er mauert und sich somit nicht nur dir als Freund, sondern auch der Bewältigung seiner Gefühle verweigert. Damit meine ich aber nicht, dass er schuld ist. Sondern dass es sehr traurig ist, wenn Menschen wie gelähmt sind und lieber ausweichen, als etwas anzupacken. Ich gehe sogar so weit, dass eigentlich er es ist, der gerade dafür sorgt, dass ihr euch freundschaftlich voneinander entfernt - auch wenn er es nicht böswillig macht. Durch seine Verweigerung kann etwas Wundervolles zerbrechen.

Ich kann auch verstehen, dass du schon mehrere Anläufe unternommen hast, mit ihm Kontakt aufzubauen bzw. mit ihm über alles zu reden. Dass du dich dabei hilflos fühlst, kann ich ebenfalls nachempfinden. Bedauerlicherweise wird dir erstmal nichts übrigbleiben, als dich zurückzunehmen. Du kannst ihm zunächst einige Wochen Zeit geben und dann vielleicht nochmal einen Anlauf starten, indem du ihm z.B. einen Brief schreibst. Darin könnte stehen, dass es dir leid tut, dass er sich nun offenbar so blöd fühlt und du an dem Fortbestehen der Freundschaft sehr interessiert bist. Du könntest darin auch offen thematisieren, dass du nicht auf ihn stehst etc. Ich kann mir vorstellen, dass ein offenes Ansprechen der Verunsicherung und Angst bezüglich Homosexualität eine Art "Türöffner" für ihn sein könnte.
Du kannst ihn auch nach mehreren Monaten Wartezeit um ein Treffen zu zweit bitten und dann noch dem Schema vorgehen, das hier beschrieben wird: https://de.wikihow.com/Konflikte-mit-guten-Freunden-l%C3%B6sen

Eine weitere Möglichkeit wäre, eine euch beiden nahestehende dritte Person einzuweihen und als Vermittlerin einzusetzen. Dies wäre aber gut abzuwägen und zu überlegen.
Ich persönlich würde eher zur Variante mit dem Raum geben und viel Zeit Lassen tendieren, dann eben vielleicht noch der Brief bzw. der Wunsch nach einem Treffen. Du könntest dich von ihm mit einer kurzen Nachricht verabschieden, dass du dich vorerst zurückziehst, um ihm die Möglichkeit zu geben, über eure freundschaftliche Zukunft nachzudenken. Dabei kannst du ihm signalisieren, dass du ihn weder bedrängen noch unter Druck setzen willst. Und dass du jederzeit für ihn ansprechbar bist, auch wenn es eine unschöne Wahrheit geben sollte.

Im Archiv des KuKa habe ich übrigens ähnliche Zuschriften zu deinem Thema entdeckt, du bist also keinesfalls allein damit:
- https://mein-kummerkasten.de/909/sex-mit-besten-freund.html
- https://mein-kummerkasten.de/6569/Sex-mit-einem-Kumpel-im-Weserstadion.html
- https://mein-kummerkasten.de/76200/Ist-er-schwul.html

Es ist hart, einen so lieben Menschen, mit dem man so innig war, vorerst ziehen lassen zu müssen. Es ist ungewiss, ob es jemals wieder so sein wird wie früher. Doch eines möchte ich dir mitgeben: Du hast dich wirklich engagiert und bewiesen, dass du konfliktfähig bist. Du kannst nicht ändern, wie jemand anderes denkt und fühlt und sich dann verhält. Doch du kannst bei dir schauen, dass es dir gut geht und du deine Mitmenschen anständig behandelst. Und so, wie du alles beschrieben hast, klingt das doch sehr angenehm.
Vielleicht ist jetzt eine Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen bzw. mit bestimmten Leuten aus deiner Clique mehr zu unternehmen als sonst. Denn wo Schatten ist, ist auch Licht.

Ich wünsche dir alles Gute!
Nuala