Problem von Laura - 16 Jahre

"Schlechte" Muttertochterbeziehung

Hallo, ich heiße Laura und bin 16 Jahre alt. Meine Mutter und ich haben uns ehrlich gesagt noch nie so richtig gut verstanden. Schon von klein auf hab ich eher was mit meinen Brüdern und Freunden, also Gleichaltrigen gemacht und deshalb nie wirklich eine enge Beziehung zu ihr aufgebaut. (Ich habe übrigens eine große Familie, bis zu dreißig Cousins und Cousinen mütterlicherseits, sodass man in meiner Familie als Einzelner oft auch gar nicht wahrgenommen wird.) Jedenfalls gab es vor ein paar Jahren ziemlich heftige Streits mit meiner Mutter. Diese haben damit zu tun, dass ich nicht unbedingt das "klassische Mädchen" oder sagen wir das bin, was sie von mir erwartet. Ich ziehe mich zum Beispiel eher maskulin an, trage Fake-Piercings, glaube als Einzige in der Familie nicht an Gott, bin Veganerin in einem Alles-Esser-Haushalt, habe sehr kurze Haare und und und. Dass ich lesbisch bin war ebenfalls ein Streitgrund von früher.

Heute hat sich zwar alles wieder beruhigt, akzeptiert werde ich von ihr aber dennoch nicht, weil die "Trigger-Themen" einfach bewusst vermieden werden, sowohl von ihrer als auch von meiner Seite. Ich hab gelernt mir ihre Meinung nicht mehr so zu Herzen zu nehmen und einfach mein Leben zu leben. Auf jeden Fall ist unser Verhältnis heute ziemlich distanziert. Wir reden nur über Schule oder Termine, wenn wir denn überhaupt mal reden, da sie sehr viel arbeitet und auch erst spät nach Hause kommt. Dann fragt sie mich oft was bei mir so los ist in der Schule, wahrscheinlich nur um ein Wort mit mir gewechselt zu haben und nicht weil es sie wirklich interessiert. Ehrlich gesagt rede ich von selbst aus eher ungern mit ihr, nicht als würde ich ihr aus dem Weg gehen, es gibt nur einfach keine Gesprächsthemen. Und es geht mir langsam auf die Nerven nur über die Schule mit ihr reden zu können. Genau die Gesprächsthemen, die mich wirklich interessieren sind es ja, die sie vermeidet und sie zeigt auch keinerlei Interesse auf mich zu zugehen.

Was ich sagen will ist, dass wir beide einfach komplett verschiedene Menschen sind. Sie liebt Schnulzen und Komödien, während ich nur Fantasy und Horror schaue (nur als Beispiel). Sicher gibt es Gemeinsamkeiten, aber mal abgesehen davon, dass sie meine Mutter ist: Sie ist ein Mensch, der ich nie werden möchte. Nicht wegen früher oder sonstigem, einfach die Art wie sie denkt, handelt, z.B. denke ich mir auch wenn ich jemals Kinder hätte, würde ich mich wahnsinnig dafür interessieren was sie so machen und welche Freunde sie haben. Meine Mutter interessiert sich aber nicht wirklich für mich, nur für meine Noten oder das was andere von unserer Familie denken. Eigentlich alle Dinge die mir wichtig sind lehnt sie ab oder wechselt dann das Thema. Neulich haben wir auch über Parteien geredet und sie hat mich "dazu gedrängt" diese eine Partei zu wählen, wo ich mir auch dachte, dass es total falsch ist jemandem seine eigene Meinung aufzwingen zu wollen. Genauso wenig verstehe ich mich übrigens mit meiner Oma, also ihrer Mutter, die sehr gläubig ist und z.B. auch nur Kleider trägt, weil sie glaubt dass nur Männer Hosen tragen sollten, was für mich wieder totaler Quatsch ist. Es ist ganz ehrlich auch nicht so als würde ich ihr auf emotionaler Basis nahe stehen. Ich meine ich konnte nie von mir behaupten dass ich meine Mutter liebe, weil sie mir auch schon als Kind nie wirklich Zuneigung gezeigt hatte. Sie war einfach meine Mutter und natürlich bedeutet sie mir etwas, sie ist schon irgendwie wichtig, aber nicht auf einer Ebene von "Liebe". Vor ein paar Jahren als diese ständigen Streitereien noch aktuell waren, hat sie mich auch zur Psychotherapeutin geschickt, damit sie das "Problem beheben" kann, als diese dann jedoch vorgeschlagen hat, dass meine Mutter zur nächsten Sitzung mitkommen sollte, hat sie sich geweigert mit den Worten "Ich bin doch nicht verrückt".

