Problem von Peter - 47 Jahre

Lebenssituation

Hallo, ich bin 47 Jahre, und die jetzige Situation ( Coronavirus ) wird mir einfach zu viel. Ich komme mit meinem Leben überhaupt nicht mehr klar. Das einzige was ich noch mache, ist in die Arbeit zu gehen, sonst sitze ich den ganzen Tag zuhause. Auch einkaufen schaffe ich nicht mehr. Ich lasse mir meine Lebensmittel oder Medikamente alle bringen. Ich weiß nicht mehr was ich machen soll.

Vielleicht können Sie mir vielleicht weiterhelfen.

Lg Peter

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Peter,

du scheinst dich in einer verfahrenen Lage zu befinden. Und zweifellos beutelt uns Corona sehr - manche mehr, manche weniger.
Das Eine ist, dieses Jahr so zu akzeptieren, wie es ist. So oft fragen wir uns: Was ist das für ein verflixtes Jahr? 2020 wird uns allen sehr lebhaft in Erinnerung bleiben.
Ich weiß nicht, was genau dich so mitnimmt, daher schreibe ich recht allgemein und versuche, mehrere Aspekte aufzugreifen.

Es kommt im Umgang mit solchen Herausforderungen und Krisen sehr stark auf die persönlichen Ressourcen an, wozu u.a. persönliche Bindungen, erfüllende Freizeitbeschäftigungen, Gesundheit und Werte gehören. Gibt es in diesen Bereichen Lücken, Leere bei dir? Wenn ja, solltest du dem nachgehen. Sehnst du dich vielleicht nach Abwechslung, neuen Menschen um dich herum, einer anderen Alltagsstruktur...? Es gibt so viele Möglichkeiten, weswegen es dir schlecht gehen kann. Vieles greift ineinander. Du könntest mal alles notieren, was dich frustriert. Und gleichzeitig überlegen, wie sich das ändern ließe - gepaart mit dem Ansatz, was dir früher Halt und Energie gegeben hat. Was macht dir grundsätzlich Spaß? Worin bist du früher aufgegangen? Und wie kannst du das möglichst rasch wiederbeleben bzw. in deinen Alltag integrieren? Wenn du z.B. gerne mit alten Schulfreund:innen telefoniert hast, wäre es famos, wenn du ein Telefonat starten würdest. Wenn du weißt, dass du bei Gartenarbeit Ruhe findest, raus mit dir! Wenn es dir hilft, mehrere Kilometer zu joggen, dann plane es dir ein!
Schreiben ist generell sehr hilfreich. Guck mal hier, das ist ein Artikel zu einer bestimmten Tagebuchtechnik: https://www.geo.de/wissen/gesundheit/22678-rtkl-schwarz-weiss-tagebuch-mit-einem-einfachen-trick-sehen-sie-vieles?utm_source=pocket-newtab

Und nicht zuletzt kommt es auf den Sinn an, den man in den Dingen erkennen kann. Daran angelehnt möchte ich dir die folgenden Fragen stellen?
--> Vielleicht ist dein Zustand sogar positiver, als er bisher auf dich gewirkt hat...?
--> Ein Weckruf?
--> Ein Appell an dich, deinen gewohnten Trott zu verlassen?
--> Etwas Neues zu denken, zu versuchen, umzusetzen?
--> Deine Arbeit/deinen Beruf zu hinterfragen?

Sieh deine Situation als Chance, dich weiterzuentwickeln und auf das zu hören, was aus dir selbst heraus sprechen möchte. Deine Unzufriedenheit wurde sicherlich durch Corona befeuert, war aber zumindest in Ansätzen schon vorher vorhanden - das ist meine Vermutung. Du kannst überprüfen, ob da etwas Wahres dran sein könnte.

