Problem von Natalie - 24 Jahre

Sorgen/zu viele Gedanken

Hallo :)

Da ihr mir immer schon so lieb geholfen habt, wollte ich mich mit einem oder anders zwei Sorgen an euch wenden. Derzeit kommen bei mir ziemlich viele Gefühle hoch, da ich eine Therapie mache, um mit psychosomatischen Problemen umzugehen.

Ich habe oft Zeiten, in denen ich über den Tod nachdenke - wenn in Filmen jemand stirbt beispielsweise. Es ist so, dass es mir derzeit psychisch gar nicht gut geht und ich deswegen vor dem Einschlafen nicht abschalten kann. Gestern dachte ich wieder an meine vor 1 Jahr verstorbene Katze und die Dame, die ich ehrenamtlich besucht habe und habe mich auf einmal total in dieses Thema hinein gesteigert. Für mich ist der Tod unvorstellbar, ich glaube leider nicht an einen Himmel oder ein Leben nach dem Tod. Ich glaube, dass einfach nichts mehr ist, dass man aufhört zu existieren, was für mich ein extrem erschreckender Gedanke ist. Die Vorstellung jeden Menschen, den ich liebe bzw. geliebt habe nie wieder zu sehen, meine liebsten Tiere nie wiederzusehen. Meine "Freunde" - habe nicht so wirkliche - beschäftigen sich nicht mit dem Thema, weil sie komplette Lebemenschen sind. Ich versuche auch zu leben und umgib mich viel mit meiner Familie, aber seit Monaten läuft nichts so gut, was ich zwar versuche zu ändern, weil ich doch einfach nur glücklich sein möchte, aber gewisse Dinge (Job, Freunde, eine feste Beziehung,...) kann ich nicht beeinflussen. Naja aber auf alle Fälle belastet mich das Thema Tod teilweise schon ziemlich.