Als ich meiner Mutter in einem Streit damals erzählt hatte, dass meine Psychologin mich und den Fakt dass ich lesbisch bin unterstützte, hat sie dann auch gemeint dass meine Psychologin einen Knall hätte, anstatt darüber nachzudenken, dass sie selbst vielleicht im Unrecht sein könnte. Ich denke mir einfach, dass meine Mutter zwar auch ein gutes Verhältnis mit mir aufbauen möchte, aber trotzdem nichts dafür tut damit das Realität wird. Viel lieber versucht sie mir die Schuld zu zuschieben oder mich zu verändern, weil sie nicht einsehen will, dass nicht ich diejenige bin die dem im Weg steht, sondern sie selbst. Sie verhält sich einfach wie ein Kind und ganz schön witzig, dass das aus dem Mund einer 16-Jährigen kommt. Ich bin nur einfach fertig damit mir selbst die Schuld zu geben, weil ich teils auch wegen meiner Mutter angefangen habe eine Depression zu entwickeln, aber das nur nebensächlich. Ich schätze das Verhältnis mit ihr wird nie besser werden als das was es momentan gibt und hab mich damit mehr oder weniger abgefunden, dass nicht jede Tochter ein Spitzenverhältnis zu ihrer Mutter haben muss. Nur gibt es da immer noch diesen winzigen Teil, der davon träumt meiner Familie irgendwann meine Frau vorstellen zu können oder wenn ich im Anzug vorm Altar stehe und meine Eltern im Publikum sitzen sehe. All solche Gedanken, die an sich total sinnlos sind, schwirren dann durch meinen Kopf und ich find's schade, dass sie mich nicht einfach so lieben kann wie ich bin.

Ich glaube es wäre hilfreich mir vielleicht eine dritte Meinung zu dem Thema zu holen, jetzt wo du das alles hier in "Kurzform" gelesen hast. Danke für deine Mühe! - Laura.

Anwort von Miriam

Liebe Laura,

Schön, dass du uns schreibst :-)
Ich muss dir zunächst mal ein Kompliment machen. Du hast für deine 16 Jahre schon eine wirklich sehr klare und erwachsene Sichtweise auf die Dinge und dein Text macht einen sehr "aufgeräumten" Eindruck, wenn man das so sagen kann.

Ich gehe mit deiner Meinung mit. Jeder Mensch darf und sollte sich so entfalten können, wie er oder sie es gerne möchte. Vor allem in einem freien Land, in dem wir nun mal leben, ist es genau diese Freiheit, die so wertvoll ist, dass man sie einfach ausleben muss. Dass nicht jeder in diesem Land unsere Meinung teilt und diese Leute manchmal in einem engen Familienverhältnis zu uns stehen, kann traurig machen.

Ich finde es schlimm, dass deine Mutter gesagt hat, sie sei nicht "verrückt", als Begründung nicht mit zur Therapie zu gehen. Das hieße ja im Umkehrschluss, alle die eine Therapie machen (inklusive dir) seien verrückt. Dem ist definitiv nicht so. Zum Therapeuten zu gehen ist doch auch nichts anderes, als einen Arzt aufzusuchen, wenn man körperliche Symptome hat. Und dass deine Psychologin dich bei deiner sexuellen Identität unterstützt, ist richtig. Hätte sie irgendetwas anderes gesagt und versucht, dich zu verändern (was im Übrigen sowieso nicht funktioniert), wäre es die falsche Psychologin gewesen.

