Problem von Anonym - 18 Jahre

Ich ertrage keine menschliche Nähe

Hallo zusammen. Ich fange gleich mal ohne Umschweife an über mein Problem zu reden.

Es ist so, dass ich mittlerweile ziemlich große Schwierigkeiten damit habe emotionale Nähe zu zulassen. Das war nicht immer so und es war auch kaum so „fortgeschritten“ wie jetzt. Vor 4 Jahren gab es da mal eine Zeit, in der ich – wie meine Hausärztin es genannt hat – soziale Probleme hatte. Ich habe mich damals stark von meinem Umfeld distanziert und auch den Kontakt zu all meinen Freunden abgebrochen. Das war eine ziemlich schwierige Zeit in meinem Leben, in der ich mich selbst sehr gehasst habe. Dieser Hass ist wohl irgendwie entstanden, weil ich in meine beste Freundin verliebt war und sie meine Gefühle nicht erwidert hat. Es liegt aber nicht daran, dass sie mich abgewiesen hat, dazu habe ich ihr gar nicht die Chance gegeben, weil ich meine Gefühle auf Krampf vor ihr verheimlicht habe. Durch diese ganzen Vorwände, Lügen und die Heimlichtuerei habe ich mich erst wirklich angefangen zu hassen. Ich glaube, dass ich diese „Maske“ damals nur aufgesetzt habe, damit niemand mein wahres Ich sieht. Weil mein wahres Ich anders war als die anderen Mädchen und ich mich deshalb abstoßend fand. Meine Familie, die mich immer in meine „Rolle als Frau“ drängen wollten und nie wirklich akzeptiert hat, wenn ich zum Beispiel lieber Jungsklamotten getragen habe haben auch dazu beigetragen. Das soll nicht so melodramatisch klingen, aber es gab in dieser Zeit auch einen Tag, an dem ich ernsthaft überlegt habe, mich umzubringen, weil mir alles zu viel wurde und ich eigentlich nur unter meinem Leben gelitten habe.

Es fällt mir heute schwer mich mit meinem Vergangenheits-Ich zu identifizieren, weil ich mich heute wie ein anderer Mensch fühle. Jemand, der eigentlich nur für sich selbst kämpft und sich im Gegensatz zu früher liebt. Nur heute ist es so, dass ich das Gefühl habe niemanden außer mir zu lieben, niemandem außer mir zu vertrauen und mich keinem mehr zu öffnen. Ich hatte früher viele verschiedene Freunde, darunter auch sehr enge Freundschaften, aber seit dieser Zeit, in der ich diese starken Suizidgedanken hatte und mich völlig von anderen isoliert habe, bin ich jemand anderes. Ich vertraue niemandem mehr wirklich und habe seitdem auch keine intimen Freundschaften mehr gehabt. Es gab Freundschaften, die anfangs schön waren, die ich dann aber wieder beendet habe, weil ich in mir drinnen so eine unerklärliche Wut empfunden habe. Ich war einfach ständig genervt, wenn die Person mir von ihrem Tag erzählt hat, sich mit mir treffen wollte und generell einfach „normal“ zu mir war. Es hat mich angefangen zu nerven meine Zeit mit dieser Person zu „verschwenden“, sodass ich das Ganze immer wieder beendet habe. Alle Freundschaften über die letzten Jahre sind so ausgegangen.
Momentan besteht mein soziales Umfeld aus einem Kumpel in meinem Alter, mit dem ich aber hauptsächlich übers Handy Kontakt habe. Und manchmal spüre ich schon wieder dieses Genervtsein und distanziere mich dann für eine Zeit von ihm, in der Hoffnung, dass es dann wieder weggeht. Oft habe ich auch das Gefühl, dass andere nicht gut genug für mich sind, was jetzt ziemlich ekelhaft und arrogant klingen muss. Ich fühle mich manchmal besser als alle und distanziere mich so von ihnen. Das Einzige, was mich an Gleichaltrigen anzieht ist, der Gedanke von ihnen beneidet zu werden. Ich bekomme manchmal auch Komplimente für mein Äußeres oder für meine Interessen, die ich auf meinem Blog zeige. Das sind kurze Momente, in denen ich mich geehrt fühle, aber eigentlich interessiert mich nicht wirklich was sie von mir denken. Ich mag einfach das Gefühl von anderen bewundert zu werden, aber das sticht sich ziemlich mit diesem inneren Wunsch nach Freundschaft oder Beziehung.
Irgendwie habe ich einfach angefangen nur noch eine möglichst distanzierte, oberflächliche Beziehung zu anderen zu pflegen. Das ist übrigens in meiner Familie nicht anders. Ich sitze schon seit Jahren nicht mehr mit ihnen am Esstisch und verbringe die Zeit Zuhause immer in meinen eigenen vier Wänden. Meine Eltern sehen mich eigentlich nur, wenn ich was von ihnen brauche, was in mir oft die Frage aufwirft, wieso sie mich überhaupt dahaben wollen, weil ich sie eigentlich nur ausnutze. Ich habe gemerkt, dass ich in Menschen nur noch Zwecke sehe und sie für meine eigenen Ziele missbrauche. Meinen Vater zum Beispiel als Chauffeur, meine Mutter, die meine Wäsche wäscht und mir Geld zum Einkaufen gibt. Aber ich im Gegenzug gebe ihnen nichts. Ich rede nicht mal gern mit ihnen. Mann, ich mache gerade einen echt guten Eindruck hier (Ironie).
Manchmal bin ich mir unsicher, ob ich nun dieses selbstlose Mädchen von vor vier Jahren bin, was eigentlich nur für andere gelebt hat und immer unglücklich war oder ob ich in Wahrheit nun dieser egoistische Mistkerl bin, der andere für seine eigensinnigen Ziele ausnutzt. Dann frage ich mich, ob ich einfach nur verletzt und ängstlich bin und mich durch meine ekelhafte Art vor anderen zu verstecken versuche und mein wahres Ich immer nur mir selbst vorlebe. Ich weiß echt nicht was gerade mit mir los ist, aber irgendwie musste ich diesen Text gerade einfach verfassen. Danke fürs Durchlesen.