Ein anderes Problem, was mich derzeit beschäftigt ist die Haltung meiner Katze. Es mag jetzt vielleicht wie ein Witz klingen, aber es belastet mich wirklich und ich mache mir richtig viele Gedanken darüber. Meine Katze kam ja mit 6 Monaten mit ihrer Schwester zu mir. Die Schwester verstarb leider nach nur 3 Wochen an FIP. Auf Rat der Tierärztin wartete ich 6 Monate mit einer neuen Katze und ließ diese dann auch testen, was gar nicht leicht war. Einen Coronatiter tragen nämlich viele Katzen in sich, aber es bricht halt "nur" bei 5% ca in FIP aus (wogegen es selten eine Überlebenschance gibt). Lola hat keinen Coronatiter, heißt bei ihr könnte es nur ausbrechen, wenn eine andere Katze sie damit ansteckt. Naja auf jeden Fall ließ ich eine darauf testen, welche leider einen sehr hohen hatte und diesen auch überträgt (so ca hat es mir meine TÄ erklärt), weswegen ich sie nicht nehmen konnte, was mir echt weh tat. Nach längerem Suchen fand ich dann auf einer Pflegestelle einen Kater ca. in Lolas Alter, dessen Coronatiter so niedrig war, dass man ihn bedenkenlos dazunehmen konnte. Die Zusammenführung gestaltete sich als schwierig, da getrennte Räume richtig schlimm war. Leroy (der neue Kater) maunzte die ganze Zeit und Lola lief nur mehr geduckt durch die Gegend, fraß nichts mehr, spielte nicht mehr, kam auch nicht mehr zur Ruhe, da sie beim leisesten Geräusch aufsprang. Nach kurzer Zeit ließ ich sie zusammen, da Lola einfach nicht fraß. Es war kein Gefauche, gar nichts, Leroy spielte mit den Spielsachen und war sehr interessiert an Lola. Er rannte ihr überall hinterher, ließ sie nicht mehr aufs Klo gehen, essen musste ich ihnen getrennt geben und dabei bleiben, Lola kam nicht mehr zur Ruhe. Irgendwann fing Leroy an, Lola zu dominieren, war auch sehr grob ihr gegenüber und man merkte, dass sie nicht glücklich war. Geduckte Körperhalung, gesenkter Schwanz, sie maunzte nicht mehr (Lola ist normalerweise eine sehr gesprächige Katze, die nur dann nicht maunzt wenn sie Angst hat oder sich nicht wohl fühlt - beispielsweise heute ist der Lärm einer Baustelle, wo sie größtenteils vollkommen geduckt, nicht maunzend,... durch die Wohnung rennt.), sie spielte nicht mehr, kam wenig zur Ruhe, da sie sobald Leroy in ihre Nähe kam wegrannte bzw sofort wach wurde. Ausgelöst durch den Stress bekam sie Chlamydien (Augenentzündung) und Durchfall (den sie leider auch Monate danach nur durch Spezialfutter im Griff hat), weswegen ich mich irgendwann nach Gesprächen mit der Frau von der Pflegestelle und meiner Tierärztin, auch im Sinne von Leroy, der mir so leid tat, weil er so alleine spielen musste und auch niemanden außer mir zum kuscheln hatte, dazu entschied ihn wieder zurückzugeben (er ist jetzt in einer neuen Familie, wo er sichtlich aufgeblüht ist). Kaum war Leroy weg, gibg Lola durch die Wohnung, schaute überall und als sie bemerkte, dass er nicht mehr da war, richtete sie sich auf, ihr Schwanz ging in die Höhe, sie maunzte, fraß auch normal und spielte mit mir. Schlafen war noch einige Nächte schwierig, da sie trotzdem bei jedem kleinsten Geräusch aus dem Bett sprang und geduckt und angespannt hin lief. Naja seitdem (sind jetzt ca 6 Monate her), ist sie wieder komplett normal. Trotzdem frage ich mich mittlerweile immer öfters, ob ihr nicht eine Spielgefährtin doch gut tun würde. Die Frau vond er Pflegestelle und die Tierärztin meinten, vom Verhalten klingt es so, als ob Lola einfach eine Einzelkatze ist, aber in Katzenforen lese ich immer wieder, dass es nicht gut ist Wohnungskatzen alleine zu halten. Sie darf zwar überall hin, hat einen riesigen gesicherten Balkon, ich bin auch viel daheim, aber trotzdem hab ich halt doch ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal weg bin, traue mich auch gar nicht Urlaub zu fahren. Ich frage mich immer wieder, ob ich nicht eine absolute Tierquälerin bin und fühle mich richtig mies. Klar augenscheinlich geht es ihr gut und dass sie so viel maunzt, war schon immer so, auch bei ihrer Schwester, aber trotzdem frage ich mich, ob ich es nicht noch einmal versuchen sollte. Mich hält aber ehrlich gesagt davon ab, dass ich dann wieder ewig schauen müsste zwecks Coronatiter etc... und ich einfach Angst habe, dass meine Lola dann wieder Stress hat und noch mehr gesundheitliche Probleme, aber ich weiß auch nicht, ob sie alleine wirklich glücklich ist, mit ihrer Schwester wirkte sie damals so glücklich :(

Entschuldigt bitte den langen Text, aber es tat gut, dass mal jemandem zu schreiben und vielleicht habt ihr ja den ein oder anderen Tipp für mich.

Vielen Dank :)

Liebe Grüße
Natalie

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Natalie,

vielen Dank für deine Schilderung. Ich denke, dass die beiden Themen miteinander verbunden sind - das hast du ja auch schon angedeutet.

Als Religionswissenschaftler kann ich dir zum Thema Tod sagen: Letztendlich bleibt er das große Geheimnis. Da der Mensch es nicht gut haben kann, etwas nicht zu wissen, ist es normal, von Zeit zu Zeit darüber zu grübeln - und wahrscheinlich ist es (leider) auch normal, von Zeit zu Zeit von Angst vor dem Tod gepackt zu werden. Bei manchen Menschen sind diese Momente kurz und nicht von Dauer. Bei anderen kann die Furcht sich festsetzen und zur Obsession werden. Das hat aber nicht unbedingt etwas damit zu tun, ob jemand nun gläubig ist oder nicht. Denn auch und gerade gläubige Menschen zweifeln viel, und nicht wenige haben Angst davor, nach dem Tod bestraft zu werden. Insgesamt gesehen, kann man sich fragen, was der erschreckendere Gedanke ist: Nicht zu wissen, was nach dem Tod wirklich kommt - oder ob etwas kommt -, oder sich nicht vorstellen zu können, dass irgendetwas kommt.

Der griechische Philosoph Epikur sagte nicht umsonst schon vor 2000 Jahren: „Gewöhne dich daran zu glauben, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat. Denn alles, was gut, und alles, was schlecht ist, ist Sache der Wahrnehmung. Der Verlust der Wahrnehmung aber ist der Tod. Daher macht die richtige Erkenntnis, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat, die Vergänglichkeit des Lebens zu einer Quelle der Lust." Das sollte soviel heißen wie: Wenn mit dem Tod alles endet, bedeutet das auch, dass es nicht schmerzhaft oder schlimm ist, tot zu sein. Denn wer gestorben ist, kann weder Schmerz, noch Trauer, noch Angst, noch Reue oder Sehnsucht empfinden. Dass der Mensch den Tod fürchtet, hat damit zu tun, dass er das Leben instinktiv als gut und schön wahrnimmt und es deshalb nicht verlieren möchte - doch sobald der Tod da ist, ist dieser Wunsch ohne Bedeutung. Epikur wollte mit dieser Aussage erreichen, dass das Leben mehr wertgeschätzt und bewusst wahrgenommen würde. Seine Sichtweise war der heutiger Atheisten schon erstaunlich nahe.

Frage dich selbst: Warum erschreckt dich der Gedanke an den Tod? Ist das der Fall, weil du dir eigentlich wünschst, an einen Himmel glauben zu können? Oder weil der Gedanke an das Nicht-existieren dir Angst macht? Am Ende versucht jeder Mensch, das große Geheimnis so zu begreifen, wie er es vermag. Für dich ist ein Jenseits nicht vorstellbar, aber das muss kein Nachteil sein. Vielleicht ist es dir möglich, deine Gedanken zunächst auf das Positive deiner eigenen Vorstellungen zu richten: Nämlich, dass der Tod dann auch das Ende aller Angst, aller Schuldgefühle und aller Traurigkeit sein muss. Und noch etwas Positives hat diese Vorstellung - sie ist leicht auf alle Menschen und alle Lebewesen anzuwenden. Du bist nicht genötigt, dich zu fragen, ob nach dem Tod möglicherweise eine Strafe für irgendetwas folgt, eine Belohnung, oder ob es vielleicht nur für einige Geschöpfe ein Jenseits gibt, und warum. Der Tod ist der große Gleichmacher. Es hilft aber, wenn du versuchst, bei deinem Nachdenken nicht allzu sehr auf das zu fokussieren, was der Tod in deiner Vorstellung NICHT ist (nicht leben, nicht existieren, nicht lieben, nicht sehen...) sondern auf das, was der Tod dann IST: Er ist Ruhe, er ist Klarheit, er ist in einem gewissen Sinne - gerade für viele alte und kranke Menschen - sicher auch Befreiung und Erleichterung. Dass man daran scheitert, sich die eigene Nicht-Existenz vorzustellen, ist zudem auch etwas ganz Menschliches und Normales.

