Problem von Anonym - 16 Jahre

Ich komme nicht mit meinem Stiefvater klar

Ich wohne mit meiner Mama und meinem Stiefvater zusammen. Mein Vater ist gestorben als ich noch klein war. Zu meiner Tante/Onkel und Oma und Opa habe ich auch kaum noch Kontakt weil sie sich nicht mit meinem Stiefvater verstehen und die Familie somit ein wenig auseinandergerutscht ist. Ich und meine Mutter haben ein sehr gutes Verhältnis und ich kann mit ihr über alles reden. Ich habe meinen Stiefvater nie als Vater akzeptiert und aufgrund meines alters und der Dinge die schon vorgefallen sind wird das auch nicht mehr passieren. Er übertriebt sehr oft die Lage, was mich wahnsinnig wütend macht. Zum Beispiel sind seine die "Konsequenzen" für Fehler die ich mache oft viel zu streng. Das sieht meine Mutter oft auch so aber sie hat keine Chance gegen ihn anzukommen. Eigentlich hat er in meiner Erziehung die Hosen an und lässt sich nichts von meiner Mutter sagen. Er lässt nicht mit sich diskutieren. Vor ein paar Wochen war ich eine Zeit lang sehr zertreut und habe einige Dinge nicht auf die Reihe bekommen. Ursprünglich war die Strafe dafür, dass ich nicht auf den Geburtstag einer meiner besten Freundinnen durfte. Dann hat aber ihr Vater mit ihm geredet und ich durfte doch. Dann war die Konsequenz dass ich zwei Wochen lang "in der Spur laufen" musste. In der Zeit durfte ich nirgends übernachten und durfte nur bis 20 Uhr raus. Und jetzt sind schon drei Wochen vergangen und er lässt mich nicht auf eine Feier in ein par Tagen. Er brüllt mich immer so an. Dann brülle ich zurück und heute hat er sogar mit der Faust ausgeholt. Meine Mutter stand daneben und nichtmal danach hat er gemerkt wie falsch das war. Ich wil nicht mehr hier sein mit ihm. Es sind nur noch ein und ein halbes Jahr bis ich ausziehen kann aber das ist so viel Zeit. Ich bin wahnsinnig unglücklich und weiß nicht was ich tun soll. Meine Mutter ist auch überfragt und weiß nicht wie sie damit umgehen soll..

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Das klingt wirklich schrecklich. Ich kann verstehen, dass du so rasch wie möglich ausziehen möchtest. Und bestimmt wird das zumindest für dich einiges zum Positiven verändern.
Bauchgrummeln bekomme ich, wenn ich daran denke, dass deine Mutter dich nicht schützt und deinem Stiefvater so viel Erziehung überlässt. Das steht ihm meiner Ansicht nach nicht zu. Und Gewalt ist indiskutabel! Da kannst du sogar direkt die Polizei rufen, das könnte sogar einem Wachrütteln gleichkommen.
Ich denke, du wärst in einer Familienberatungsstelle gut aufgehoben. Vielleicht könntest du deine Mutter dazu bringen, dass sie dich zu einem Termin begleitet. Ansonsten: Mach es alleine, denn mit geschulten Profis das zu klären, was momentan bei euch los ist, scheint mir das Vernünftigste zu sein. So könnten sowohl die rechtlichen als auch die sozialen bzw. psychologisch-pädagogischen Seiten am besten erfasst werden.

