Problem von Anonym - 22 Jahre

Müde

Mir ist es egal, ob ich heute Nacht noch sterbe...
Ging es nach mir würde mein Ausscheiden aus der Welt derzeit nichts ausmachen...
Könnte ich ein Leben jemanden verschenken würde ich es machen, doch das kann ich nicht. Selbstmord kommt auch nicht in Frage, so paradox es auch klingt, ist DAS LEBEN, das der Herr gibt, ein wertvolles Geschenk...
Ich bin ein sehr religiöser Mensch... Bei mir steht Gott an 1. Stelle,
doch seit einiger Zeit verspüre ich den Drang, über mein (lebloses) Leben nachzudenken und das nicht im Guten... ständig muss ich mein Weinen unterdrücken. Ich sehe
keine Freude mehr in meinem Alltag (natürlich gibt es manchmal (nicht immer) Glücksmomente, die mein Tag
ein bisschen leichter machen, doch die traurigen Tage überwiegen schon seit langer Zeit (1 Jahr). Trotz meiner engen Beziehung zwischen meinen Eltern und auch meinen Geschwistern kann ich über solche Dinge nicht reden. Ich bin zur Zeit sehr reizbar und ungeduldig,
was meinem Umfeld auch schon aufgefallen ist. Das erschwert es mehr mein Leben zu lieben. Ich entwickle einen regelrechten Hass gegen mich selbst... (Warum kann ich nicht einfach mein Leben in den Griff bekommen und glücklich sein? Mir mangelt es an Nichts... Ich habe eine tolle Familie, zu Essen und zu Trinken, ein Dach über den Kopf und bin gesund. Meine Lebensweise hat sich auch verändert..Ich könnte den ganzen
Tag im Bett verbringen... und trotzdem noch müde sein. Ständig wache ich nachts plötzlich auf und brauche auch dann eine sehr lange Zeit um wieder einschlafen zu können. Wenn ich dann nachts im Bett liege, sage ich so oft zu mir, dass diese Lebensweise endlich
mal eine Ende nehmen muss. Ich träume dann vom ^Aufrappeln^. Endlich mein Leben wieder auf die Beine stellen... doch das endet wieder am Morgen, dann bin ich
wiederl unmotiviert überhaupt einmal aufzustehen... Nicht dass ich müde bin wegen dem Schlafentzug ... NEIN ich bin müde vom LEBEN!

Danke im Voraus !
Ich weiß jeden Kommentar zu schätzen.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Unbekannte!

Gerne gehe ich auf deine Zeilen ein in der Hoffnung, dir ein paar neue Blickwinkel bieten zu können.

Ganz nüchtern betrachtet erscheint es mir sinnvoll, dass dich ärztlich untersuchen lassen würdest, um eine mögliche Depression oder eine andere körperliche und/oder seelische Erkrankung ausschließen bzw. überhaupt feststellen lassen zu können. Manchmal können schon so "banale" Dinge wie ein Mineralstoffmangel oder hormonelle Störungen zu psychischen Auswirkungen führen - genauso Medikamente wie die Anti-Baby-Pille.
Natürlich kann es auch sehr hilfreich sein, eine psychiatrische Unterbringung anzustreben, um direkten professionellen Beistand zu bekommen. Da kommt es darauf an, wie es dir jetzt geht.

Du schreibst, du unterdrückst deinen Impuls zu weinen. Mach das bitte nicht mehr. Weine. Weine. Weine. Lang, laut, leise, verzweifelt, wütend. Mach es. Es ist so heilsam, alle Gefühle hochsteigen zu lassen und durch die Tränen herausfließen zu lassen. Weinen reinigt. Es befreit. Es gibt absolut keinen Grund, es zu unterdrücken. Hier kannst du dich fragen: Warum willst du dein Weinen unterdrücken? Was steckt dahinter?
Gefühle sind so wichtig für uns, sie gehören zu uns als Menschen dazu. Je mehr sie unterdrückt werden, desto mehr geraten wir in ein Ungleichgewicht. So können psychische Leiden entstehen, allen voran Depressionen. Daher gehört es zur Gesunderhaltung, sich achtsam um sich zu kümmern, alles anzuschauen, was an Gedanken und Gefühlen über den Tag hinweg aufkommt und sich damit in Reflexion und Durchfühlen zu befassen.