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

vielen Dank für deine Nachricht und dein Vertrauen.

Du schreibst, dass du soziale Probleme hattest. Könntest du noch einmal in dich gehen und dich selbst fragen, wann und wie das genau angefangen hat? Was war der Auslöser dafür, dass du dich von anderen distanziert hast?

Du schreibst auch, dass ein gewisser Selbsthass entstanden ist, aufgrund deiner Verliebtheit in deine beste Freundin. Vielleicht setzt du dich auch nochmal damit auseinander, auch wenn der Selbsthass jetzt nicht mehr so vorhanden ist, kann er dich vielleicht noch unbewusst in irgendeiner Art und Weise prägen. Hast du dich gehasst, weil du deine Gefühle als nicht normal empfunden hast? Weil du nicht zu ihnen stehen konntest? Weil du sie verdrängen wolltest? Ich vermute mal stark, dass dieser Selbsthass kam, weil du nicht ehrlich zu dir selbst und den anderen sein konntest, weil du gelogen hast und das alles geheim halten wolltet.
Aber wovor hattest du wirklich Angst. Was war es, was du vor anderen genau verstecken wolltest? Die Gefühle für deine beste Freundin?


Sexuelle Orientierung akzeptieren

Dabei finde ich, gibt es daran nichts verwerfliches. Wie wir lieben, ist doch total vielfältig und ganz individuell. Sowohl heterosexuelle als auch bisexuelle oder homosexuelle Liebe - sie stehen alle gleichwertig nebeneinander. Nur weil es in der Gesellschaft noch immer ungewöhnlich erscheint, heißt das nicht, dass andere sexuelle Orientierungen nicht sein dürfen. Liebe lässt sich nicht in Schwarz oder Weiß unterteilen, sie ist bunt, Liebe ist Liebe. Ich weiß nicht, ob du das damals alles inzwischen verarbeitet und akzeptieren konntest. Aber vielleicht wäre es wenn nicht passiert, an der Zeit die Vergangenheit aufzuarbeiten und dann auch loszulassen. Frieden endlich damit zu schließen.

Ich komme zu dem Schluss beim Lesen deines Textes, dass du dich selbst, deine sexuelle Identität, weil du dich nicht als Frau siehst und deine sexuelle Orientierung nicht akzeptieren konntest. Du schreibst, du fandest dich abstoßend. Aber warum denn? Weil du anders warst und bist? Was ist daran falsch? Es ist doch total normal, dass jeder anders ist. Versuch vielleicht nochmal rückblickend das Ganze aus einer anderen Warte aus zu betrachten. Du bist du und du bist gut so wie du bist. Vergleiche dich nicht mehr mit anderen, sondern bleib nur ganz bei dir.

Es macht mich sehr traurig, dass du von deinen Eltern so nicht akzeptiert wurdest, sondern sie sich lieber in eine gewisse Rolle gedrängt haben. Das erweckt bei dir den Eindruck, so nicht richtig zu sein, wie du bist. Ich kann verstehen, dass du deswegen sehr mit dir gehadert hast.
Dabei ist doch jeder ist einzigartig, und du auch, du bist ein besonderer Mensch mit wundervollen Eigenschaften. Du bist so wie du bist wertvoll.