Dass du deinen Tieren das Leben so angenehm wie möglich machen willst, ist leicht zu begreifen, wenn man deine Vorstellung vom Tod kennt: Weil es kein Später gibt, soll es jetzt schön sein - und nicht nur irgendwie und teilweise, sondern ohne Kompromisse. Das ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits treibt deine Auffassung von Leben und Tod dich an, Dinge in Angriff zu nehmen, intensiv nachzudenken und Ideen zu entwickeln. Andererseits entsteht dadurch auch Druck, denn - so wirst du dir einmal sagen -: wenn das Tier nicht das schönste Leben hatte, das es haben konnte, liegt es an mir. Nun kann man sich fragen, ob das wirklich so viel anders wäre, wenn du an einen Himmel oder generell ein Jenseits glauben würdest (oder an Wiedergeburt) - wahrscheinlich nicht. Aber deine starke Fokussierung auf den Tod hindert dich daran, Nutzen aus dem zu ziehen, was Epikur gesagt hat: Das Leben ist generell gut, ist eine "Quelle der Lust". Deine Katze signalisiert dir durch ihr Verhalten, dass sie im Allgemeinen sehr glücklich ist (ich halte selbst Katzen, die allerdings Freigänger sind). Ich glaube, es ist wichtig, zu reflektieren, dass die Bedürfnisse des Tieres nicht zwangsläufig auch die eigenen sind. Denn anstelle der Katze (so denkt unsereiner) würden wir uns sehr wahrscheinlich einen Gefährten oder eine Gefährtin wünschen. Das ist auch gut so, denn wir sind soziale Wesen. Das sind die Katzen zwar auch, aber für sie ist es dennoch natürlich, nicht paarweise oder in Gruppen leben zu müssen. Ein Mensch, der ganz allein lebt, ohne wenigstens hin und wieder mit anderen Menschen zu interagieren, hat dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder große seelische Probleme, oder sie bilden sich bei ihm infolge dieser Lebensweise.

Was also deine Katze Lola betrifft... ich denke, es wäre vernünftig, vorerst keine weitere Katze mehr aufzunehmen. Und zwar aus einem Grund, der weniger mit deiner Katze als vielmehr mit dir zu tun hat: Für dich würde es derzeit enormen Stress und Frust mit sich bringen, falls die Tiere wieder nicht miteinander harmonieren. Ganz abgesehen davon, dass du auch Geld investieren würdest. Die vielfältigen Kosten einer Zweitkatze stehen derzeit in keinem gesunden Verhältnis zu den Vorteilen, die es bringen könnte, falls (!) Lola und der / die Neue sich gut verstehen. Und das gilt für Lola genauso wie für dich selbst. Denn Lola lässt nicht erkennen, dass sie einen Gefährten braucht. Was nicht bedeutet, dass sie sich nicht über einen freuen würde... wenn er nach ihrem Geschmack ist. Aber du bist nicht in der Situation, ihr das bieten zu müssen - dafür geht es ihr erkennbar zu gut, und du hast entsprechendes tierärztliches Feedback. Ich kann absolut nachvollziehen und finde es toll, dass du deiner Katze nur das Beste bieten willst. Aber hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass deine Katze auch ein Interesse hat, dich in guter Stimmung um sich zu haben? Ich kann dir versichern, dass du keine Tierquälerin bist. Aber wenn es für deine Lola eine potenzielle Gefahr gibt, was ihr Wohlergehen betrifft, dann besteht sie wohl nicht im Fehlen einer anderen Katze. Sondern eher in der seelischen Verfassung der menschlichen Bezugsperson - dir. Aus diesem Grund solltest du bestrebt sein, dich selbst zu schützen, womit du in diesem Fall auch dein Haustier schützt. Die Sache muss deswegen nicht aus der Welt sein, doch erscheint es mir sinnvoll, wenn du dir einstweilen vornimmst, darüber in sechs Monaten nochmals nachzudenken - wenn die Lage in Sachen Covid-19 sich noch weiter beruhigt haben wird, und du selbst hoffentlich auch gefestigter bist als zurzeit. Denn wenn du Dinge unbedingt schaffen willst, obwohl dir die persönlichen Ressourcen fehlen, nützt das am Ende niemandem. Das musst du dir immer wieder sagen. Deiner Verantwortung für Lola wirst du besser gerecht, wenn du nichts erzwingen willst - unabhängig davon, ob es theoretisch Möglichkeiten gäbe, es ihr noch schöner zu machen.

Bitte fühl dich ermutigt, uns wieder zu schreiben, falls du Redebedarf hast oder sich Neues ergeben hat!

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul