Problem von Maria - 35 Jahre

Er schläft nicht mehr mit mir

... Ich bin so froh dass ich Euch gefunden habe.  Ich war schon so verzweifelt weil ich nicht wusste mit wem ich reden sollte. Ich wollte nicht zum Psychologen ... Ich wollte nicht dass Gefühl haben krank zu sein,  oder Jemandem der wirklich ein Problem hat, seinen Platz auf der Couch streitig machen.
Ich kann mit keinem meiner Freunde darüber reden,  weil ich Angst vor der Antwort habe und meine Mutter, mit der ich sehr gut befreundet bin, kann dazu nicht viel sagen.

Vor zweieinhalb Jahren habe ich die achtjährige Beziehung mit meinem Exfreund beendet. Er hat einfach zu viel auf meinen Schultern abgeladen und ich war mit dem Alltag oft allein.  Und dann war da X. Ein Arbeitskollege. Seine Freundin hatte sich grad von ihm getrennt und plötzlich war er interessant für mich...
Die Anfangszeit war aufregend und ich war verliebt, sehr verliebt, mehr als er - defintiv mehr.  Es war nicht immer leicht - er wollte erst nichts Festes, dann hielt er unsere Beziehung lange geheim. Ich musste schnell feststellen dass er depressiv ist und sich vieles häufig um ihn drehen musste. Ich hab viel geweint  - sehr viel.  Ich musste lernen mit seiner Art klar zu kommen.
Dennoch sind wir heute ein gut funktionierendes Paar. Wir sind sehr aktiv; reisen (wenn nicht grad Corona ist), treffen Freunde, sind gesellig.  Wir haben zusammen eine Wohnung und die Zeichen stehen auf Zukunft.
Leider schläft er nicht mit mir bzw. nur sporadisch. Von Anfang an wusste ich dass er anders ist. Ich wahr in meinem vorherigen Leben weitaus sexuell aktiver, neugieriger und hatte Spaß an der Lust. Bei ihm änderte sich das. In den ersten paar Wochen hatten wir fast jeden Tag Sex. Aber nur in einer Position; ich oben.
Und sonst: nichts weiter. Er berührt mich nicht intim, nur die Brüsten.
Nun nahm auch die Häufigkeit ab, was denke ich, auch normal ist. Mittlerweile sind wir bei einmal im Monat angekommen =(
Es bricht mir das Herz.  Es geht mir gar nicht um die Befriedigung, mir fehlt die Nähe, die Lust,  das Feuer und zu guter Letzt auch die Bestätigung.
Anfänglich habe ich alles versucht, aber er springt nicht mal auf meine Berührung an. Anstelle sich mit zu widmen, starrt er auf den Fernseher.  Wir haben schon oft über dieses Thema geredet und er sagt dass er mich versteht und dann verspricht er mir dass es besser wird ... aber es passiert nichts. Auf die Frage was ich tun kann, sagt er mir dass es nicht an mir liegt.  Manchmal liege ich neben ihm und weine heimlich weil mir die Ablehnung das Herz bricht. Sie dreht mir den Magen um und schnürt mir den Hals zu.
Ich bin hin und her gerissen,  weil ich nicht mehr weiß ob ich einen Versuch starten soll oder ob ich ihn damit wieder unter Druck setze.  Mittlerweile hab ich das Gefühl dass ich schon gar nicht mehr weiß wie es geht.  Wenn er mich fragt,  was mit mir los ist, sage ich dass nichts ist,  weil ich nicht wieder mit diesem Thema anfangen will. Wieder reden,  für nichts. 
Ich fühle mich geliebt aber nicht begehrt.
Mit Sicherheit bin ich nicht super heiß aber ich bin liebevoll und ich rieche meines Erachtens nach auch nicht unangenehm. Ich hatte noch nie wirklich ein Problem mit Eifersucht, nur "das Übliche" aber jetzt ist mein Selbstbewusstsein so tief gesunken dass es mir schwer fällt diese zu kontrollieren. Ich denke mir, wenn ich es nicht bin die er begehrt, wer ist es dann?
Er liebt es mit mir zu kuscheln,  am liebsten ständig aber mehr passiert nicht.
Ich würde mir so wünschen mal wieder ein bisschen Spannung und Erotik zu fühlen aber da ist nichts und die Aussichten sind nicht gut. 
Manchmal hat er Errektionsprobleme, was ich nicht schlimm finde,  so lange wir es versuchen. 
Ich bin so hilflos und weiß nicht was ich tun soll. Ich weiß dass wahrscheinlich eine Therapie die einzige Lösung ist aber ich hab die Hoffnung verloren und ich kenne niemanden mit dem ich darüber reden kann.
Meine Liebe zu ihm ist riesig, allerdings habe ich Angst dass ich sie so nicht aufrecht erhalten kann.
... danke für's Zuhören.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Maria!