Es ist auch okay, dass du Probleme damit hast, dich mit deinem früheren Ich zu identifizieren. Das musst du auch gar nicht. Es ist doch vollkommen okay, dass du jetzt Abstand gefunden und dich auch weiterentwickelt hast. So kannst du das Vergangene leichter verarbeiten und dann loslassen.

Ich finde es sehr schön, dass du dich inzwischen so weiter entwickelt und zu neuer Stärke gekommen bist. Es freut mich aufrichtig, dass du jetzt für dich kämpfst und dich selbst liebst.


Wut auf Menschen und schnelles Genervtsein

Die Frage ist dann doch für mich: Woher kommt diese Wut? Was genau hat dich denn verärgert, wenn diese Menschen mit dir normal geredet haben? Erinnere dich nochmal an die genauen Situationen und finde die Auslöser heraus.
Und frage dich auch: Was hat dir an diesen Freundschaften gefehlt? Hinter Wut kann vieles stecken, meist ist es so, dass wir gewisse Erwartungen hegen oder Bedürfnisse haben, die nicht erfüllt werden. Was wünscht du dir von Freundschaften generell? Was würdest du dir wünschen, damit du dich auf andere einlassen kannst? Du schreibst, es ist eine unerklärliche Wut. Das mag so für dich erscheinen. Aber das muss nicht bedeuten, dass du das so stehen lassen musst. Du kannst trotzdem versuchen, diese Wutgefühle zu ergründen.

Versuche in Momenten, in denen du wieder auf Rückzug bist oder Wut empfindest, inne zu halten und achtsam zu sein. Was geht da in dir vor? Was fühlst du? Was denkst du? Woher kommt es, dass du vielleicht wieder wütend bist?

Ich hätte da eine Vermutung, aber will mich nicht zu weit aus dem Fenster ragen. Aber vielleicht stimmt es ja doch? Du hast dich vollkommen von anderen isoliert, das heißt, du warst die ganze Zeit nur mit dir allein. Da kann es passieren, dass man die plötzliche Nähe von jemanden nur schwer ertragen kann. Du bist es vielleicht nicht mehr gewöhnt, aufgrund dieser Isolation fällt es dir schwer, jemanden näher an dich zu bringen. Wenn jemand dir nahe kommt, müsstest du dich auf denjenigen einigen, müsstet dich mit der Person auseinandersetzen, das was sie fühlt, denkt und was sie tut. Diese Person hat ihren eigenen Kopf und das kann vielleicht auch anstrengend sein, wenn du sonst prima nur mit dir ausgekommen bist. Beim Alleinsein gab es nie jemanden, an den du dich anpasst, auf den du Rücksicht nimmst. Du konntest ganz bei dir sein, dich auf dich konzentrieren. Vielleicht ist dir das auch einfach zu viel, wenn jemand so nah an dir dran ist. Du bist vielleicht zu jemandem geworden, der mit Nähe schwer umgehen kann. Das wird dir alles schnell zu viel.

Vielleicht ist da auch die Angst begründet, abgelehnt und verletzt zu werden. Vielleiht hälst du auch deswegen eher lieber die Distanz, so wie du es früher getan hast.


Unterschiedliches Bedürfnis nach Nähe und Freiraum

Du müsstest für dich herausfinden, wie viele Nähe und Freiraum du brauchst und wie viel du davon auch zulassen kannst. Vielleicht reicht dir auch erstmal nur ganz wenig Nähe. Du schreibst, dass du das auch schon selbst regulierst, indem du dich wieder distanzierst, wenn dir das zu viel wird. Das ist doch

Es ist total toll, dass du ganz bei dir bleibst und auf deine Bedürfnisse achtest. Du setzt rechtzeitig Grenzen, wenn dir das zu viel wird mit der Nähe. Das kann nicht jeder und ist wichtig, um gut für dich zu sorgen.

Es mag vielleicht sehr widersprüchlich für dich klingen und ich finde du fasst es in deinem letzten Absatz auch sehr gut zusammen. Du bist gerade sehr in einem Dilemma und weißt gar nicht, wer du bist und warum du dich so verhälst.

Ich vermute mal, dass du vielleicht das unbewusst machst, um andere weiter auf Abstand zu halten und pflegst oberflächliche Beziehungen, damit die anderen nicht dein wahres Ich sehen und damit du dich nicht öffnen musst. Denn sich öffnen bedeutet ja auch immer, anderen vertrauen, sie an sich ranlassen, sich verletzlich machen. Mit deiner eigenen Isolation und durch das ganze Verhalten, dass du möglichst keine Bindung zu anderen aufbaust, versuchst du eben bewusst Distanz zu schaffen.

