Problem von Kari - 27 Jahre

Ich glaube ich liebe einen Narzissten

Alles fing vor etwa 5 Jahren an. Damals war ich im Praxissemester meines Bachelor-Studiums, während er seines gerade erst begonnen hatte. Sein Vater war der Kollege meiner Mutter und bat meine Mutter, dass ich seinem Sohn helfe, da er Probleme im Studium hätte.
Meiner Mutter zuliebe kontaktierte ich diesen Sohn und begann bald darauf, ihm Nachhilfe zu geben. Zuerst war es nur ein mal die Woche, doch sehr bald war ich jeden Tag bei ihm, um ihm beim Lernen für die Prüfungen zu helfen. Zum Teil kam ich erst um 5 Uhr morgens nach hause, obwohl ich um 6 Uhr wieder aufstehen musste, da ich im Praxissemester war.
Ich hatte mich in diesen jungen Mann verliebt. Sehr verliebt. Anfangs wollte er aber nichts davon wissen, da er angeblich frisch aus einer Beziehung war und nicht sofort eine neue beginnen wollte.
Die Nachhilfe artete bald dahingehend aus, dass ich viele seiner Hausaufgaben für ihn erledigen musste und die Formelsammlungen für seine Prüfungen schreiben musste. Dementsprechend konnte ich meine eigenen Sachen wie Praxissemesterbericht und lernen für meine eigene Prüfung immer nur auf den letzten Drücker erledigen.
Und sehr oft konnte ich erst spät nachts, 3 Uhr, 4 Uhr oder 5 Uhr nach hause fahren - allein mit dem Fahrrad. Er begleitete mich nie, wollte aber, dass ich ihm schreibe, wenn ich zuhause ankäme, da er sich ja angeblich Sorgen machen würde.
So ging es mehrere Jahre bis zum Beginn meines Masterstudiums weiter. Kurz vor Semesterbeginn wurde meiner Mutter ein Hirntumor und daraufhin auch Lungenkrebs diagnostiziert.
In dieser Zeit hatte ich ein Studentenappartement gemietet, zu dem er die Zweitschlüssel hatte. Da ich jeden Tag nach den Vorlesungen noch meine Mutter im Krankenhaus besuchen und den Haushal für den Vater machen musste, war ich oft erst spät abends nach 21 Uhr wieder in meiner Wohnung, wo er schon darauf wartete, dass ich mit ihm weiter lernen würde.
Irgendwie hatte ich es selbst in dieser Zeit geschafft, noch die Semesterprojekte für ihn zu erledigen, die eigentlich er selber hätte machen müssen. Wir hatten uns oft gestritten, weil er sauer war, dass ich erst so spät wieder in meine Wohnung kam. Mein Vater war mir dagegen sauer, dass ich das Studium noch fortsetzte, anstatt für die Familie da zu sein.
Alle waren mir sauer, weil ich doch so egoistisch war und nie genug täte.
Immer wieder ging der junge Mann beleidigt weg, nur um wenige Wochen später wieder aufzutauchen, weil er wieder Hilfe brauchte.
Nach einem sehr großen Streit ging er dann irgendwann weg und es ergab sich, dass wir etwa ein ganzes Jahr lang keinen Kontakt mehr hatten.
In diesem Jahr schaffte ich es, meine Theoriesemester zu absolvieren und die Masterarbeit zu beginnen. Meine Mutter hatte sich dank Therapie und Reha ein wenig erholt und war zuhause.
So kam es dazu, dass dieser junge Mann und ich zusammenkamen. Jetzt bereue ich es, dass ich nicht auf die Alarmglocken gehört hatte. Ich mochte ihn einfach immer noch zu sehr und er war so ungewöhnlich lieb zu mir.
Er hatte ein Zimmer in einem katholischen Wohnheim und mir öfter den Schlüssel überlassen, angeblich, damit ich in Ruhe dort lernen könne.
Natürlich musste ich ihm wieder bei seinen Prüfungen helfen.
Währenddessen kam meine Mutter wieder ins Krankenhaus und ich besuchte sie wieder fast jeden Tag. Er regte sich furchtbar darüber auf, dass ich es nicht mit ihm absprechen würde, wann und wie oft ich meine Mutter besuchen würde und dass ich unmöglich bin, weil ich sowieso immer alles so mache, wie ich will. Oft hatten wir Streit, weil ich trotz seiner Tobanfälle meine Mutter weiterhin jeden Tag oder jeden zweiten Tag besuchte.
