Anwort von Nuala

Hallo du!

Es tut mir total leid, dass du damals, als du dein Problem eingereicht hattest, keine Antwort erhalten hast. Jemand aus unserem Team wollte dir eine Antwort schreiben, hat es dann aber nicht geschafft. Ich habe jedoch gesehen, dass deine zweite Zuschrift von Lan beantwortet worden ist :) Du kannst dir ihre Antwort auch immer wieder durchlesen, das kann sehr viel bringen, verschiedene Zeitpunkte zu nutzen.
Und nun möchte ich dir antworten.

Ganz genau: Es ist stinknormal, Fehler zu machen. Wir können sie gar nicht vermeiden. Leider leben wir auch nicht gerade in einer "fehlerfreundlichen" Kultur, was sehr schade ist. Fehler zu machen bringt uns eigentlich weiter, weil wir dazulernen und einen neuen Weg einschlagen können - das müssten wir alle mehr verinnerlichen.
Bei Ängsten, die auf keine "natürliche" Ursache folgen (z.B. auf eine körperliche Bedrohung oder auf ein gruseliges Geräusch) haben sich bestimmte Gedanken festgesetzt und bestimmen auf sehr unangenehme Weise das das Geschehen. Und wenn man schon durch die Umgebung eher das Gefühl hat, dass Fehler nicht sonderlich erwünscht sind, wird es nicht gerade leichter. Die gute Nachricht ist, dass du die Angst auch wieder ablegen lernen kannst. Wie das geht, kann dir bei einer schweren Ausprägung jemand mit entsprechender Ausbildung beibringen (hier gibt es viele Erfolge durch Verhaltenstherapien). Ob du professionelle Hilfe benötigst, kann ich nicht einschätzen. Ich schreibe dir einfach mal weitere Dinge auf und gebe dir am Ende noch eine Linkliste mit.

Hm, Selbstbewusstsein heißt eigentlich, sich seiner selbst bewusst zu sein - sich also mit all den Stärken und Schwächen, Interessen, Charakterzügen und Einstellungen zu kennen. Das ist etwas, was man zunehmend lernen kann, sich also selbst kennenlernen kann. Als junger Mensch hat man schon eine erste Ahnung davon, wie man so insgesamt tickt. Im Lebensverlauf kommen dann neue Erkenntnisse und Einblicke hinzu.
Das, was du meinst, ist eher Selbstwert bzw. Selbstvertrauen. Sie hängen mit dem Selbstbewusstsein zusammen, sind aber nicht das Gleiche. Sich also etwas zuzutrauen und sich zu vertrauen, etwas meistern zu können, ist das Selbstvertrauen. Sich selbst als okay bzw. liebenswert zu erachten und sich als selbstverständlichen Teil einer Gemeinschaft, z.B. der Familie, der Schulklasse, der Clique zu sehen, betrifft den Bereich des Selbstwertes.
Bei dir scheint Angst eine sehr große Rolle zu spielen, konkreter die Angst vor Bewertung durch andere Menschen. Deine tollen Eigenschaften, dein Können, treten dadurch in den Hintergrund. Das ist natürlich schade, weil du eine enorme Bereicherung für deine Umwelt bist :) Und darum sollte viel passieren, damit du dich wohler fühlen und dann das umsetzen kannst, was dir persönlich etwas bedeutet.

Mal so allgemein gesprochen finde ich es in Ordnung, wenn sich jemand nicht meldet. Es gibt ja keinen "Melde-Zwang". Ob die Lehrer:innen dich als "zu cool" einschätzen, kann ja auch nur eine Interpretation von dir sein (oder ein Vorurteil). Außer das wurde schon mal so geäußert, aber das solltest du nicht überbewerten. Nicht alle Lehrkräfte sind da so sensibel/aufmerksam/umsichtig, meinen es aber auch nicht unbedingt böse.
Die Frage, die du für dich selbst beantworten solltest - jenseits der Angst - ist: "MÖCHTE ich mich denn eigentlich melden, habe ich Lust darauf, mein Wissen zu zeigen?" Dann ginge es ja wirklich um das sich-mal-Trauen.
Wenn du aber für dich feststellen würdest: Ich habe da keine Lust drauf, ich zeige lieber in den Tests und Referaten, was ich so kann, wäre das ja auch ein Weg. Nur sind da nicht alle Lehrkräfte so einverstanden... daher ist das Sprechen über deine Hemmung von großer Bedeutung! Im Gespräch könnte z.B. ausgemacht werden, dass es in den kommenden Tagen ein Mal mit dem Melden versuchst. Am besten unter guten Bedingungen, da meine ich dein Lieblingsfach, eine Antwort, bei der du dir sicher bist, Aufmunterung durch die Lehrkraft, usw. Vielleicht hast du auch in deiner Klasse nette Mitschüler:innen, die du einweihen und die dich aufbauen können :)