Also wie du siehst, stehe ich da mit meiner Meinung auf deiner Seite. Deinen Wunsch nach einem schöneren Familienleben kann ich allerdings gut verstehen. Es ist glaub ich oft so, dass wenn vor der Teenagerzeit schon keine besonders gute oder enge Beziehung zwischen Mutter und Tochter aufgebaut werden konnte, es in der Teenagerzeit auch nicht besser wird, sondern man sich eher noch weiter entfremdet. Bei mir war das so, dass es sich im Erwachsenenalter so ab 19/20 wieder deutlich entspannt hat mit meiner Mutter. Auch wenn es nicht die gleiche Situation ist, will ich damit sagen, dass solche Dinge viel Zeit in Anspruch nehmen können und oft Geduld erfordern. Das bedeutet aber nicht, dass du bis dahin warten musst. Wenn du schon das Gefühl hast, deine Mutter hätte vielleicht auch gerne ein anderes Verhältnis zu dir, dann traut sie sich vielleicht nicht, dafür etwas zu tun. Vielleicht musst du dann den ersten Schritt mal wagen und versuchen, ein Gespräch mit ihr zu führen. Denn wenn es keiner tut, dann wird sich wahrscheinlich auch wirklich nicht viel ändern in Zukunft.

Um die Gefahr eines neuen Streits zu verringern, sind ein paar Rahmenbedingungen wichtig. Sorge am besten für genug Zeit und einen ungestörten Ort. Vielleicht ist es auch sinnvoll, eine dritte Person mitzunehmen, die zu euch beiden ein gutes Verhältnis hat und das Gespräch ein bisschen auf der sachlichen Ebene hält. Sprich mit ihr über eure Beziehung, über deine Gedanken dazu und auch darüber, dass du dich von ihr nicht so angenommen fühlst, wie du bist. Du könntest auch das Thema "Liebe" zwischen euch mal vorsichtig ansprechen, wenn du das Bedürfnis dazu hast. Dass ihr unterschiedlicher Meinung seid und auch unterschiedliche Vorlieben habt, ist euch wahrscheinlich beiden bewusst. Aber auch das kann man mal in so einem Gespräch festhalten und sich über die "Uneinigkeit einig" werden. Danach kann man sehen, wie man auf dieser Basis die Beziehung so gut wie möglich gestalten kann. Es geht also darum, das beste aus dieser Situation zu machen und zwar für euch beide.

Natürlich klingt das jetzt wie die Lösung schlechthin von meiner Seite, aber ich weiß auch, dass sie das nicht unbedingt sein muss. Es erfordert Mut, das Gespräch überhaupt erst zu suchen und vielleicht ist der Versuch am Ende gar nicht von Erfolg geprägt. Sollte das so sein, dann kannst du am Ende aber sagen, dass du immerhin alles versucht hast. Und vielleicht bringst du deine Mutter ja dann doch mal zum Nachdenken. Zwingen kann man leider niemanden zu irgendetwas, aber man muss es ja wenigstens versuchen.

Ich schätze dich so ein, dass du diesen Mut zum Gespräch aufbringen kannst. Zudem finde ich, dass deine Einstellung absolut richtig ist und du deinen Weg gehen wirst, egal ob deine Mutter ihn mit dir geht oder nicht. Du bist gut so wie du bist, das weißt du. Und das macht dich stark, das solltest du dir von niemandem jemals nehmen lassen.

Ich wünsche dir alles Gute und dass dein Wunsch von einer harmonischeren Beziehung zu deiner Mutter irgendwann erfüllt werden kann.

Liebe Grüße

Miriam