Irgendwie schaffte ich es doch, auch die mir verbleibenden zwei Prüfungen zu bestehen und den Haushalt zu machen.
Bis in den Semesterferien meine Mutter starb. Seitdem mache ich den Haushalt und den Papierkram für den Vater, der weder im Haushalt einen Finger rührt, noch genug Deutsch kann, um seine Anträge selbst zu stellen.
Nach fast zwei Jahren Beziehung fällt mir nun immer mehr auf, wie sauer ich auf meinen Partner bin.
Wenn ich etwas falsch wische, schimpft er, wo ich wischen gelernt hätte. Wenn ich die Tür falsch abschließe, schimpft er dass ich doch die Tür ziehen soll, um das Schloss nicht kaputt zu machen. Wenn ich zu einem Problem etwas vorschlage, schimpft er mich, dass ich mich fühle, als wäre ich der dümmste Mensch auf Erden.
Wenn ich mich mit Freundinnen treffen möchte oder meiner Schwester, ist er mir sauer, dass ich dann wieder stundenlang oder tagelang weg bin und nicht mit ihm lernen kann.
Immer wenn ich ins Labor möchte, um meine Masterarbeit zu machen, oder mich mit einer Freundin treffen möchte, sagt er "1 Stunde reicht doch, dass du weiter kommst" oder "1 Stunde reicht doch zum treffen, danach müssen wir mich auf die Prüfungen vorbereiten!"
Schon allein diese Formulierung gefällt mir nicht. Wie kommt er darauf, dass WIR IHN vorbereiten müssen?
Wenn ich mich eincreme, schimpft er, warum ich ihn nicht eincreme und mich nicht um ihn kümmere.
Wenn er selbst irgendwo ist, ruft er mich danach immer an und macht mir einen Vorwurf, warum ich mich nicht mal kurz bei ihm gemeldet habe oder ihn angerufen habe.
Er schimpft, wenn ich seine Anrufe nicht entgegen nehme, ob es so schwer sei, kurz zu antworten. Angeblich macht er sich ja nur Sorgen.
Ich weiß nicht so genau, ob das schon unter eine narzisstische Verhaltensstörung fällt, aber ich fühle mich sehr oft durch ihn sehr kontrolliert und fühle mich so, als müsste ich mich für alles rechtfertigen.
Ein mal hat er gesehen, dass ich mir ein Oberteil gekauft hatte und mich behandelt, als hätte ich ihn betrogen. Warum ich ihm verheimlicht hatte, dass ich shoppen war, wann ich denn Zeit zum Shoppen gefunden habe. Warum ich ihn anlüge, dass es nichts Neues gäbe, das Oberteil ist doch etwas Neues.
Mit Freundinnen kann ich schlecht reden, da er immer wissen möchte, worüber wir uns unterhalten haben und immer wissen will, ob und was ich über ihn gesagt hätte. Und ich kann sehr schlecht lügen, was er mir aber immer wieder vorwirft. Dass ich ihn anlügen würde.
Außerdem fragt er oft, ob ihm alles verzeihen würde, da Männer ja Fehler machen, z.B. wenn eine andere Frau ihn küsst oder er mit einer anderen Frau schläft. Zur selben Zeit sagt er "aber ich liebe nur dich!".
Wenn ich mich schminke, hübscher als sonst anziehe oder Schmuck trage, fragt er oft, für wen ich mich hübsch mache und wo ich wieder die Zeit gefunden habe, mich zu schminken. Er dachte, ich würde ja in seiner Abwesenheit meine Masterarbeit machen, kein Wunder, dass ich nicht voran käme.
Ich bin mittlerweile soweit, dass ich sogar Fernsehen oder Computerspielen oder Romane lesen vor ihm verheimliche und mich abschminke, bevor ich ihn sehe, damit er mich sowas nicht wieder fragt.
Bin ich nun verrückt oder ist mein Partner es, der mich so fühlen lässt?
Ich weiß nicht mehr weiter. Ich mag ihn sehr, ich habe Angst ihn zu verlassen, aber zugleich sagt mir meine Vernunft, dass es besser wäre allein zu sein als mein Leben mit so einem Mann zu verbringen.
Ich weiß nicht weiter.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Kari,

