Problem von Liara - 13 Jahre

Zuviel Druck von meinen Eltern+Panikattacken

Hallo,
ich bin dieses Jahr 13 geworden und gehe in die achte Klasse eines Gymnasiums. Und da beginnt auch schon mein Problem: Seit einiger Zeit habe ich manchmal Panikattacken. Ich spüre dann am ganzen Körper kalten Schweiß, mein Herz rast und ich hyperventiliere. Beim ersten Mal habe ich mich auf dem Fußboden wiedergefunden. Danach habe ich mir Informationen im Internet besorgt und die anderen Male bin ich nicht mehr bewusstlos geworden. Jedes Mal habe ich vorher an irgendetwas mit dem Thema Menschenmengen gedacht. Auch vor der Schule, bzw. Genauer gesagt vor den vielen Schülern an einem Platz habe ich Angst. Teilweise kann ich abends erst spät einschlafen, weil mich die Angst wachhält. Ich muss mich jeden Morgen ca. 5 Minuten selber überreden, aufzustehen und mich für diesen schrecklichen Ort fertig zu machen. An meinen Noten oder Angst vor meiner Klasse liegt es nicht. Ich bin im letzten Jalbjahr auf einen 1.5 Schnitt gekommen. Im Unterricht bin ich sehr schnell fertig, habe mir aufgrund der Reaktionen der Lehrer jedoch angewöhnt immer noch ein kurzes Weilchen zu warten, um nicht allzu auffällig zu sein. Doch meine Klassenlehrerin meint trotzdem, dass ich gelangweilt wirke und meinen anderen Mitschülern an Reife deutlich voraus bin, obwohl ich deutlich die jüngste bin. (Der älteste ist 16). Dies habe ich erfahren, weil meine Eltern vor einigen Tagen eine Email an die Lehrerin geschrieben haben. Es geht darum, ob ich angesichts der Situation nicht die 9. Klasse überspringen soll, da jetzt "zu erwarten [ ist ] , dass das Durchschnittsniveau der Klassen weiter absinkt und sie sich damit stärker langweilen wird" (Zitat Email meiner Eltern). Meine Eltern sind sehr begeistert von dieser Idee und erwarten von mir die gleiche Überzeugung, ihrem Verhalten nach. Ich habe mehrmals versucht, mit ihnen zu reden, doch sie haben meine Argumente nicht verstanden. Es geht mir nicht wirklich um die Klassengemeinschaft, ich würde auch in anderen Klassen zurechtkommen, sondern um die Tatsache, dass mir dieses Überspringen quasi auferzeungen wird. Ebenso habe ich mit meinen Eltern mehrmals versucht über meine Angst zu reden, doch mein Vater versteht nicht, wovor ich mich fürchte (zu viele Menschen um mich herum, die mich einengen) und meine Mutter macht sich gleich Sorgen, dass ich mich sozial abkapseln würde und einfach lernen müsste, wie man mit Menschen umgeht. Das würde mit dem Alter schon kommen...
Psychologen und die meisten Ärzte lehnen sie übrigens strikt ab.
Es ist nicht so, als könnte ich keine Gruppenarbeit. Wenn in der Schule Gruppenarbeiten verteilt werden, halte ich mich zwar zuerst etwas zurück, werde aber recht schnell in eine Gruppe gewählt. Einmal habe ich den Schüler gefragt, warum er denn mich gewählt hat, da meinte er, dass ich so gut organisieren könne und den Stoff kann und ihnen damit eine gute Note bescheren würde. Ich habe klargestellt, dass ich nicht alles machen würde, jedoch gerne erkläre, falls jemand etwas nicht versteht. Später bin ich zum Lehrer gegangenen und habe versucht, ihn um Hilfe zu bitten, weil ich nicht verstand, warum die Schüler denken, ich würde das Referat für sie machen. Er reagierte ablehnend und meinte, wenn ich das machen würde, würde der Rest der Klasse bei der Präsentation wenigstens etwas lernen. Ich bin später noch zu einem anderen Lehrer gegangen und habe ihn dazu befragt. Dieser Lehrer versuchte zwar, mich "aufzumuntern", aber ich war dennoch enttäuscht von den wenig hilfreichen Reaktionen. Die nächsten Gruppenarbeiten verluegen alle so und der Lehrer wusste es, ließ es allerdings passieren. Eigentlich bin ich keine so gute Schülerin, ich bereite mich nur jeden Abend auf den nächsten Unterricht vor, indem ich mir das Thema ein paar mal durchlese. Auswendiglernen gehört glücklicherweise zu meinen Stärken, sodass meine Klassenarbeiten fast immer im 1-2 Bereich sind. Doch wenn ich eine 2+ oder gar eine 2 habe, spüre ich deutlich die Enttäuschung meiner Eltern.
Mit ihnen reden geht nicht, ich habe es schon so oft versucht...
In der Schule habe ich keinen Lehrer, dem ich genug vertraue. Unsere angebliche Vertrauenslehrerin hasst mich aus irgendeinem Grund und ich möchte mich ihr nicht anvertrauen. Mit der Schulsozialpädagogin möchte ich nicht reden, da ich schon einige Male erlebt habe, wie wenig dies bringt (Wir sollten nach einem Streit Mandalas gemeinsam ausfüllen und sie behandelt uns immer wie Kleinkinder).
Jetzt wo schulfrei ist, muss ich jeden Tag auf Anordnung meiner Eltern mehrere Stunden lernen, teilweise auch den Stoff der nächsten Klasse. Ich habe probehalber mal online IQ-Tests gemacht. Das Ergebniss bei der Süddeutschen Zeitung war über 140 und beim kostenlosen Mensa-Test habe ich von 33 Aufgaben 32 richtig gehabt. Ich weiß, dass dies nicht verlässlich ist und habe nicht viel darauf gegeben. Jedoch kann mein Vater irgendwie immer sehen, welche Seite ich wann geöffnet hatte (ich sende diese Email per Mobile Daten ohne Wissen meiner Eltern)
und als er das Ergebnis gesehen hat, ist er noch ehrgeiziger im Bezug auf meine Leistung geworden. So langsam erschöpft es mich, da ich teilweise noch spätabens heimlich lerne, um meine Eltern stolz zu machen. Es schmerzt mich, ihr Gesicht zu sehen, wenn ich etwas nicht kann. Als wir eine Reportage über irgendeinen menschengefüllten Platz gesehen haben, habe ich wieder Panik bekommen und bin auf die Toilette gestürmt. Meine Eltern meinten, ich wäre krank, weil ich dabei so blass war und ich kann nicht mit ihnen darüber reden, was wirklich los ist. Diese Panik oder was es ist, schränkt mich stark ein und ich brauche ein Ventil dafür. SVV. Es sind nur ein paar dünne Narben auf meiner linken Hand, die ich als Ausrutscher beim Schnitzen tarnen kann. Ich habe keine Absicht mich zu töten, sondern brauche einfach etwas, was meinen inneren Zwiespalt übertönt.
Was soll ich tun?