Du schreibst, dass du sehr religiös bist und dass Gott bei dir an erster Stelle steht. Nun, ich habe da meine Zweifel, ob eine göttliche Instanz das wollen würde, dass man sich nicht selbst als wichtigste Person oder Wesenheit erachtet. Verstehe mich nicht falsch: Glaube ist etwas sehr Wertvolles, solange er sich nicht verselbstständigt hat und eine:n regiert. Ich bin mir sicher, dass Gott oder sonstwer nicht möchte, dass man ihm/ihnen/ihr hörig ist. Sondern dass man sich selbst über alle Maßen schätzt, achtet und liebt. Des weiteren glaube ich, dass man dann genau diese Liebe von allen Seiten zurückbekommt und auch in der göttlichen Verbundenheit diesen Widerhall spüren kann. Meiner Ansicht nach sind wir nicht auf der Welt, um jemanden oder etwas anzubeten und uns dabei selbst aufzugeben. Sondern wir sind hier, weil wir unsere eigene Herrlichkeit und Wirksamkeit spüren und entfalten sollen - zum Wohle aller. Und dabei werden wir mit Sicherheit unterstützt!
Vielleicht kannst du deine religiösen Gewohnheiten ein bisschen anders denken/fühlen/gestalten, sodass DU im Zentrum stehen kannst? Du kannst beispielsweise Gott anvertrauen, wie klein und sinnlos du dich momentan fühlst. Und dass du Hilfe zur Selbsthilfe empfangen möchtest. - Hier wieder: Es steht und fällt alles mit dir selbst. Keine Göttlichkeit, keine höhere Macht wird dir ein anderes Leben kreieren und mit einem Fingerschnips alles verändern. Der Trick besteht vielmehr darin, uns selbst als die großen Akteur:innen unserer Lebensbühne zu begreifen. Diese positive Macht, diesen Gestaltungsreichtum komplett auszuloten und alles Göttliche, was in uns angelegt ist, vollends freizulassen. In dir wohnt ein enormer Reichtum, den du immer weiter erforschen kannst. Erfreue dich an den Schätzen, die zu deiner Persönlichkeit gehören! Lerne deine Licht - und Schattenseiten in allen Einzelheiten kennen - und lerne, sie alle anzunehmen und als selbstverständlichen Teil von dir zu akzeptieren. Dies ist sozusagen eine völlig neue Art der Auseinandersetzung mit sich - aber in Fairness und Nachsicht. Ohne sich permanent niederzumachen. Es ist eine große Herausforderung, aber die "inneren Dämonen" genauso anzuschauen wie die inneren Reichtümer, ist das Beste, was du für dich tun kannst.

Nun zum Thema sich nicht anvertrauen können: Ist es wirklich so, dass du es nicht _kannst_? Oder könntest du es eigentlich schon, fürchtest dich aber davor? Bitte sei komplett ehrlich zu dir: Was hält dich ganz konkret davon ab, eine:n Familienangehörige:n, eine:n Freund:in usw. beiseite zu nehmen und dir einmal alles von der Seele zu reden? Was hemmt dich? Je mehr du in dich hineinspürst, desto eher kannst du der Sache auf den Grund gehen.

Noch eine Anmerkung zum "sich glücklich schätzen können". Ich sehe das als gewisse Heimtücke. Klar, es ist nie verkehrt, sich vor Augen zu führen, was man so alles hat, kann und auf was man zurückgreifen hat. Doch das Wesentliche ist deine eigene Basis, die gefestigt sein muss. Wenn du unglücklich bist, machst du dich nur noch fertiger, wenn du dich durch das Schöne unter Druck setzt. Alles Äußerliche nützt dir nichts, wenn du innerlich am Boden bist. Oder anders: Deine Umwelt kann dir zeigen, was in dir angelegt ist. Aber du musst es eben selbst für dich merken und mit dir selbst so eng werden, dass du dir sozusagen selbst genug bist. Und dann sind alle anderen Menschen, Umstände und materieller Wohlstand das, was noch viel selbstverständlicher zu dir gehören und dich in deinem Wert unterstreichen.


Ich kann dir noch den Tipp geben, unsere Soforthilfen zu lesen und auch ältere Zuschriften anzugucken. Je nachdem, was für dich besonders von Relevanz ist.

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala