Problem von Michelle B. - 29 Jahre

Kind 3 Jahre hört nicht, haut und macht Spielsachen kaputt

Hallo liebes Kummerkasten Team,

Ich weiß wirklich nicht mehr weiter. Deshalb wende ich mich an euch. Ich hab ein Kind, welches in ein Monat 3 Jahre alt wird. Schon als sie ein halbes Jahr alt war hat sie gezwickt, in die Lippe gebissen als man ihr ein kleines Küsschen geben wollte und stieß mich als Mutter gelegentlich weg. Die ganze Zeit wurde es nicht besser, wir hatten schon verschiedene Maßnahmen überlegt, mit ihr in kurzen Sätzen zu reden, Belohnungen, Verbote. Als sie 2,5 Jahre wurde rannte sie dann immer weg, hörte nicht und auch nicht wenn man sagte dass man weitergehen würde. Statt uns nachzukommen, rannte sie weg. Sie biss in die Hand, als man dann sagte sie würde bitte an der Hand bleiben an der Straße auf den Autos fuhren. Früh wollte sie alles allein schaffen, versuchte man ihr zu helfen, schlug sie zu. Auch nach wiederholten Fehlschlägen ihrerseits. Nun ist es mittlerweile so geworden, dass sie Spielsachen kaputt macht, sich darauf stellt dass sie kaputt gehen oder durch die Gegend schmeißt. Nach unseren kleinen Hunden tritt sie mittlerweile und an der Straße lässt sie sich fallen. Nach bitte und kurzer Ansprache nichts zu machen. Sie stellt sich komplett quer, sodass man sie unter den Arm klemmen muss. Sie beleidigt uns mitunter mit Schimpfwörter und kommt dem absolut nicht nach was wir ihr vermitteln wollen. Sie nimmt zudem Gefahr nicht wahr, sodass es in jeder Situation gefährlich ist, da sie einfach auf die Straße rennt oder sonstiges gefährliches macht, obwohl wir ihr immer wieder sagen, dass sie schön gucken soll. Zudem haben wir den Verdacht, dass sie nicht richtig sprechen kann. Sie ist in eine Erghoterapie, da sie um sich herum wenig wahrnimmt, stolpert und fällt über alles. Die Therapeutin meinte auch sie könnte Informationen nicht verarbeiten, da sie alles wie ein Schwamm aufsaugt, egal ob es wichtige oder unbedeutende Sachen sind. In ihrer Entwicklung ist sie etwas hinten. Ihr Verhalten zeigt sie hauptsächlich bei mir und ihren Vater also mein Mann. Ein paar wenige Male bei ihrer Tante oder Oma, wo sie dann aber nach Aufforderung der Unterlassung gehört hat. Teilweise scheint sie aber gesagtes nicht verstehen zu können, obwohl man schon leichte Wörter nimmt. Im Kindergarten kommt sie noch in August.

Ich weiß nicht was ich noch tun soll, damit das ganze besser wird. Die Beziehung krieselt sehr unter den Umständen und ich möchte dass es uns allen gut geht und wir ein harmonisches Leben führen können.

Vielen Dank für die baldige Hilfe.

JuliaZ Anwort von JuliaZ

Hallo Michelle,

Vielen Dank für deine Zuschrift :)

Puh... einmal durchatmen. Das ist wirklich ein Berg an Schwierigkeiten und belastenden Situationen in denen ihr da steckt! Es ist von außen natürlich etwas schwierig zu beurteilen nun eine genaue Prognose zu geben, wie es besser wird, da Ich euch nicht gut genug kenne. Aus den Informationen die du gibst, kann man jedoch schon einiges rauslesen. Über allem lese ich eine große Verzweiflung heraus, die absolut verständlich ist. Das kostet Kraft, was ihr erlebt und nach nunmehr knapp 3 Jahren und einem Zuwachs an Schwierigkeiten, die sich ergeben, braucht es denke Ich auch ziemlich viel um jeden Tag durchzustehen, was ihr, also du und dein Mann leistet. Auch wenn ihr euch kraftlos fühlt - ihr steckt viel Kraft in euer Kind.

Ich möchte zunächst euren Verdacht aufgreifen, denn Kinder die z.B. in der Sprachentwicklung zurück sind, haben wenig andere Mittel um sich mitzuteilen. Da wird Wut, Angst, Frustration und all diese Gefühle mit denen man erst einmal lernen muss umzugehen dann auf andere Kinder, Erwachsene oder Spielzeuge übertragen und es wird die Form wie man sich mitteilt. Die Frage ist, wie man diesen Kreislauf durchbrechen kann, denn das klingt bei euch so ritualisiert, dass es nicht nur eine große Alltagsherausforderung ist, sondern auch das Schema ist, welches sich euer Kind angeeignet hat, um sich auszudrücken. Sie spricht darüber zu euch. Ihr solltet an eurem Verdacht dran bleiben und diesem nachgehen, denn mehr andere Möglichkeiten sich mitzuteilen, kann dazu führen das innere Konflikte z.B. nicht mehr über das Beißen oder Schlagen ausgetragen werden müssen. Und Schimpfwörter kennt Sie immerhin - auch diese hat Sie irgendwo aufgegriffen und verwendet Sie.