Ich möchte dir mein Beileid zum Tod deiner Mutter aussprechen. Nimm dir bitte die Zeit zum Trauern, die du benötigst!

Jetzt zu deinem Anliegen. Das klingt alles ganz furchtbar und ich bin sehr froh, dass du uns geschrieben hast.
Wir können es kurz halten - solange du mit dieser Person Kontakt hast, wirst du weiterhin gravierende Nachteile davontragen. Er wird nicht aufhören, dich auszunutzen und immer drastischer in dein Recht auf Selbstbestimmung eingreifen. Denn du lässt es andauernd zu. Damit will ich dir keine Schuld zuweisen - um Schuld geht es nicht. Du bist in einem Netz gefangen, aus dem du dich gerade befreien willst - zumindest stehst du kurz davor!
Ich finde es ja schon erstaunlich, wie du das bisher alles geschafft hast, dein Studium, seines auch noch, dann noch familiäre Verpflichtungen - wie schön wäre es gewesen, wenn du dein gesamtes Potenzial für dich selbst (und für wohlmeinende Menschen, die dir ebenso etwas geben) hättest nutzen können.

Ich glaube, du unterliegst bei ihm einer fatalen Illusion. Liebe ist etwas ganz Anderes, als jemanden "irgendwie sehr zu mögen". Und auch umgekehrt kann ich dir sagen: Dieser Mensch liebt dich kein Stück, denn sonst würde er sich in jeder (!) Hinsicht anders verhalten! Hast du dich einmal gefragt, warum du jemanden magst, der dich wie Dreck behandelt?! Wie steht es mit deiner Liebe zu dir selbst?

Für mich liest sich das nach einem Psychopathen, doch das nur als Vermutung.
Es ist zunächst einmal nebensächlich, ob dieser Mann eine psychische Störung nach gängigen Diagnoseschlüsseln hat oder nicht - sein Verhalten ist hochgradig parasitär, manipulativ und gefährlich. Und: Du machst perfekt mit. Ihr ergänzt euch wie Schlüssel und Schloss. So wie Kuckuckskind und Eltern einer anderen Vogelart. Er ist macht Dinge, die voller Respekt - und Lieblosigkeit sind. Doch er kann es deswegen bei DIR machen, weil du alle deine Grenzen aufgemacht und dich von ihm ausnehmen lässt wie eine Weihnachtsgans. Das heißt, dein Selbstwert und deine Selbstliebe sind wahrscheinlich sehr gering ausgeprägt. Du schreibst auch von deinem Vater, der ebenfalls ausnutzendes, unhöfliches und übergriffiges Verhalten bei dir zeigt. Das ist also kein Zufall. Ich vermute, dass du so aufgewachsen bist und es nicht anders kennst. Dass du vielleicht glaubst: "Ich muss mir Liebe verdienen, dafür muss ich hart arbeiten." Die gute Nachricht ist, dass es keinesfalls stimmt: Liebe muss man sich nicht erarbeiten. Liebe ist immer da, zu jeder Zeit, für alle und überall. Man muss sie nur zulassen und darf sie nicht mit Dienstleistungen, Gefälligkeiten und Erwartungen verwechseln.