Oftmals leidet der soziale Aspekt während Corona. Doch wir alle brauchen nach wie vor Menschen, die uns beistehen, zuhören, mit denen wir Interessen teilen und uns intim mitteilen können. Wir brauchen verschiedene Beziehungen, egal ob in der Verwandtschaft, im Freund:innenkreis, im Arbeitsleben oder in der Nachbar:innenschaft. Daher wäre ein großer Punkt, dass du dich sehr gezielt an verschiedene soziale Gruppen wenden würdest, sofern du hier Bedarf bei dir verspürst. Dazu hier mal einige Tipps, die +/- anwendbar sind (je nach den entsprechenden Kontaktbeschränkungen...):
* Wahrnehmen von Freizeitbeschäftigungen, Hobbys mit Leuten, die ähnlich ticken
* Vielleicht gibt es bei dir in der Nähe Alltagsbegleiter:innen - manche machen das auch ehrenamtlich (z.B. über einen Tauschring)
* Enger Austausch mit Gleichgesinnten (Foren, Online-Gruppen, Selbsthilfegruppen, Gesprächskreise,....)
* Teilnahme an sozialen Angeboten in deiner Umgebung, z.B. in einem Nachbarschaftscafé, Begegnungscafé, Brunch, Ausflüge...
* (Wieder)beleben von früheren Kontakten, die dir eigentlich gut getan haben
* Einfach mal mit der Familie über das Bedrückende sprechen, aber auch über Hoffnungsvolles, Positives
--> Igele dich bitte nicht ein, sondern gehe aktiv auf deine Mitmenschen zu! Hier kannst du sehr viel rausholen, wenn du dich bewusst für eine positive Veränderung entscheidest. Dein Wille ist dein Werkzeug! Wenn du erstmal sozial aufgefangen bist, wird es deutlich einfacher werden, die einzelnen inneren "Baustellen" anzugehen und dich mehr und mehr zu kräftigen.

Es geht letztlich auch um die übergeordnete soziale Sinnfrage: Bin ich ein Teil eines großen Ganzen? Bin ich Teil einer harmonischen Gemeinschaft? Vielleicht würdest du auch Halt in einer religiösen oder spirituellen Gruppe finden (solange es kein Sekte ist). Es bringt schon viel, ein-bis zweimal pro Woche in einen Verein zu gehen und dadurch regelmäßig die gleichen Menschen zu treffen. Auch ein Ehrenamt bringt nicht nur neuen Sinn und Freude, sondern schafft neuen sozialen Austausch. Guck mal hier: https://ehrenamtcheck.de/

Sollte das alles nicht fruchten, wäre psychotherapeutische und/oder psychiatrische Hilfe in einer Klinik oder ambulant sinnvoll. Auch eine psychologische Beratungsstelle kann super sein, um eine erste Orientierung zu geben. Wenn es um die Neugestaltung deines aktuellen Lebensabschnittes geht, kann auch ein psychologisches Coaching bzw. eine Lebensberatung geeignet sein.

Du hast alle Macht, dein Leben nun neu auszurichten. Das muss nicht "perfekt" werden, sondern einfach anders. Zufriedenheit in Bereich X und Y wäre doch schon ein toller Anfang. Es ist im Kleinen so viel Gutes versteckt, das auf uns wartet. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese lange Phase der Entbehrung und Herausforderung sehr wohl für unsere individuelle Entwicklung nutzen können. Auch wenn es holprig und zäh sein kann - damit zu beginnen ist schon ein Meilenstein.

Hier gibt es noch viele Tipps und Hintergrundinfos genau für diese Phase:
https://psychologische-coronahilfe.de/hilfen-fuer-erwachsene/
Ich verlinke dir noch ein paar ältere Zuschriften, die hoffentlich weitere hilfreiche Aspekte für dich enthalten.
* https://mein-kummerkasten.de/332618/Einsam.html
* https://mein-kummerkasten.de/332237/Hilfe-zur-Bewaeltigung-von-Trauer-und-Depression-Meine-Taktik.html
* https://mein-kummerkasten.de/332349/Das-Leben-nervt.html
* https://mein-kummerkasten.de/332016/Habe-mein-Leben-voll-gegen-die-Wand-gefahren.html

Ich wünsche dir alles Liebe,
Nuala