Dann habe ich noch einen Gedanken, der dir vielleicht absurd erscheinen mag. Ich glaube jedoch, dass sich das Ausprobieren lohnen könnte.
Du kannst dich in absoluter Gelassenheit und Ruhe üben - und deinem Stiefvater klar zeigen, dass du eine freundliche Behandlung wünschst (und in vorheriger Absprache mit deiner Mutter sagen, dass du nur auf sie hörst, insbesondere dann, wenn es ein Beratungsgespräch gegeben hat und deine Mutter motiviert ist, eine Veränderung herbeizuführen). Freundlichkeit, nicht ausrasten, dich deiner Mutter zuwenden - möglicherweise könnte das funktionieren. Denn durch gegenseitige Aggression verschlimmern sich die einzelnen Situationen meistens noch. Was ich aber betonen möchte: Eine Dauerlösung ist es nicht, zumal vermutlich viel zu viel im Argen zu liegen scheint (sowohl bei ihm als auch bei deiner Mutter, die sich ihm aus unerfindlichen Gründen unterordnet laut deiner Beschreibung). Es ist aber viel für dich gewonnen, wenn du dich nicht in die "Gewaltspirale" hineinziehen lässt. Es ist nämlich gut möglich, dass er an dir Sachen rauslässt, die er woanders nicht zeigen kann. Frust bei der Arbeit als eine mögliche Ursache. Es ist aber für dich auch wurscht, warum er so tickt. Das ist seine Baustelle. Wichtig ist, dass du dich da nicht hineinziehen lässt. Gehe stattdessen raus, verlasse auch das Haus, sage ihm klipp und klar, dass er dich in Ruhe zu lassen hat. Sonst gehst du zur Polizei. Das erfordert Mut, doch du hast das Recht dazu und darfst dich entsprechend vor ihm positionieren. Wie schon beschrieben ohne Ausraster und dramatische Szenen - wenn möglich.
Der große Vorteil des Ruhigbleibens mit gleichzeitigem Grenzenschützen ist der, dass du deine Energie nicht vergeudest und dich nicht so ohnmächtig fühlst. Es ist sehr bedeutsam, sich mächtig und handlungsfähig zu fühlen - also nicht ausgeliefert, dauerzornig und verbittert. Du kannst dich dann selbst als stark und gefestigt wahrnehmen und dich dadurch auch durch sehr heikle Momente führen. Und das wiederum kann dir neue Kraft und Zuversicht für die Zukunft liefern.

Manchmal hilft es auch, so jemanden "auszublenden", also nur das Allernötigste mit der Person zu sprechen und die Aufmerksamkeit bewusst woanders hinzulenken. Aber auch hier gilt: Es gibt elegantere Wege, nämlich die Probleme am Schopf zu packen (--> ernstes Gespräch mit deiner Mutter + Beratungsstelle + konsequent Auszug vorbereiten und umsetzen).

Ob deine Mutter wirklich gut aufgehoben ist an der Seite eines solchen Wüterichs sollte sie sich einmal ernsthaft fragen, doch das liegt allein bei ihr. Ich würde sie gerne schütteln, damit sie aufwacht - denn natürlich hat sie es in der Hand, alles zu verändern! Sie muss doch nicht mit so jemandem zusammensein, sie kann doch ein fettes NEIN an den entsprechenden Stellen aussprechen! Wer weiß, vielleicht würde deine Mutter auch von einer speziellen Beratung und professionellen Begleitung profitieren. Du kannst ihr sagen: "Mama, du hast Verantwortung! Für dich, dein Glück - und für mich, deine Tochter! Warum bist du da ratlos? Komm, wir schaffen das gemeinsam, du und ich!" Gerade weil ihr so ein tolles Verhältnis zueinander habt, kannst du da positiv auf sie einwirken und sie an ihre Stärke und ihren eigenen Willen erinnern! Sowohl bezüglich aller allgemein geltenden Persönlichkeits- und Freiheitsrechte aller Menschen als auch ihrer privaten Angelegenheiten. Und dazu zählt natürlich auch der Bereich Kindeserziehung.

Wenn du den Schritt der Beratung gehst und ihr eindringlich vermittelst, dass du das Verhalten ihres Partners nicht mehr länger akzeptierst (und bei Bedarf sogar die Polizei informierst), könnte das auch bei ihr einen Stein ins Rollen bringen. Du kannst also bestenfalls als mutige Vorreiterin für deine Mutter fungieren, also als Vorbild dienen. Und das wäre ja durchaus eine schöne Aussicht.
Dein baldiger Auszug kann dir auch schon Kraft spenden, also versuche dich an dieser Vorstellung zu erfreuen und zu wärmen.

Ich wünsche dir alles Gute und drücke dir die Daumen, dass es bald Bewegungen im Positiven geben kann.

Sei lieb gegrüßt,
Nuala