Problem von Anonym - 21 Jahre

Wie kann ich besser werden?

Hey,
ich heiße Lucas, bin 21 Jahre alt und habe vor 2 Jahren mein Abitur gemacht und war dann für eine Weile im Ausland. Derzeit arbeite ich noch, bis schließlich mein Studium im Herbst beginnt.
Bevor ich zurück nach Deutschland kam, war ich glücklich und voller Lebensfreude. Ich habe eine tolle Familie (nur halt ohne Vater), großartige Freunde und vor allem einen besten Freund seit fast 8 Jahren, der inzwischen mein Bruder ist.
Ich kam im kalten Deutschland an und musste feststellen, dass sich viele meiner Freunde verändert haben. Vor allem mein bester Freund. Meine Gruppe hat sich aufgeteilt und mein bester Freund hat seine Zeit oft mit 2 anderen guten Freunden verbracht. Das Problem war, dass er zu denen anders ist, als zu mir und mich anders behandelt. Er ist gefühlloser, egoistischer und wirkt zum Teil distanzierter mir gegenüber. Dabei war er früher nie so. Ich kann mit Veränderungen nicht gut umgehen. Wir hatten im Sommer auch einen heftigen Streit und haben uns wochenlang ignoriert. Wir haben dann auch geredet und dann ging alles wieder bergauf. Es war wieder wie früher, bis jetzt. und ich weiß nicht mal, was das Problem ist. Ich vergaß übrigens zu erwähnen, dass ich homosexuell und seit 5 Jahren in ihn verliebt bin. Er weiß auch über meine Sexualität Bescheid und geht damit sehr gelassen um. Wir kuscheln sogar und haben uns auch oft geküsst. Es war nie merkwürdig zwischen uns und das habe ich an unserer Beziehung so gemocht. Ob er weiß, dass ich auf ihn stehe, ist ungewiss, vermutlich weiß er es. Keine Ahnung!
Ich liebe diesen Jungen über alles und hatte noch nie eine Beziehung. Selbst Sex ist für mich nebensächlich und wenn ich es mal habe, dann denke ich nebenbei nur an ihn. Und das will ich nicht mehr. Ich dachte das geht weg, aber es wird immer schlimmer. Wenn er mit anderen weg geht oder mit anderen schreibt oder mich wieder mies behandelt, dann ist mein gesamter Tag wieder vollkommen im Arsch. Ich denke über zu viele Szenarien nach und interpretiere alles falsch. Auch wenn er teilweise ein Arsch zu mir war, ist er dennoch ein toller Freund und ich hätte mir keinen besseren vorstellen können. Ich bin sehr von ihm anbhängig, während er sein Leben lebt und alles aufbaut und nicht weiß, was in meinem Kopf so abgeht. Mir ist die freundschaft wichtiger als irgendeine sinnlose Vorstellung es könnte vielleicht mehr werden. Er ist hetero und ich hab das auch akzeptiert, dass da nie was laufen wird, aber mein Gehirn denkt sich so...mhhh na vlt wird das doch noch. Ich wünsche mir nur einen Tag, an dem ich mal nicht nachdenke und alles falsch interpretiere.
Ich bin auch seitdem ich jeden Tag arbeite, sehr müde und gefühllos, keinen Elan mehr, demotiviert überhaupt noch leben zu wollen. Ich kriege nichts auf die Reihe.
Meine Mutter ist derzeit auch sehr depressiv und ich wünschte ich wäre ein besserer Sohn, aber selbst da fehlt mir sogar die Motivation. Ich habe keine Ahnung, was mit mir los ist, aber ich kann nicht mehr. Ich fange auch manchmal einfach grundlos mit heulen an, selbst auf Arbeit.
Ich weiß nicht mal genau, was meine Frage ist, ich hoffe lediglich, dass mir irgendeiner antworten kann, damit ich mal darüber reden kann.
Sorry für den langen Text.
Habt einen schönen Tag.

Lucas

Anwort von Miriam

Hallo Lucas,

Schön, dass du uns schreibst!

