Problem von Jarodee - 33 Jahre

Zu dumm?

Hallo liebes Team,

ich weiß gar nicht, wie ich es erklären soll. Ich arbeite seit Mai in einem neuen Job und glaube, ich bin zu dumm dafür. Ich habe zweifach studiert und sehr viele Weiterbildungen gemacht. Ich bin eigentlich sehr gut vorbereitet auf die Arbeit. Meine Studienabschlüsse sind beide überaus gut, in den Weiterbildungen habe ich oft als Beste abgeschnitten, dennoch habe ich mir meinen ersten Schritt ins Berufsleben nicht unbedingt zugetraut und sagen wir mal klein angefangen und etwas gemacht, was dem Studium nicht entspricht. Ich hab mich schnell unterfordert gefühlt. Die Arbeit lief so vor sich hin und ich wurde unzufrieden, weil die Herausforderungen fehlten und so bewarb ich mich im April für etwas Neues, was meinem Abschluss entsprach und wurde nur zwei Wochen später eingestellt.
Nun arbeite ich in dem neuen Umfeld seit Mai und werde zunehmend depressiv, da ich das Gefühl habe, ich bin überfordert, mache Dinge falsch, die ich längst können sollte und komme einfach nicht zurecht... Ansprechen kann ich das hier nicht, da ich den Job nicht verlieren will, doch alles ist plötzlich so viel. Ich gehe im Dunkeln zur Arbeit und komme im Dunkeln wieder, es ist viel Personalmangel (ich arbeite im sozialen Bereich) und die Dokumentation und Verantwortung wird immer mehr. Es wächst mir über den Kopf. Ich habe Angst, dass ich nicht behalten werde und eigentlich wünschen sich mein Partner und ich ein Kind, weshalb ich diesen Job auch dringend brauche... Mit weniger Gehalt würden wir nicht gut zurecht kommen, da wir in einer relativ teuren Stadt wohnen. Umziehen käme leider nicht in Frage, da mein Partner hier arbeitet. Aber ich habe dringend das Gefühl, ich müsste mein Leben entschleunigen, um mehr Überblick zu erhalten und vielleicht alles zu leisten, was von mir abgefordert wird... Wie gehe ich denn mit dieser Überforderung um? Noch ein Jobwechsel kommt eigentlich derzeit nicht in Frage... Haben Sie vielleicht Ratschläge für mich? Achso, ich weiß, dass eine Therapie zur Stressbewältigung sinnvoll wäre, aber ich versuche eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen, die jemand mit therapeutischem Hintergrund leider ablehnen würde...

Liebe Grüße,
Jarodee

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Jarodee,

gerne gebe ich dir meine Einschätzung.

Mir scheint, dass du dich mit deinen geistigen Potenzialen befassen und dein Licht nicht unter den Scheffel stellen solltest. Es kann sein, dass du einfach unterfordert bist (und dies mit Überforderung verwechselst) oder schlichtweg nicht geeignet für deinen Job bist. Aber nicht aus Dummheit, sondern aus anderen Gründen. Denn jeder berufliche Bereich bringt seine typischen Anforderungen mit sich - da kann man sich schnell mal verrennen. Ich empfehle dir das Buch "Mach was du kannst" von Aljoscha Neubauer.

Ansprechen solltest du Dinge aber durchaus! Das gehört zu einer guten Arbeitspraxis dazu, einmal offenzulegen, was (noch) Schwierigkeiten bereitet, geklärt werden muss, Nachholbedarf besteht etc. Bitte traue dich, zu deinen Schwächen zu stehen - sie sind voll okay und gehören dazu! Genauso das Fehlermachen. Wer arbeitet, macht Fehler. Es ist nur so eine (deutsche) Untugend, Fehler als etwas Schlechtes zu brandmarken.
Und ganz ehrlich - wer dann nicht damit umgehen kann, dass du nicht wie ein Roboter funktionierst, hat nichts verstanden. Dann solltest du dich auch direkt fragen, ob du dort am richtigen Fleck bist.

Vielleicht hast du schon vom sogenannten Impostor-Syndrom gehört. Das könnte eventuell auf dich zutreffen. Lies gerne einmal diesen Artikel sowie diese ältere Zuschrift, in der ich ausführlich zum Thema Dummheit versus Intelligenz/Begabung geantwortet hatte.
* https://www.zeitblueten.com/news/impostor-syndrom/
* https://mein-kummerkasten.de/331055/Angst-vor-Dummheit.html

Mit Sorge lese ich, dass du dich irgendwie verkrümmst, nur um "mithalten" zu können. Das wird auf Dauer schlecht enden und dir ggf. psychische und physische Beeinträchtigungen bescheren. Du solltest dich fragen, warum du dich derart verbiegen willst.
Wo bleibst du?
Was willst du wirklich?
Warum willst du kürzer treten - für Andere, für ein Ideal möglicherweise...?

