Problem von Anonym - 19 Jahre

Hirntumor und mögliche Depressionen

Hallo liebes Kummerkasten-Team,

Ich habe mich dazu entschieden euch zu schreiben, weil ich nicht mehr weiter weiß.
Momentan habe ich das Gefühl, dass mir alles zu viel ist und ich nur überfordert bin.
Vor 8 Jahren litt ich stark an einer Magersucht. Dementsprechend habe ich mich in dieser Phase nicht wie normale Mädchen körperlich entwickelt und mir ging es auch mental sehr schlecht, weshalb ich auch für 2 Jahre in therapeutischer Behandlung war.
Ich habe das ganze eigentlich gut überstanden, war allerdings immer, bis heute, mit meinem Körper unzufrieden. Ich habe häufig Schmerzen, hatte es aber immer als normal wahrgenommen.
Vor rund 3 Monagen habe ich mich dann entschieden zum Arzt zu gehen, da ich mir 19 immer noch stark unterentwickelt war. Nach vielen Arztbesuchen gab es dann die Diagnose, dass ich einen höchstwahrscheinlich gutartige Tumor an der Hirnanhangsdrüse habe.
Tatsächlich konnte ich ganz gut damit umgehen. Ich hatte es irgendwie schon erahnt. Jetzt steht mir demnächst eine operative Entfernung an. Und obwohl ich versuche das ganze ruhig anzugehen habe ich ständig Panickattaken. Ich habe dieses verzweifelte Gefühl in mir, dass ich das alles einfach nicht möchte. Ich weiß das ich da durch muss aber ich würde am liebsten vor meinem Leben fliehen.
Ich habe eigentlich eine gute Beziehung zu meiner Familie und sehr enge Freunde. Aber ich habe das Gefühl, dass ich mich ihnen nicht anvertrauen kann. Ich möchte niemanden zusätzlich belasten, oder mich über mein Leben beschweren, weil ich weiß, dass es vielen schlechter geht.
Auch habe ich das Gefühl, sie könnten mich nicht wirklich verstehen oder würden denken, ich würde nur Aufmerksamkeit wollen. Ich habe auch allen von der Diagnose erzählt und viel Unterstützung bekommen, fühle mich aber trotzdem einsam.
Hinzu kommt, dass ich generell oft sehr starken Selbsthass habe und leider schon öfters Suizidgedanken habe. Momentan breche ich einfach bei jeder kleinen Aufgabe, jedem winzigen Problem oder Konflikt völlig zusammen und fühle mich überfordert. Ich habe daher schon das Gefühl, vielleicht depressiv zu sein, obwohl ich weiß, dass es mir höchstwahrscheinlich gar nicht so schlecht geht sondern ich nur alles schwarz sehe.

Ich weiß einfach nicht mehr weiter...

Alles Liebe und vielen Dank schonmal!

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

ich danke dir für dein Vertrauen. Du musstest jetzt wirklich sehr lange auf deine Antwort warten, ich bitte sehr um Entschuldigung. Das bedeutet nicht, dass wir deine Probleme nicht ernst nehmen. Wir haben dich nicht vergessen! Darum habe ich dir auf deine Zuschrift sehr ausführlich geantwortet und hoffe, dass sie dir weiterhelfen kann.


Deine Geschichte hat mich beim Lesen sehr bewegt. Ich drücke dich dich symbolisch ganz doll.

Erst einmal finde ich es sehr stark und mutig von dir, dass du zum Arzt gegangen bist. Das erfordert wirklich viel Kraft, sich Hilfe zu suchen. Und es war absolut richtig. Und ich finde es toll, dass du etwas gegen deine Magersucht getan und dich auch in therapeutische Behandlung begeben hast. Du hast meinen größten Respekt, ich bin sehr stolz auf dich. Schön, dass du es soweit dann auch gut überstanden hast.

Panikattacken

Dass du jetzt unter Panikattacken leidest und am liebsten alles wegmachen willst und fliehen willst - das kann ich gut verstehen. Du machst gerade eine sehr schwere Zeit durch, hast viele Probleme durchlebt beziehungsweise kämpfst noch immer damit. So eine Operation ist ja auch ein größerer Eingriff, klar, dass du dann auch sehr viel Angst davor hast. Das alles zu realisieren, dass du einen gutartigen Tumor hast, das ist auch sehr schwer.

Was meinst, was genau diese Panikattacken bei dir auslöst? Ist es der Ausgang der Operation? Die Operation selbst oder vielleicht auch die Narkose? Oder ist es auch die Angst davor, die Kontrolle abzugeben, da du ja auch nicht weißt, was auf dich zukommt? In jedem Falle solltest du diese Panikattacken Ernst nehmen und auch mit jemandem darüber reden.
Versuche auch nicht, die Angst wegzudrücken. Sie ist aus einem guten Grund da, will dich nur beschützen, dir Hinweise geben. Nimm sie an, drücke sie nicht weg, sonst wird es vermutlich nur schlimmer.


Therapeuten suchen

Hier hilft wirklich, wenn du dich an therapeutische Profis wendest. Du kannst Verhaltenstherapeuten in deiner Nähe suchen. Alleine werden die Panikattacken wahrscheinlich nicht weggehen. Darum lohnt es sich, wenn du dich überwindest und dir aktiv Hilfe suchst.

Mache dir bewusst, dass es nichts bringt, vor Problemen zu fliehen. Davon verschwinden sie leider nicht. Auch wenn so eine Operation dir viel Angst macht, sie ist notwendig und wichtig, damit es dir wieder besser geht. Vielleicht stellst du dir auch vor, wie es danach ist, wenn der Tumor dann endlich entfernt ist. Das kann auch sehr befreiend sein, wenn du dir keine Gedanken mehr machen musst.

Hier eine kleine Hilfe, wie du einen Psychotherapeuten finden kannst:
https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html

Du kannst dich außerdem mit deinen Sorgen dich auch an deinen behandelnden Arzt wenden. Er kann dich ausführlich informieren, was auf dich zukommt und dir damit hoffentlich auch ein Stück die Angst nehmen.

Wir haben speziell zu Panik, Angst, Phobie eine Soforthilfe, dich ich dir ebenfalls ans Herz legen möchte:
https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/52/Angst-Furcht-Phobie-Panik.html


Unzufrieden mit dem eigenen Körper

Du schreibst außerdem, dass du bis heute nicht wirklich zufrieden mit deinem Körper bist. Vor allem wenn du lange mit Magersucht gekämpft hast, hat dein Körper die Jahre viel durchgemacht, was man ihm leider auch anmerkt. Doch dein Körper ist dennoch, auch wenn er nicht vergleichbar mit dem Körper gleichaltriger Mädchen ist, ein einzigartiger und toller Körper, der es verdient, geschätzt und gepflegt zu werden. Er ist dein Körper, der dich all die Jahre begleitet hat, viel auf sich genommen hat. Ich kann deine Unzufriedenheit natürlich verstehen, aber kämpfe bitte nicht mehr gegen deinen Körper, das hast du lange genug getan. Auch wenn es schwer fällt: Du kannst immer noch lernen, deinen Körper wertzuschätzen, zu akzeptieren und zu lieben. Er ist ein Teil von dir und auch ein sehr wichtiger.

Vielen Menschen fällt es schwer, den eigenen Körper zu akzeptieren. Jeder findet Stellen, die er an sich nicht mag. Doch wer sich entschließt, den Körper zu achten und zu akzeptieren, dem wird es im Leben leichter fallen, auch selbstbewusst zu sein. Stelle dir vor, wie schön und entspannt es wäre, wenn du deinen Körper einfach so annehmen würdest, wie er ist ohne Wenn und Aber. Wäre das nicht unglaublich befreiend?

Der Blick in den Spiegel wäre ein Anfang. Vielleicht schaust du ohnehin öfter in den Spiegel. Aber anstatt abschätzend und kritisch deinen Körper zu betrachten, könntest du versuchen, ihn mit einem liebevollen Blick zu sehen. Schau auch auf die Stellen, die du noch immer an dir magst. Das könnte dir anfangs auch helfen, deinen Körper mehr zu akzeptieren. Ich bin mir sicher, du bist schön, auf deine Art und Weise. Jeder ist anders, aber jeder ist schön.

Je nachdem, wie fit du bist, kannst du ein positives Körpergefühl auch durch eine Sportart oder mehr Bewegung fördern.

Sei freundlich zu deinem Körper, er leistet unglaublich viel, versorgt dich, auch wenn du gar nichts tust. Und vor allem: Vergleiche dich nicht mit anderen. Keiner ist perfekt, wir sind aber alle ganz individuell und einzigartig und toll. Und du bist auch gut so, wie du bist.

Vielleicht fängst du jetzt auch mal an, deinen Körper achtsam zu pflegen. Schau mal, was dir gefällt, was dir gut tut. Nimm dir mal ein entspanntes Bad oder massiere dich selbst, creme dich langsam ein. Überlege mal, was du dir selbst und deinem Körper Gutes tun kannst. Dass du auf gesunde Ernährung achten solltest, weißt du vermutlich auch selbst. Oder du fängst an, deinen Körper liebevoll anzufassen und zu streicheln, das wäre auch eine Möglichkeit, Selbstliebe zu entwickeln.

Im Endeffekt liegt es ganz bei dir. Du musst dein Spiegelbild nicht verändern, das wäre ein ewiger Kampf und es gäbe immer etwas zu meckern. Was sich ändern muss, ist dein Blick in den Spiegel. Die Art und Weise, wie du deinen Körper bewertest und mit ihm umgehst.