Es kann auch sein, dass du mit deinem Verhalten auch ein Stück weit zeigst, dass du dich nicht von anderen abhängig machen willst. Du willst dir selbst treu sein, hörst auf deine Bedürfnisse und gehst deinen Weg. Das ist schon mal echt super und ich finde es toll, dass du in dich hineinspürst. Allerdings bleibt ja immer noch das Dilemma, dass du eigentlich schon Nähe suchst, aber es anscheinend nicht schaffst, sie zuzulassen.

In dieser ist einerseits das Bedürfnis nach Bindung da, aber auch ein Bedürfnis nach Freiheit und Individualität, du willst dich selbst nicht aufgeben, bist in der Findungsphase, willst dir selbst treu sein. Vielleicht ist es so, dass du dann doch irgendwie etwas versuchst, zu kompensieren, indem du andere abwertest oder das Gefühl bekommst, von anderen bewundert zu werden.

Es gab mal bei mir eine Zeit, in der ich auf andere herabgeschaut habe, ich habe mich für etwas Besonderes gehalten, alle anderen war nur normale Menschen, ohne Tiefe. Ich hielt mich für etwas Besseres, aber insgeheim hatte ich ein angeknackstes Selbstwertgefühl, was ich jedoch dadurch versucht hatte, zu verdrängen. Ich habe mich selbst aufgewertet, um nicht an Minderwertigkeitsgefühlen kaputt zu gehen. Ob das nun bei dir auch so ist, kann ich schwer sagen. Das müsstest du für dich herausfinden.

Mich würde interessieren, wie du es von dem Selbsthass zur Selbstliebe geschafft hast. Höre mal in dich hinein und finde für dich Antworten darauf, vielleicht bringt dich das ja auch weiter.

Ich würde dir auf jeden Fall vorschlagen, dich künftig intensiver mit dir selbst zu befassen, wenn du es ohnehin nicht bereits getan hast.
Das kann schon mal länger dauern und manchmal brauchen wir auch unser Leben lang, um herauszufinden, wer wir sind.


Wer bin ich eigentlich?

Versuche mal Abstand zu anderen zu gewinnen, richte dir Zeit nur für dich ein. Und dann nimm auch gern was zum Schreiben zur Hand und stelle dir viele Fragen: Wer bist du eigentlich? Was macht dich aus? Mit welchen Eigenschaften würdest du dich beschreiben? Was sind positive, was negative Eigenschaften? Was interessiert dich? Was kannst du gut? Was nicht? Was sind deine Wünsche? Deine Vorlieben? Wovor hast du Angst?
Was bedeuten für dich Freundschaften? Was erwartest du von ihnen?


Vertrauen wieder aufbauen

Es ist natürlich sehr schwer, Nähe zuzulassen und wieder anderen Menschen zu vertrauen, wenn das Vertrauen inzwischen fast nicht mehr vorhanden ist. Du schreibst, dass du dich als jemanden siehst, der für sich selbst kämpft. Dir fällt es schwer, dich auf andere einzulassen und dich auf sie zu verlassen. Darum bleibst du lieber allein und lässt niemanden an dich heran.
Wie geht es dir denn damit, dass du keine intimen Freundschaften mehr hast? Was fühlst du dabei? Fehlt es dir sehr? Oder weniger? Was genau stört dich daran? Was würde sich ändern, wenn du wieder intime Freundschaften pflegen würdest?

Entscheidend, um Vertrauen wieder aufzubauen, ist, dass du das auch wirklich willst. Du musst bereit sein dafür. Und da bitte ich dich, in dich hineinzuhören: Wie bereit fühlst du dich dazu? Denkst du, du schaffst es? Oder brauchst du noch Zeit? Es ist vollkommen okay, wenn du dich nicht bereit fühlst, gebe dir so viel Zeit wie nötig. Du musst nichts überstürzen. Und dich auch nicht zwingen. Aber ich merke, dass du schon gerne wieder vertrauen möchtest, aber dich etwas innerlich blockiert. Und diese Blockade gilt es erstmal, aufzulösen.
Außerdem kann nur Vertrauen entstehen, wenn du auch selbst ehrlich bist und es zulässt, dass man dir vertraut. Dazu gehört, dass du versuchst, authentisch zu sein.

Was bedeutet für dich eigentlich Vertrauen? Wann merkst du, dass du vertrauen kannst? Was ist für dich eine vertrauensvolle Person?