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Liara!

Auch bei dir möchte ich mich entschuldigen, weil du so lange auf eine Antwort warten musstest.

Mir fällt auf, wie gut du selbst für dich einstehen kannst: Nicht nur bezüglich deines Einschätzungsvermögens, sondern auch hinsichtlich deiner Grenzen (Beispiel Gruppenarbeit). Und hier hast du auch viele Chancen, welche du mutig ausbauen darfst: Durchbrich die permanente Last der Erwartungshaltung - erfülle sie schlichtweg nicht. Ja, das darfst du! Deine Eltern können dich nicht zwingen. Sie versuchen es zwar und haben Erfolg, weil du mitmachst. Aber letztlich räuberst du dich sinnlos damit aus. Sage ihnen klipp und klar, dass es so nicht läuft und dass gute Leistungen zwar schön sind, aber es dir dabei vor allem gut gehen muss! Stichwort intrinisische Motivation. Du bist kein "dressierter Affe", sondern ein Mensch mit komplexen Bedürfnissen, einem eigenen Willen und einem individuellen Lebenspfad. Wenn sie so Lust auf tolle Erfolge haben, sollen sie das bei sich suchen und dich in Frieden lassen. Natürlich kannst und solltest du ihnen das auf freundliche Weise sagen, doch durchaus bestimmt und resolut.
Genauso: Zeige ihnen, dass du Panik erlebst - sonst begreifen sie es nicht. Weder dir noch ihnen ist geholfen, wenn du so tust, als hättest du etwas anderes als deine Panikattacke. Sie brauchen offenbar länger, um alles zu realisieren - doch das ändert nichts an der Tatsache, dass sie mit der Wahrheit konfrontiert werden müssen, auch wenn sie unbequem und "schubladensprengend" ist.

