Problem von Anonym - 34 Jahre

Diskriminiert und ausgenutzt...

Hallo, ich weiß garnicht so recht wie ich beginnen soll weil mich zurzeit so vieles belastet.

Ich leide seit einigen Jahren an zwei Autoimmunerkrankungen mit denen ich ständig zu kämpfen habe. Seit zwei Jahren vergeht kein Tag an dem ich mal schmerzfrei bin. Es ist wirklich sehr belastend und geht irgendwann unweigerlich auf die Psyche. Mein Beruf ist anstrengend und meine Vorgesetzten verlangen viel von mir. Sie wissen von meinen Krankheiten. Ich versuche jeden Tag mein Bestes zu geben und bin dementsprechend im Betrieb sehr beliebt und geschätzt. Nichtsdestotrotz merke ich, dass es zu viel wird und ich kaum noch Energie habe. Einer meiner Vorgesetzten ist furchtbar faul und wälzt alles auf mich ab. Sobald ich Urlaub habe, werde ich auch nicht richtig vertreten und mein Tisch liegt daher voll mit Arbeit. Gespräche bewirken kaum etwas weil ihm dazu auch die Einsicht fehlt und er einfach viel zu bequem ist. Er nutzt meine Gutmütigkeit zu seinem Vorteil aus. Ich hatte eine Phase in der ich nur wenige Stunden am Tag arbeiten durfte und bekam dies vorgeworfen inklusive einer Drohung mit einem BU Verfahren. Hier kommen wir dann zu meinem nächsten Problem. Ich versuche seit Jahren eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen aber werde wegen meiner Krankheiten abgelehnt. Das macht mir furchtbare Sorgen und bringt schlaflose Nächte. Was soll ich tun, wenn ich irgendwann nicht mehr arbeiten kann? Ich fühle mich als kranker Mensch absolut diskriminiert. Ich kann keine private Pflegeversicherung abschließen... Nicht einmal eine Reiserücktrittsversicherung... Das ist so verrückt!
Ich merke immer mehr, dass ich nicht mehr arbeiten möchte weil es meine Krankheiten so sehr triggert aber mir bleibt keine andere Wahl. Da sitze ich nun, Jahrelang von vielen ausgenutzt, mein Geld für andere gegeben und nun mit nicht mal 5.000 € Ersparnis, völlig perspektivlos und schwer krank...

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

ich danke für dein Vertrauen und dass du uns geschrieben hast.

Das stimmt mich total traurig, dass du gerade so viel durchmachst. Fühle dich bitte von mir gedrückt, wenn du magst.
Das muss wirklich schlimm sein, mit diesen Erkrankungen zu leben und dann auch diese Schmerzen zu ertragen. Das ist natürlich, dass sich das auch negativ auf dein Wohlbefinden und deine Psyche auswirkt.

Ich finde es toll, dass du trotz dieser Belastungen auf Arbeit dein Bestes gibst. Ich kann mir vorstellen, dass du dadurch auch sehr geschätzt wirst. Das machst du toll und ich finde, das sollte viel mehr anerkannt werden.

Ich kann natürlich sehr gut verstehen, dass du dein Bestes geben und darum auch keine Bitten ausschlagen willst. Du hängst sehr an dem Job und du machst deine Sache gut. Ich finde, das sollte auch von deinen Vorgesetzten wertgeschätzt werden. Du bist eine freundliche, verständnisvolle, hilfsbereite und wirklich tolle Mitarbeiterin, das darfst du nicht vergessen. Auch wenn du eben nicht alles schaffst und auch mal Nein sagst. Ich kann auch verstehen, dass du das alles auf dich nimmst, weil du eben auch Angst vor schlimmen Konsequenzen hast.

Umso schrecklicher finde ich es, dass deine Vorgesetzten kein Mitgefühl und Verständnis zeigen, sondern das auch noch ausnutzen und dir noch mehr Arbeit machen. Das geht einfach nicht. Schon allein, weil du mit anderen Problemen zu kämpfen hast und schon so viel tust. Das auszunutzen, damit überschreiten sie mehr als nur eine Grenze.

Ich finde, du hast es bisher gut gemacht, indem du auch das Gespräch gesucht hast. Du willst das klären und willst diese Belastung eben auch mindern, was absolut dein Recht ist. Das geht auch in anderen Fällen nicht, dass man so überhäuft wird mit Arbeit.