Ich finde es schön, dass du den Weg zu uns gefunden hast und dir alles von der Seele schreiben konntest.
Aus Datenschutzgründen habe ich den Namen deines Partners zensiert.

Interessant finde ich, dass du dich deinen Freund:innen aus Angst vor der Antwort hast. Da frage ich mich natürlich, was du damit meinst! Du kannst diese Angst hernehmen und reflektieren.

Ebenfalls auffällig finde ich, dass du eine:n Psycholog:in erwähnt hast. Und das bezieht sich vermutlich auf deine Sorge, mit dir würde irgendwas nicht stimmen, wenn ich deine Zeilen richtig interpretiere. Dabei beziehe ich mich auf deine Befürchtung, für deinen Freund sexuell nicht attraktiv zu sein. Ich möchte dich beruhigen. Du bist total okay. Leider neigen viele Frauen* aufgrund der Medien, alter Rollenbilder, Erziehung, usw. dazu, sich, ihre Sexualität, ihre Bedürfnisse und ihren Körper grundlegend in Frage zu stellen und sich ganz rasch zu schämen (für nichts und wieder nichts, als wäre Sexualität eine Leistung, die frau zu erbringen hätte). Anstatt die Beziehung als solche, die Interaktion anzuschauen, stellen sie sich in das Zentrum der Kritik. Du musst aber weder anders aussehen, anders riechen noch andere sexuelle Handlungen an den Tag legen. Und selbst wenn dein Partner da ein Anliegen hätte, läge es in seiner Verantwortung, dir das zu vermitteln. Sprich: Mach' dich bitte nicht verrückt - vor allem vor dem Hintergrund, dass du schon versucht hast, die Partnerschaft zu beleben und Dinge zu klären. Deine Lust, deine Wünsche und insgesamt DU bist komplett in Ordnung! Da gibt es nichts zu verheimlichen, kleinzureden, zu verändern. Deine Libido ist da und will gesehen und gelebt werden - wie wunderbar das doch ist :)

Die Liebe, die zu einem anderen Menschen vorhanden ist, ist nicht notwendigerweise an Begehren gekoppelt. Man kann sich sexuell nach jemandem verzehren und ihn in Wahrheit nicht lieben. Man kann geschwisterlich, freundschaftlich lieben. Man kann distanziert(er) lieben.
Die Liebe ist so vielgestaltig wie Erotik und Sexualität. Und wir tun beiden Bereichen Unrecht, wenn wir sie immer gemeinsam in Aktion wissen wollen.
Möglicherweise zeigt dir dein Freund seine Liebe auf andere Weise. Du kannst dich einmal mit den "fünf Sprachen der Liebe" befassen - aber ich finde, man kann es nicht so eingrenzen. Liebe ist einfach. Sie ist frei und gehört allen. Dein Freund kuschelt sehr gerne mit dir: Damit zeigt er dir doch, wie sehr er dich mag und deine Nähe genießt.

Du solltest damit aufhören, die Häufigkeit und die Art eurer sexuellen Begegnungen als den Gradmesser deiner Attraktivität anzusehen oder als Indikator für euer Beziehungsglück. Oder dich als sexuell "minderwertig". Du bist, wer du bist. Du hast deine Gelüste, nur eben nicht die passenden Gelegenheiten, vielleicht auch nicht den dauerhaft passenden Partner. Aber du bist immer wertvoll, strahlend und wunderbar - wenn du es zulässt!