Desweiteren kannst du versuchen, dir andere Erwachsene an deine Seite zu stellen, um gemeinsam mit ihnen deine Interessen zu vertreten und deine Rechte zu stärken. Deine Eltern scheinen zwar "harte Brocken" zu sein, doch hören sie vielleicht genauer hin, wenn beispielsweise ein:e Elternteil von einem Freund/einer Freundin von dir mal Tacheles mit ihnen redet. - Es kommen einige Personen in Frage - wichtig ist vor allem, dass du diesen das Vertrauen entgegen bringst, dass sie dir helfen können.
Besonders wichtig ist das bezüglich deiner Panikattacken, die sehr ernst zu nehmen sind! Mein Tipp: Vereinbare eine Hausarzttermin und besprich dort, was alles passiert ist. Dein Arzt/deine Ärztin kann dann den Ernst der Lage unterstreichen und deine Eltern hoffentlich davon überzeugen, dass du psychologisch begleitet werden solltest.
Auch eine pädagogisch geschulte Fachkraft einer Hochbegabtenvereinigung wäre eine tolle Unterstützung, einmal losgelöst von der Frage, ob du tatsächlich hochbegabt bist oder nicht. - Doch vieles spricht dafür und davon unabhängig sind solche Personen gut geeignet, zwischen dir und deinen Eltern zu vermitteln, weil die Übergänge von überdurchschnittlicher Intelligenz zu Hochbegabung fließend sind und einige Phänomene und Herausforderungen auf weit vor der "magischen Grenze" von 130 IQ-Punkten beginnen.
Es gibt beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V., das wäre eine mögliche Anlaufstelle. https://www.dghk.de/
Die Vernetzung mit anderen schlauen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen lege ich dir sehr ans Herz! Nicht nur um neue Freund:innen zu finden, sondern auch um den langfristigen Rückhalt, Förderung und Verständnis zu sichern. Es gibt örtliche Hochbegabtenvereine, Internetforen, Beratungsstellen und natürlich Gruppen im Social Media-Bereich.

Ich kann nachvollziehen, dass du die SVV als Ventil nutzt. Nichtsdestotrotz möchte ich an dich appellieren, dir gesunde Ausweichstrategien zurechtzulegen. Vielleicht kennst du ja bereits unsere Soforthilfe, leider ist sie derzeit noch ein Opfer unserer technischen Probleme. Doch es gibt einige andere Anlaufstellen im Netz, beispielsweise hier: http://rotelinien.de/alternativen.html
Außerdem gibt es im Kummerkasten-Archiv viele Beiträge zum selbstverletzenden Verhalten, die hoffentlich auch bald wieder über die reguläre Suchfunktion zu finden sind.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass du es dauerhaft ablegen können wirst, wenn sich deine Lebensumstände positiv verändern werden! Dazu gehört definitiv, dass du so viel Entspannung in deinen Alltag integrierst wie nur möglich. "Entspannung" ist aber sehr weit gefasst und kann im Prinzip alles sein - vom Denksport über Selbstbefriedigung bis zum Schrauben an defekten Geräten ist das Spektrum enorm.
--> Ich hatte in einer früheren Antwort ein paar Entspannungsmöglichkeiten zusammengestellt, ich zitiere:
"Du kannst auch in dich gehen und herausfinden, welche Art der Entspannung dir etwa bringen würde. Bist du beispielsweise ein sportlicher Typ? Dann kannst du nicht nur im Freien, sondern auch in deinem Zimmer für Bewegung sorgen - was wiederum gut für deine Seele ist. Du kannst z.B. joggen, Trampolin springen, Krafttraining machen etc. Auch Yoga wirkt sehr gut! Oder wenn du eine Neigung zu Handwerk, Kunst und Musik hast, kannst du deine Gefühle in Songtexten, Skulpturen oder Bildern zum Ausdruck bringen. Auch Fotografie ist ein schönes Hobby, das erfüllend und entspannend wirken kann. Auch gibt es einige Spiele, die entspannen und helfen, die Gedanken zu ordnen. Puzzlen ist da richtig toll! Sich in der Natur aufhalten ist ein weiterer Punkt, denn zum Einen tut die frische Luft gut, du kannst dich bewegen, nachdenken, neue Eindrücke gewinnen, interessante Sachen beobachten und dich an ihnen erfreuen... und damit das alles noch mehr Spaß macht, kannst du Freund:innen und/oder Kumpels mitnehmen.
Dann habe ich noch folgende Entspannungstipps für dich:
- Klassik zum Entspannen, z.B. https://www.youtube.com/watch?v=hSnD30bcAS8
Es gibt auch viele Radiosender rund um Ambient, Chill-Out und Entspannungsmusik.
- Vielleicht magst du auch ASMR: https://blog.teufel.de/was-ist-asmr/#chapter1
und passend dazu ein geflüstertes Märchen: https://www.youtube.com/watch?v=Jb5HFn2deCQ "

Und hier noch ergänzend weitere Antworten von mir:
* https://mein-kummerkasten.de/331792/Ich-haette-eine-Panik-Attacke-und-habe-mich-geritzt.html
* https://mein-kummerkasten.de/332618/Einsam.html
Rund um Ängste und Panik z.B. diese:
https://mein-kummerkasten.de/332266/Angsstoerung.html

Ich wünsche dir, dass es bald heilsame Effekte geben wird und sich seit deiner Zuschrift schon etwas zu deinen Gunsten verändert hat.
Auch die kleinen Veränderungen zählen :)

Du kannst dich jederzeit wieder an uns wenden, wir sind gerne für dich da.

Alles Liebe!
Nuala