Es ergibt sich beim Lesen deines Texts für mich direkt ein Fragezeichen. Dein bester Freund ist laut deiner Aussage heterosexuell. Aber weiter oben im Text schreibst du, dass ihr euch mehrmals geküsst habt und viel miteinander kuschelt. Das verwundert mich in diesem Kontext schon sehr. Bist du dir sicher, dass er nicht auch auf Männer stehen könnte?

Ein weiterer Gedanke, den ich habe ist, dass diese emotionale Abhängigkeit, die du empfindest glaube ich sehr schlimm für dich ist. Du sagst, du weißt nicht, ob dein Freund weiß, dass du ihn liebst. Vielleicht musst du es mal versuchen, anzusprechen. Vielleicht empfindet er ja sogar genauso wie du und weiß aber selbst gar nicht, wie er damit umgehen soll. Und daraus ergeben sich dann vielleicht auch Verhaltensweisen, die dich verletzen. Wenn du versuchst, offen mit der Sache umzugehen, dann liegen die Karten nach so vielen Jahren endlich mal auf dem Tisch und dann kannst du ihm auch klarmachen, dass es nicht okay für dich ist, wenn ihr immer kuschelt, da das deine Gefühle immer wieder anheizt. Und wenn er nicht so empfindet wie du, dann hast du wenigstens für dich schon mal Klarheit und kannst an einem Lösungsansatz arbeiten. Das ist schwierig, solange du so wenige Informationen hast. Auch die vielen Interpretationen in Bezug auf ihn sollten ja dann aufhören.

Scheinbar strahlt diese Sache auch auf deine anderen Lebensbereiche aus und das ist ein deutliches Warnsignal, das du nicht ignorieren solltest. Wenn diese Sache dich so vereinnahmt, dann tut manchmal Abstand und Zeit sehr gut, auch wenn man das in solchen Momenten erst einmal am wenigsten will. Trotzdem wird es nur noch schlimmer werden, wenn du weiter so machst, wie bisher. Solche Zustände breiten sich oft im ganzen Leben aus und beeinträchtigen einen immer mehr, so lange man nichts dagegen tut.
Also wäre mein Vorschlag, schaff Klarheit zwischen euch, bevor es noch unerträglicher wird und gehe auf Abstand, sollte er deine Gefühle nicht erwidern. Fordere bei ihm Zeit ein und versuche, dich auf dein Leben und deine Arbeit zu konzentrieren, zur Ruhe zu kommen. Sammle dich ein bisschen und finde heraus, was du gut kannst, was dir Spaß macht. Sei offen für dich selbst und neue Leute, die du triffst. Es könnten potenzielle neue Freunde sein. Sich selbst kennenzulernen wirkt manchmal Wunder. Und dann sollte nach und nach auch wieder mehr Lebensfreude zurückkommen. Das kann ein langer Prozess sein, aber nur so kann es besser werden.

Dass es deiner Mutter nicht gut geht, tut mir sehr leid. Trotzdem solltest du dir deshalb keine Schuldgefühle machen. Denn das bringt niemanden weiter. Wenn du ihr gerade nicht helfen kannst, dann ist das nicht deine Schuld. Das ist mir noch ganz wichtig zu sagen. Helfen kann man nur, wenn es einem selbst gerade gut geht. Ein Ertrinkender kann auch keinen anderen Ertrinkenden retten.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du andeuten wolltest, dass du Suizidgedanken hast oder ob du einfach nur generell gerade das Leben satt hast, aber es nicht konkret beenden willst. Sollte ersteres zutreffen, dann bitte ich dich, dir Hilfe zu suchen zum Beispiel beim telefonischen Krisendienst falls du akut jemanden zum Reden brauchst. So etwas sollte man sich nicht alleine aufbürden.

Ich wünsche dir jetzt erst einmal, dass sich alles zum Guten wendet und du auch bald wieder mehr Spaß an deinem Leben haben kannst.

Liebe Grüße

Miriam