Ich möchte deine Aufmerksamkeit weg von dem angeblich "Fehlerhaften an dir" hin zu deinen Bedürfnissen lenken. Denn da sehe ich einen zentralen Punkt in deiner Geschichte!
Dazu muss ich etwas ausholen.
Du beschreibst, dass ihr einen schwierigen Start hattet. Offenbar war er nicht im gleichen Maße begeistert von dir wie du von ihm. Nun möchte ich nicht spekulieren, was genau das im Einzelnen gewesen sein könnte. Sicherlich spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Denn allein schon euer rasches Zusammenkommen nach euren vorherigen Partnerschaften kann dazu beigetragen haben, dass ihr es zusammen härter hattet, als wenn ihr euch in Ruhe nähergekommen wärt, ohne gleich den "Druck" einer neuen Beziehung zu haben. Hinzu kommen noch seine psychischen Probleme, das sind ordentliche Pakete, die er zu tragen hat.
Ich will aber auf einen Aspekt etwas eingehen. Hast du dich schon einmal gefragt, ob ihr grundlegend zusammenpasst? Ich muss nämlich ehrlich gestehen, dass ich daran gewisse Zweifel habe. Und das möchte ich dir nicht einreden, ich möchte nur ehrlich zu dir sein. Man kann sich menschlich sehr schätzen und doch als Paar ungeeignet sein. Man kann sich anziehend finden und sich dennoch im Alltag wenig zu sagen haben. Man kann in jemandem die Mutter/den Vater der potenziellen Kinder sehen, aber keinerlei sexuelles Verlangen nach ihm oder ihr haben. Verstehst du, was ich meine?
Eine Partnerschaft kann verbessert werden, sie kann neu belebt und wichtige Werte geklärt werden. Aber das Fundament muss stimmen!
Und jetzt zurück zu deinen Bedürfnissen. Sicherlich hast du das Bedürfnis, eine solide Liebesbeziehung zu führen. Und du hast faktisch sexuelle Bedürfnisse, die chronisch unbefriedigt bleiben. Dazu komme ich dann gleich noch.
Neben diesen Bedürfnissen, die sich auf eine zweite Person, deinen Partner, beziehen, hast du aber sicherlich noch viele weitere und auch Wünsche, Ziele, Träume. Und hier darfst du dich fragen:
* Wie sehr kümmerst du dich um dich selbst?
* Kannst du auch Sexualität mit dir selbst genießen und dich schnell befriedigen, wenn du den Drang hast?
* Bindest du dein Wohl an das, was dein Partner tut oder nicht tut?
* Setzt du deine Persönlichkeit so um, sodass du dich selbst im Zentrum deines Lebens wahrnehmen kannst? Bist du sozusagen deine Hauptdarstellerin, deine eigene beste Freundin?
Es gäbe noch viel mehr zu fragen. Du kannst das alles in Ruhe durchgehen und dir weitere Fragen stellen.
Mir geht es darum, deinen Blick dahingehend zu erweitern, dass du dich nicht als das verbesserungswürdige Wesen ansiehst, das "Schuld" an der eigenen Nicht-Befriedigung hat. Du hast die Macht, dir selbst das zu geben, was du brauchst. Am Beispiel Sexualität besteht das ganz simpel darin, dass du dich regelmäßig selbstbefriedigst. Und ja, das ersetzt nicht die Sexualität, die man mit einem Gegenüber erleben kann. Doch es ist ein Anfang, aus der Trauer auszubrechen und sich selbst zu erfüllen. Weil letztlich bist du auch die Quelle, aus der alles kommt: Du kannst durch deine Ideen, deine Produktivität, deine Fähigkeiten und dein Wesen dafür hernehmen, dir Freude komplett für dich selbst zu verschaffen. Das ist etwas, was sich definitiv sehr positiv auf eure Beziehung auswirken kann - vorausgesetzt, dein Freund liegt genauso viel an einer guten Veränderung und hat genauso viel Liebe für dich übrig wie du für ihn. Er profitiert also genauso wie du, wenn du dich mehr um dich kümmerst. Erstens merkt er, dass du aufblühst und zweitens nimmt es ihm den Druck. Es eröffnet neuen Freiraum, in den ihr gemeinsam hineinwachsen könntet.