Du brauchst keine Therapie, keine "Selbstoptimierung". Du brauchst einfach einen realistischen Blick auf dich als Mensch, mit all deinen _eigentlichen_ Bedürfnissen, Wünschen und Träumen. Vergiss das Hamsterrad und den Stress, den du dir von außen aufpropfen lässt. Nutze deine Intelligenz, um dich selbst zu erkunden. Gib dir Zeit und Ruhe. Reflektiere, ob du wirklich richtig in deinem Job bist.

Sei gnadenlos ehrlich zu dir!
Und falls du wirklich Profi-Unterstützung haben möchtest, kannst du dich auch von psychologischen Coaches begleiten lassen und/oder ein Seminar besuchen.

Zum Thema Partnerschaft und Familiengründung:
Man braucht kein fettes Ersparnis, um Kinder bekommen zu dürfen. Hier darfst du kritisch sein und untersuchen, woher dieser Glaube stammt.
Man kann durchaus auch mit etwas weniger Geld clever haushalten, ohne auf Herzensdinge verzichten zu müssen. Es ist auch immer die Frage, wie Prioritäten gesetzt werden und wie der Konsum geartet ist. Psyche und Prägungen spielen da eine enorme Rolle! Manche glauben beispielsweise, sie brauchen erst einen ultrateuren Kinderwagen, um als "gute Eltern" zu gelten. Und stehen sich damit selbst im Weg. Bitte vergiss nicht: Kinder brauchen in allererster Linie intensive Nähe und bedingungslose Liebe. Materielles ist so zweitrangig. Am Anfang brauchen Kinder auch kein eigenes Zimmer. Man kann sich nach und nach steigern und erweitern, aber während Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren kann eine kleine Familie auch mit der ursprünglichen Wohnung zurechtkommen. Die Nähe zu den Eltern tut dem Baby ja auch sehr gut. Es braucht weder ein eigenes Zimmer noch ein eigenes Bett, sogar im Gegenteil - es kann direkt bei seinen Eltern schlafen, was für das Stillen u.a. extrem praktisch ist und der Mutter sehr viel mehr Schlaf bietet. Man kann also durchaus effektiv und bedürfnisorientiert vorgehen und dadurch Geld sparen. Und das war nur eines von vielen Beispielen. Kinderkriegen ist eine Frage des Herzens und erst nachrangig des Geldbeutels! Wenn du also schon jetzt spürst, dass du gerne ein Kind bekommen möchtest, solltest du dein Gefühl sehr ernst nehmen!

Dazu passend stellt sich mir die Frage, ob ihr wirklich nicht umziehen könntet, um eurer Familie in spe eine günstigere Wohnsituation zu ermöglichen. Denn dein Partner kann sich natürlich auch etwas Neues suchen. Sicher - einen guten Job sollte man nicht leichtfertig aufgeben. Verständlich. Aber: Tappe bitte nicht in die Rollenfalle, dass du deinem Partner "den Rücken freihalten" willst. Es ist durchaus zumutbar, dass ihr euch beide komplett orientiert und berufliche und persönliche Entfaltung und Neuorientierung für euch beide offen stehen. Denke groß und mache dich groß! Du musst dich da weder sozialen noch beziehungstechnischen Normen unterordnen. Es kann auf jeden Fall auch in preiswerteren Gegenden Jobs für euch geben, man muss nicht an Ort und Stelle verharren. Der Trick ist unter anderem, das eigene Denken zu erweitern und alle Möglichkeiten einmal durchzuspielen, ohne sie gleich vom Tisch zu fegen.

Ich empfehle dir, dich intensiv mit dir und deinen geistigen Gaben zu befassen.
Sprich mit deinem Partner darüber, was dich bewegt.
Überlegt euch kluge Pläne.
Wenn ihr euch fair und offen über Ängste, Ansichten und Perspektiven austauscht, seid ihr ein unschlagbares Team, das dann auch bereit ist für das "Abenteuer Elternschaft". :)

Ich wünsche dir, dass du die Brocken aus deinem Weg räumst, um freie Sicht auf dein Leben zu bekommen. Mit all dem, was du dir wirklich ersehnst und was wirklich zu dir gehört.

Alles Liebe,
Nuala