Ich hoffe zwar, dass sich in der Zwischenzeit schon etwas verändert hat. Dazu könnte zählen, dass du den Mut aufgebracht hast, dich an deine Lehrer:innen und Eltern zu wenden und ihnen anzuvertrauen, was bei dir los ist. Falls nicht, dann möchte ich dich dazu sehr gerne ermuntern. Du hast ja bestimmt eine:n Klassenlehrer:in. An Ihn oder sie solltest du dich wenden und darlegen, warum du dich nicht traust, dich zu melden. Du kannst auch vorher mit deinen Eltern bzw. einem Elternteil reden und als Unterstützung mit in das Gespräch nehmen. Auch eine E-Mail könnte gehen, sofern das bei euch ein akzeptierter Kommunikationsweg ist zwischen Klasse und Lehrkraft. Oder du schreibst einen kurzen Brief und übergibst ihn. Das könnte es einfacher machen, dich mitzuteilen. Übrigens kannst du dich auch an einen schulpsychologischen Dienst wenden, falls es das bei euch gibt.

Mir ist aber auch klar, dass das sehr schwierig für dich ist und da vielleicht sogar eine psychische Erkrankung dahinterstecken könnte. Vielleicht hast du schon mal etwas von einer sozialen Phobie gehört. Das, was du beschrieben hast, ist recht typisch für eine soziale Angst bzw. Phobie. Hier würde es helfen, wenn du das ärztlich bzw. therapeutisch abklären lassen würdest - und ja, da kommen wieder deine Eltern ins Spiel. Bitte hole sie mit ins Boot! Denn ich kann dir hier zwar nette Tipps schreiben und vielleicht würde der ein - oder andere auch etwas bringen. Doch bei einer tiefsitzenden Angst brauchst du direkte Hilfe von Menschen in deiner Nähe. Hier wäre zuerst deine Kinderärztin/Kinderarzt oder schon Hausärztin/Hausarzt zu nennen. Diese:r könnte dich dann weitervermitteln an eine psychologisch-therapeutisch geschulte Person.

Ich würde dich bitten, dir die folgenden Links anzusehen, damit du für dich leichter feststellen kannst, wo du aktuell stehst und wie gravierend dein Angstproblem ist.
Um dann zu probieren, Erwachsene auf deinen Zustand aufmerksam zu machen (sicherlich haben die meisten Nahestehenden sowieso schon eine Ahnung davon und wären nicht sonderlich überrascht von deiner Offenbarung). Du kannst dir die Infos auch mit deinen Eltern ansehen und zusammen mit ihnen entscheiden, ob du dich psychologisch beraten lassen solltest, ob vorerst die Info an die Klassenleitung reichen würde, wie deine Eltern dich unterstützen könnten, usw. Zeige ihnen am besten diese Zuschrift, damit sie alles selbst lesen können. Damit hätten sie schon deine ehrlichen Empfindungen erfasst, sodass du nicht alles nochmal erzählen müsstest.

Unsere Soforthilfen:
- https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/52/Angst-Furcht-Phobie-Panik.html
- https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/34/Selbstzweifel.html
Ältere hilfreiche Zuschriften:
- https://mein-kummerkasten.de/224198/schuechternheit.html
- https://mein-kummerkasten.de/324825/Probleme-durch-Selbstkritik.html
- https://mein-kummerkasten.de/333298/Habe-nicht-genuegend-selbstwert.html
- https://mein-kummerkasten.de/323356/Ich-habe-kein-Selbstwertgefuehl.html
- https://mein-kummerkasten.de/220514/Kein-selbstwertgefuehl.html
- https://mein-kummerkasten.de/315367/Panische-Angst-vor-normalen-Dingen.html
- https://mein-kummerkasten.de/322902/Selbst-unsicher.html
Internetseiten:
- https://de.wikihow.com/Mutig-sein
- https://glueckscampus.de/acht-tipps-gegen-angst-und-panikattacken/
- https://www.vssp.de/literatur/soziale-phobie-eine-definition


Ich wünsche dir alles Gute und einen schönen Jahresausklang!
Nuala