Nun muss man sich zusätzlich zu dem sich nicht richtig oder anders mitteilen zu können noch vorstellen, wie du schreibst, das von ihr alles wie ein Schwamm aufgesogen wird. Jedes Geräusch, jedes Wort, jede Mimik, jede Gestik, jeder Blick, und vieles mehr. Wir haben eine Art Filtersystem, was da filtern kann und bei eurem Kind funktioniert diese Wahrnehmung anders. Sie trennt nichts und erlebt diese ganzen Gefühle und Emotionen damit auch in einer riesigen Ausprägung. Das macht den Alltag so schwer für Sie und auch für dich und für deinen Mann. Sie nimmt die Welt nicht so wahr wie ihr. Zum einen weil Sie ein Kind ist, sowieso nicht. Zum anderen noch, weil Sie damit überladen wird mit Informationen. Wir können z.B. die Geräusche an der Straße ignorieren - obgleich wir Sie wahrnehmen. Das passiert in unserem Unterbewusstsein. Deine Tochter scheint nun aber mitzubekommen, wie jedes einzelne Auto Lärm macht und gleichzeitig den Wind in den Bäumen wahrnehmen, gleichzeitig deine Stimme wahrnehmen und in dem Moment von den Gefühlen überrannt werden, weil Sie an der Straße dann ja auch nicht alleine entscheiden darf. Wie du schreibst scheint es ihr sehr wichtig zu sein, alleine Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen. Das man es ihr zutraut und das Sie sich ausprobiert - das ist gerade draußen an der Straße wo Autos fahren natürlich einfach überhaupt nicht umzusetzen, wenn die Gefahren von ihr nicht abgeschätzt werden können - wobei das ein 3-Jähriges Kind an der Straße nie alleine kann. Da braucht es immer Unterstützung von außen, weil Kinder in dem Alter grundsätzlich keine Entfernungen abschätzen können, sprich deine Tochter weiß nicht wenn Sie ein Auto angefahren sieht, wie schnell dies bei ihr sein wird. Das ist einfach nicht vorstellbar und deshalb noch nicht möglich frei zu entscheiden, ob man über die Straße gehen kann, oder eben nicht. Das liegt nicht an deinem Kind, sondern ist eine allgemeine Entwicklungsfrage.

Klar ist aber natürlich, das Sie an der Straße nun mal geschützt werden muss, damit ihr nichts passiert. Bei kleineren Alltagssituationen kann man vielleicht einfacher sagen, das Sie da selbst rumprobieren darf, wie Sie es möchte - aber da geht es einfach nicht. Und das ist sowohl für dich und deinen Mann, als auch für euer Kind schwer auszuhalten. Denn im Grunde wisst ihr ja vorher schon was passiert, wenn ihr euch der Straße nähert - es wird laut und unangenehm - auf beiden Seiten.

Ich bin mir sicher dass ihr zu den Dingen die du schreibst, zusätzlich noch 100 weitere ausprobiert habt und auch damit keinen Erfolg verbuchen konntet. Ein Erfolg ist hier schon, wenn du erlebst, das dein Kind an deiner Hand über die Straße geht, ohne das es eine Explosion dieser Gefühle bei ihr gibt? Das ist wirklich schwierig! Beweisen tut Sie, das sie es kann, da Sie sich bei anderen nicht so verhält. Das muss nicht heißen, das Sie euch weniger liebt. Es kann sein, das Sie es bei euch anders macht, weil Sie weiß, das Sie es da kann. Ihr liebt Sie weiterhin - und das ist gut so! Trotzdem ist es belastend!

Es ist für euch (also dich und deinen Mann) belastend, als Eltern. Aber auch als Paar ist es eine große Herausforderung. Und an beiden Bereichen muss gedacht werden! Ihr tut viel für euer Kind, auch medizinisch. Das ist gut und sollte weiter verfolgt werden. Trotzdem glaube ich, das es nun an der Zeit ist, das Ihr euch auch als Paar Unterstützung sucht, z.B. bei einer Beratungsstelle. Ihr seid auch ein Paar und auch diese Beziehung unter euch, braucht Pflege. Das kann schnell in Vergessenheit geraten, wenn man ein Kind hat, was die Aufmerksamkeit braucht und einfordert. Da braucht ihr eure Auszeiten und eure gemeinsamen Zeiten, wo ihr wirklich mal das Eltern sein nicht beachtet, sondern nur noch miteinander auf euch gegenseitig die Konzentration legt und miteinander kommuniziert über die Dinge, die euch bewegen und beschäftigen. Schau mal hier:

https://www.dajeb.de/beratungsfuehrer-online/beratung-in-ihrer-naehe

Hier kannst du über den Wohnort die Beratungsstellen in eurer Nähe herausfinden. Du kannst auch zusätzlich direkt nach dem Beratungsschwerpunkt suchen.

Zusätzlich gibt es auch das kostenlose Angebot des Elterntelefons.

https://www.elterntelefon.info/

Versucht es auch dort mal, denn hier kann nochmal genauer durch Gegenfragen geschaut werden, wo die ein oder anderen Möglichkeiten für euch liegen. Das wäre vielleicht auch ganz hilfreich. Bitte denkt da auch wieder mehr an euch und vergesst einander nicht im Alltagsstress.

Ich wünsche euch Alles Liebe und Gute,
Julia