Neben diesen Überlegungen zu deiner persönlichen Selbstverwirklichung will ich nochmal auf euch als Paar und eure Passung eingehen. Leider kann es eben wirklich so sein, dass ihr nur zu einem bestimmten Grad miteinander harmoniert und eventuell euer Sexualleben zu wenig kompatibel ist. Deine Beschreibung, dass er anfangs zwar durchaus oft mit dir Sex hatte, aber nur in einer bestimmten Stellung, deutet darauf hin.
Es müsste da ein klärendes Gespräch erfolgen:
Was willst du? --> Das muss er wissen.
Was will er? --> Das musst du wissen.
Mir scheint, du hast kaum Einblicke in sein Innenleben. Vielleicht redet ihr körperlich als auch verbal aneinander vorbei...
Was wollt ihr als Paar? --> Das solltet ihr gemeinsam erarbeiten. Dazu gehört, dass ihr absolut ehrlich zueinander seid, buchstäblich die Hosen runterlasst und auch mal sagt, wie ihr euch neue Möglichkeiten erschließen könntet. Eine offene Beziehung kann ggf. eine Option sein - aber nur dann, wenn ihr das beide absolut wollt und vertreten könnt. Und gelernt habt, derart gut miteinander zu kommunizieren, dass ihr euch da absolut aufeinander verlassen könnt. Mit super Absprachen, klaren Regeln, Fairness und eben Offenheit. Es gibt liebevolle Paare, die sich so abgesprochen haben. Sie bekommen anderweitig bestimmte Sexpraktiken bzw. -konstellationen, die sie in der Paarbeziehung nicht oder anders haben. Das ändert aber nichts an ihrer Liebe, denn wie schon geschrieben kannst du Liebe und Sex sehr gut als getrennt voneinander erachten! Du dürftest dir also durchaus zugestehen, wenn du gerne mit anderen Personen schlafen möchtest. Solange das Ganze in Aufrichtigkeit abläuft und sich alle Beteiligten gut damit fühlen, ist es eine Win-Win-Situation. Denn was gibt es Schöneres als eine:n glücklichen und ausgelastende:n Partner:in? Während die eine Partei sich sexuell beglückt, nutzt die andere die Zeit für ihre Freizeit - oder um sich ebenfalls mit jemandem intim zu verabreden. Nur in Zeiten von Corona eher schwierig in der Umsetzung. Doch gerade solltet ihr ohnehin als Pärchen im Vordergrund stehen und wenn eure Themen ins Rollen kommen, könnten eventuell nach und nach weitere Leute auf den Plan gerufen werden.

Der Wille zur Veränderung muss faktisch auch bei deinem Freund vorhanden sein.
Ich empfehle dir gerne noch die Bücher von David Schnarch, weil die super Hintergrundinfos liefern und bei der Bewältigung von Beziehungskonflikten und klassischen Schwierigkeiten handhabbare Lösungsmöglichkeiten vorstellen. Doch das Lesen von entsprechender Literatur, eine Beratung usw. helfen eben nur, wenn alles Weitere gemeinsam erfolgt. Deswegen möchte ich den Fokus auch auf dich als Person und deine Bedürfnisse gerichtet sehen.

Zum Thema Selbstwert/Selbstbewusstsein kann ich dir u.a. diesen Beitrag von Dr. Leonie Thöne empfehlen: https://www.youtube.com/watch?v=lfNlUhYYRoI&list=PLC2vUlHPDdOIhsePaPunf4Swq1wVuy6-L&index=2
Sie hat noch einige andere wichtige Beiträge in ihrem Kanal, die du dir gerne anschauen kannst.

Mein Tipp an dich: Lieben darfst du alles und jede:n, das muss auch nicht im Rahmen einer festen Partnerschaft erfolgen. Aber vor allem solltest du dich so lieben, dass du deine Bedürfnisse nicht immer wieder verbirgst, verleugnest und verschiebst. Sei so mutig und stelle dich deinen Ängsten, stelle dich den notwendigen Veränderungen - ob mit oder ohne deinen Freund.

Ich wünsche dir alles Gute, Love & Peace für das kommende Jahr.
Nuala


PS: Wir haben über die Jahre viele ähnliche Zuschriften erhalten. Sehr gerne kannst du dich durch die Rubriken klicken und querlesen. Beispielhaft möchte dir noch folgende Zuschriften zeigen, in deren Antworten wichtige Hinweise enthalten sind:
- https://mein-kummerkasten.de/332416/Ist-unsere-Ehe-eine-Ehe.html
- https://mein-kummerkasten.de/225680/Alltagstrott.html
- https://mein-kummerkasten.de/185495/Abstand-in-der-Beziehung.html