Doch ich finde, irgendwann reicht es auch mal. Du wirst nicht so behandelt, wie es sein sollte. Jeder sollte mit Respekt behandelt werden. Ich habe das Gefühl, dass dich deine Chefs wohl nicht ernst nehmen und auch kein Einfühlungsvermögen haben. Das solltest du dir nicht gefallen lassen.


Raus aus der Opferrolle

Ausbeutung geht immer von einer Seite aus. Dazu gehört aber leider immer auch jemand, der sich dagegen eben nicht wehrt. Ausbeutung kann nur funktionieren, wenn es einen gibt, der immer fordert und einen, der immer nachgibt. Es mag jetzt sehr hart klingen, aber du leistet selbst auch einen Beitrag dazu, dass die Grenzen immer mehr verschwimmen. Auch wenn ich deine Beweggründe sehr gut verstehen kann und dass es eben nicht so leicht ist, mal Nein zu sagen.

Vielleicht solltest du auch nochmal analysieren, warum es dir so schwer fällt, Grenzen zu setzen. In welchen Situationen sagst du Ja, obwohl du eigentlich Nein denkst? Was befürchtest du? Wären Kompromisse möglich?

Natürlich ist es noch schwerer, Grenzen gegenüber den Chefs zu ziehen. Schließlich besteht ja ein gewisses Machtgefälle zwischen euch. Vielleicht ist da auch der Gedanke, dass man keine Widerworte gegenüber dem Chef geben und alles tun sollte, was er sagt. Aber vergiss nicht: Ihr mögt unterschiedlich Einfluss haben, aber deine Chefs sind auch auf dich angewiesen. Es ist ein Geben und Nehmen. Du gibst den Chefs deine Arbeitskraft und sie bezahlen dich dafür. Ihr braucht euch also gegenseitig. Und du hast als es Arbeitnehmer verdient, dass du gut bezahlt und behandelt wirst und die Arbeitsbedingungen stimmen.

Doch du solltest erkennen, dass es so nicht weitergehen kann und du durchaus etwas daran verändern kannst. Du kannst aktiv diese Ausbeutung stoppen.


Nein sagen

Dazu gehört eben auch Nein sagen, um dich zu schützen. Befreie dich von dem Glauben, es jedem Recht zu machen und alle Erwartungen zu erfüllen. Du siehst, dass deine Chefs das ausnutzen und dir nicht einmal dankbar dafür sind.
Wenn du Nein sagst, bleibe bei deinem Wort, begründe kurz deine Entscheidung.

Dazu musst du dir im Klaren sein, ob du die nötige Zeit und Energie hast, um mehr Aufgaben zu übernehmen. Also nicht sofort Ja zu allem sagen, sondern auch Bedenkzeit einfordern und überlegen, ob das für dich doch machbar ist und dass du dich nicht überlastet.

Überlege auch mal, in welchen Situationen es sich besonders zeigt, dass du ausgenutzt wirst. Wahrscheinlich wirst du auch Überstunden machen. Wenn du das nicht ohnehin tust: Schreib alles akribisch auf, protokolliere das als eine Art Nachweis, wenn das später auch überprüft werden muss.


Nochmal das Gespräch suchen und konsequenter sein

Ich würde an deiner Stelle immer wieder das Gespräch suchen und dann noch mal eindringlicher betonen, dass dir das zu viel wird und du nicht mehr kannst.

Gibt es denn bei dir so etwas wie einen Betriebsrat, an den du dich wenden könntest? Die setzen sich ja für die Belange der Mitarbeiter ein und könnten auch Wege aufzeigen, wie man das Problem löst.


Hilfe von höheren Vorgesetzten suchen

Oder haben deine Vorgesetzten vielleicht auch noch mal Chefs, an die man sich wenden könnte? Man selbst hat als Mitarbeiter leider wenig Macht und Spielraum, aber man kann sich ja trotzdem Hilfe suchen und das könnte auch etwas bewirken. Weil so kann das auf keinen Fall weitergehen. Du leidest darunter, das belastet ungemein.
Wenn das so weitergeht, könnte das in einem Burnout enden. Und so ein Umgang geht finde ich auch gar nicht.


Über Rechte und Möglichkeiten informieren

Du solltest dich auch über deine Rechte und Möglichkeiten als Arbeitnehmer informieren. Wenn du in einem Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern arbeitest, genießt du den Kündigungsschutz. Das bedeutet, dass dein Arbeitgeber dich nicht einfach willkürlich kündigen kann.