Du kannst lernen, deine Selbstliebe an die erste Stelle zu setzen. Du kannst ein wundervolles Leben leben, in welchem du die Früchte deiner Intelligenz, deines Engagements und deiner Arbeit finanziell und ideell FÜR DICH ernten kannst. Ohne dass dich jemand ausnutzt und missbraucht. Du bist allein für dich und dein eigenes Wohl zuständig, für niemanden sonst!!

Lass dir bitte helfen - fange zum Beispiel damit an, endlich deinen Freundinnen zu berichten, was wirklich bei euch los ist und dass es dir schlecht geht. Sie können die Ersten sein, die dich direkt unterstützen können! Damit du dann deine Souveränität aufbauen kannst. Das beginnt bei ganz schlichten Dingen wie nicht auf seine Befehle hören, keine Arbeiten mehr für ihn tun, seine Anrufe nicht beantworten (Nummer wechseln!), deinen Bedürfnissen nachgehen, etc.

Wenn du dich schon jetzt in der Lage dazu fühlst - brich sofort den Kontakt ab. Restlos. Also zuerst die Schlüssel zurückfordern (am besten in Anwesenheit anderer Personen, die dir helfen können!), dann alles Weitere, was zu einem Kontaktabbruch gehört (Löschen aus sämtlichen sozialen Netzwerken, neue Handynummer, eventuell an einen ihm unbekannten Ort ziehen etc.). Die Profis in Frauen - und Gewaltberatungsstellen etc. können dir das genau erklären und mit dir durchsprechen. Dort wärst du genau richtig.
Damit du auf lange Sicht stabiler wirst und dich komplett vor solchen Raubtieren schützen kannst, wäre psychotherapeutische Hilfe für dich sinnvoll, je nachdem, wie tiefgreifend dein allgemeiner seelischer Zustand ist.

Schau dir bitte die folgenden Texte an und die Videos, lies dir die verlinkten Zuschriften durch.
* https://www.re-empowerment.de/gewalt/formen/non-physische-gewalt/psychische-gewalt/
* https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/was-ist-psychische-gewalt.html
* https://de.wikihow.com/Manipulatives-Verhalten-erkennen
* https://hilfefueropfervonnarzissten.com/2017/04/21/10-anzeichen-dafuer-dass-du-einen-psychopathen-datest/
* 25 Anzeichen toxischer Beziehungen: https://www.youtube.com/watch?v=52biQCGDKpM
* https://mein-kummerkasten.de/332264/Kann-man-Luegen-in-einer-Beziehung-tolerieren.html
* https://mein-kummerkasten.de/331535/Abhaengig-vom-Freund.html
* Sich aus emotionaler Abhängigkeit in Beziehungen lösen: https://www.youtube.com/watch?v=7v0hVHeIrq4
* Mutmachvideo Persönlichkeitsentwicklung: https://www.youtube.com/watch?v=Rlk2PUtqErY
* Buch von Stefanie Stahl: "Das Kind in dir muss Heimat finden"
* Sehr aufrüttelnde, ehrliche Videos macht auch Martin Uhlemann.

Du bist es wert, eine komplett andere Lebensausrichtung zu führen. Du bist es wert, geliebt zu werden und zu lieben - so, wie Liebe wirklich ist: Frei, offen, umfassend, ohne Bewertung.
Beginne bei dir, nimm dich so an, wie du bist. Du wirst wie ein Schmetterling aus seinem Kokon schlüpfen.

Ich wünsche dir alles Gute und hoffe sehr, dass du sehr bald den endgültigen Absprung schaffst!
Du kannst dich jederzeit wieder bei uns melden.

Nuala