Vielleicht könnte es ja helfen, wenn du dich ein bisschen öffnen würdest, wenn du erzählst, was so in dir vorgeht. Ich kann mir vorstellen, dass dir das sehr schwer fällt, eben weil nicht so viel Vertrauen da ist. Aber intime Beziehungen können nur entstehen, wenn wir dem anderen auch einen Vertrauensvorzuschuss geben. Klar, man macht sich verletzlich, es kann sehr belastend werden, etwas von sich preiszugeben. Aber es kann auch befreiend sein, die Maske endlich abzulegen. Leider führt kein Weg dran vorbei, wenn du wirklich wieder intime Freundschaften haben willst. Man verletzt andere, andere verletzen einen, das ist traurig und schmerzhaft, aber es gehört leider zum Zusammensein dazu. Wir können nur lernen, besser damit zurechtzukommen.

Du schreibst, dass du in anderen Menschen, vor allem in deiner Familie nur noch Zwecke siehst. War das schon immer so? Seit wann ist das so? Und hat es Zeiten gegeben, in denen du auch einen anderen Bezug zu ihnen hattest? Was ist passiert, dass du so über deine Familie denkst? Was ist passiert, dass du dich emotional so von ihnen distanziert hast? Und wie stehst du selbst dazu? Sehnst du dich danach, dass sich eure Beziehung zueinander ändert? Geh mal in dich und denke mal darüber nach, warum eure Beziehung jetzt so ist wie sie ist? Wieso willst du nicht mehr mit deiner Familie zu tun haben? Wieso nutzt du sie aus, wie du es selbst schreibst? Welche Gründe stecken dahinter? Ist es vielleicht auch Unsicherheit oder Bedürftigkeit die dahinter stehen?

Ich habe eine Theorie: Vielleicht warst du ja früher jemand, der sich sehr angepasst hat und versucht hat, es allen recht zu machen. Du schreibst du warst selbstlos, hast für andere gelebt. Und jetzt verkehrt sich das bei dir: Jetzt drehst du den Spieß um und willst nicht mehr das Mädchen für alles sein, sondern, dass man dir das zurückgibt, was du all die Jahre gegeben hat. Kannst du dich darin wieder erkennen oder nicht? Ist es vielleicht eine Art Ausgleich für all das Leid von früher? Um es vielleicht auch deiner Familie gleichzutun? Möchtest du, dass es anders wird? Dann ist es dafür nicht zu spät.
Auch da erkenne ich wieder, dass du eine Distanz schaffen willst, bloß nicht zu viel Nähe und Emotionen, dann könnte vielleicht der Schmerz von früher wieder hochkommen.


Und steckt vielleicht hinter dem schnellen Genervtsein, dem Desinteresse an anderen Menschen, vielleicht auch irgendwie eine Abneigung gegen Menschen? Das ist nur eine Vermutung, aber du kannst ja mal schauen, in wieweit du damit übereinstimmst.

Ich kann dir leider nicht sagen, ob du das selbstlose Mädchen von früher bist oder eben eine Person, die sich jetzt mehr auf sich selbst konzentriert. Die Antwort auf all das, die musst du schlussendlich in dir selbst finden.
Am wichtigsten ist zu erkennen, ob du dich selbst so magst, wie du bist oder ob du vielleicht doch nicht ganz zufrieden bist. Egoismus ist bis zu einem bestimmten Maß vollkommen gesund und in Ordnung. Wir sind uns eben selbst am nächsten und müssen für uns selbst sorgen, sonst tut es keiner. Aber vielleicht denkst du mal darüber nach, inwieweit deine Ichbezogenheit vielleicht doch Grenzen überschreitet und ob du etwas daran ändern magst. Du scheinst mir ja doch hin- und her gerissen zu sein. Vielleicht hilft ja der Blick eines professionellen Experten, Klarheit zu schaffen.

Darum wäre vielleicht ein Gespräch mit der Hausärztin, oder einer Beratungsstelle oder einem Therapeuten hilfreich? Wahrscheinlich wird es dir sehr schwer fallen, weil das auch bedeuten würde, sich ihnen anzuvertrauen. Aber vielleicht kann so ein Gespräch ja weiterhelfen.


Ich habe dir noch paar Links zusammengestellt, die dir Anregungen geben können:
https://readersdigest.de/de/gesundheit/koerper-psyche/item/wie-sie-wieder-vertrauen-lernen
https://www.palverlag.de/egoismus-psychotest.html
https://de.wikihow.com/Nicht-mehr-egoistisch-sein

Ich hoffe, dass ich dir mit meinen Worten Anregungen zum Nachdenken geben konnte. Ich wünsche dir alles Gute!

Viele Grüße,
Lan