Vielleicht hilft es auch, sich Verbündete auf Arbeit zu suchen. Mit fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern könntest du einen Betriebsrat gründen. Dazu solltest du die jeweilige Gewerkschaft kontaktieren und dich in das Betriebverfassungsgesetz einlesen.

Auch eine Möglichkeit wäre die anonyme Anzeige beim Amt für Arbeitsschutz oder dem Gewerbeaufsichtsamt. Denn laut Arbeitszeitgesetz steht dir ein Ausgleich für Überstunden zu.


Kündigung und Jobwechsel

Wenn das alles nicht wirkt und deine Chefs nicht mit sich reden lassen, wäre eine Kündigung wohl am besten für dich. Du schreibst ja selbst, dass du eigentlich nicht mehr arbeiten willst. Natürlich ist das in deinem Falle jetzt schon echt schwierig, weil du auf dieses Geld angewiesen bist.

Aber vielleicht kannst du auch mal schauen, ob es andere freien Stellen gibt. Ein Neuanfang ist immer schwierig, aber könnte eben auch auch ein besseres Arbeiten für dich bedeuten. Hast du da schon mal geschaut? Es ist wesentlich besser, etwas neues anzufangen, als bei einem Job zu bleiben, der dich fertig macht. Du musst dich da nicht quälen, wenn es sich nicht bessert. Du solltest da unbedingt an dich denken und rechtzeitig auch Stopp sagen, wenn keine Besserung in Sicht ist.

Hier habe ich dir einige Links zusammengestellt, die dir weitere Anregungen geben können, wie du mit der Ausbeutung umgehen kannst:

https://karrierebibel.de/ausbeutung/
https://www.gq-magazin.de/leben-als-mann/karriere/werden-sie-ausgenutzt
https://mein-kummerkasten.de/276653/Probleme-chef.html
https://mein-kummerkasten.de/62798/Frust-im-Job.html


Berufsunfähigkeitsversicherung und Alternativen

Für Menschen mit Vorerkrankungen kann es sehr schwer sein, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Das hast du ja selbst auch geschildert. Aber es gibt trotzdem Wege.

Du kannst dir Hilfe suchen, beispielsweise einen Versicherungsmakler, der eine anonyme Risikovoranfrage stellen kann. Dadurch verhindert er, dass die Daten des Verbrauchers gespeichert werden und du erhälst trotzdem die gewünschten Informationen. Mit ihm kannst du prüfen, ob nicht doch eine BU in Frage käme.
Wichtig dabei wäre, dass du einen unabhängigen Fachmann suchst, der nicht nur mit einem oder zwei Anbietern zusammenarbeitet.
Wichtig wäre auch, die Gesundheitsfragen vollständig und ehrlich zu beantworten, die Mindestanforderungen zu klären, die die Berufsunfähigkeitsversicherung erfüllen sollte und zu welchen Kompromissen man bereit ist.

Wenn du keine Berufsunfähigkeitsversicherung bekommst, solltest du auf andere Versicherungen zurückgreifen. Das wäre immer noch besser als gar keine Absicherung. Beispielsweise eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung, die günstiger als eine BU ist, da sie erst bei Erwerbsunfähigkeit leistet. Das heißt, sie zahlt die vereinbarte Rente erst, wenn der Versicherte gar keine berufliche Tätigkeit mehr ausüben kann. Im Gegensatz dazu, ist bei der BU der zuletzt ausgeübte Beruf versichert und die Berufsunfähigkeitsversicherung leistet im Regelfall bereits bei 50 prozentiger Berufsunfähigkeit.

Es gibt noch weitere Alternativen, wie eine Unfallversicherung, die nach einem Unfall in Form einer einmaligen Zahlung leistet. Welche Alternative gewählt wird, solltest du mit einem Versicherungsfachmann besprechen.
Hier gibt es weitere Infos, wie du an eine BU rankommen könntest und welche Alternativen es gibt:
https://www.berufsunfaehigkeitsversicherungen-heute.de/berufsunfaehigkeitsversicherung-abgelehnt-was-nun/
https://www.finanztip.de/berufsunfaehigkeitsversicherung/bu-alternativen/

Ich hoffe, dass ich dir damit einige Anregungen geben konnte, die dir weiterhelfen.
Ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft und Mut, dass du deine Grenzen setzen und deinen Weg gehen wirst.
Schreib uns doch gerne, wenn du noch etwas auf dem Herzen oder Fragen hast.


Viele Grüße,
Lan