Ich habe dir noch weitere informative Beiträge zum Thema Selbstliebe und Selbstakzeptanz verlinkt. Schau doch gern mal rein:
https://www.147.ch/de/persoenliche-probleme/essstoerungen/unzufrieden-mit-dem-koerper/
https://mein-kummerkasten.de/index.php/331878/Hass-auf-den-eigenen-Koerper.html
https://www.louisadellert.com/wie-kann-ich-lernen-meinen-koerper-zu-akzeptieren/
https://www.einfachganzleben.de/meditation-achtsamkeit/body-positivity-den-koerper-akzeptieren


Sich niemandem anvertrauen können

Ich kann klar herauslesen, dass es dir sehr schwer fällt, deiner Familie und deinen engen Freunden von deinen Problemen zu erzählen. Zum einen schwingt da deine Sorge mit, zur Last für die anderen zu werden. Du schreibst auch, dass du dich nicht beschweren willst, wo es anderen schlechter geht. Es ist toll und auch sehr rücksichtsvoll, dass du so sehr an andere denkst. Aber es geht doch jetzt um dich und du bist auch sehr wichtig! Und deine Probleme sind auch sehr belastend für dich und darum auch nicht einfach so klein zu reden. Natürlich gibt es immer Menschen, denen es schlechter geht, aber das spielt keine Rolle. Es geht ja um dich und deine Probleme sollten auch ernst genommen werden, weil sie dich sehr belasten, das lese ich sehr heraus.

Was ich stark spüre, ist, dass du dich selbst stark zurücknimmst, dich und deine Probleme nicht so für wichtig nimmst, um sie anderen anzuvertrauen. Du denkst vermutlich auch eher nicht so gut von dir, sonst würdest du dich nicht als eine Last für andere betrachten. Ich bin mir aber sicher, dass es deiner Familie und deinen Freunden wichtig ist, zu wissen, wie es dir geht und wenn du Probleme hast. Sie würden sich vermutlich auch freuen, wenn du dich ihnen anvertrauen würdest. Du bist ihnen wichtig, so wie sie dir auch wichtig sind und ihr steht euch nahe. Familie und Freunde sind doch gerade in solch schwierigen Zeiten für einen da, auf sie kannst du dich verlassen, ihnen kannst du vertrauen. Also rede nicht mehr dich selbst und deine Probleme klein, beides ist wichtig genug, dass du darüber sprichst, wenn du das auch willst.

Du befürchtest, dass sie das nicht verstehen würden. Und vermutlich hast du recht. Wenn man nicht selbst so etwas durchgemacht hat, wird man das nie wirklich verstehen können. Aber du kannst ihnen die Chance geben, es wenigstens zu versuchen. Ein Versuch ist es immer wert.

Du schreibst, dass du dich trotz Unterstützung einsam fühlst. Vielleicht, weil dir jemand fehlt, der dich komplett verstehen kann? Was meinst du, woher diese Einsamkeit kommt?
Wenn du Unterstützung von jemandem suchst, der das besser verstehen kann, wäre vielleicht der Besuch einer Selbsthilfegruppe für Betroffene von Magersucht ratsamer. Hast du darüber schon einmal nachgedacht?


Selbsthass und Suizidgedanken

Du schreibst, dass du außerdem auch einen großen Selbsthass und Suizidgedanken hast. Vor allem letzteres ist ein ernst zu nehmendes Problem! Ich kann gut nachvollziehen, dass du dem ganzen Leid ein Ende setzen willst. Ich war vor vielen Jahren in einer ähnlichen Situation, in der ich fast keinen anderen Ausweg gesehen habe. Aber ich bin sehr froh, dass ich das doch aufgegeben habe und dem Leben noch einmal eine Chance gegeben habe. Auch wenn jetzt alles sehr sehr schlimm und unerträglich für dich ist: Halte am Leben fest, auch diese schlimme Phase geht wieder vorbei, glaub mir. Du bist noch so jung und es wartet noch so viel auf dich im Leben. Denk daran, dass du eine liebevolle Familie und tolle enge Freunde hast. Lohnt es sich nicht, für sie am Leben zu bleiben?

Ich lege dir sehr stark ans Herz: Bitte suche dir professionelle Hilfe. Ich weiß nicht, ob du noch in therapeutischer Behandlung bist, aber so wie es für mich klingt, wäre es gut, wenn du das fortsetzen oder wie neu aufnehmen solltest. Das sind alles Probleme, mit denen du selbst allein vielleicht nicht fertig wirst. Wenn deine Kräfte nicht mehr ausreichen, ist es absolut in Ordnung, sich professionelle Hilfe zu suchen. Du kannst zur Überbrückung, falls du noch keinen Therapieplatz bekommen solltest, dich auch an Beratungsstellen oder den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden. Da gibt es Akuthilfe, wenn du nicht länger warten kannst und willst.

Hier habe ich dir noch weitere Webseiten verlinkt, die dir weiterhelfen können:
https://mein-kummerkasten.de/331181/Suizid.html
https://mein-kummerkasten.de/333236/Suizidgedanken-wegen-vielen-Problemen.html
https://mein-kummerkasten.de/331783/Suizidgedanken.html

Falls du vielleicht aktuell niemanden zum reden hast, aber jemanden dringend zum Reden brauchst, empfehle ich dir als Akut-Ratgeber die Nummer gegen Kummer (116 111 oder unter https://www.nummergegenkummer.de/und die Telefonseelsorge (0800.1110111 oder 0800.110222 oder unter der Webseite https://www.telefonseelsorge.de). Beides geht auch ganz anonym und die geschulten Zuhörer können dich auch beraten.


Abschließend will ich dir ans Herz legen: Du bist nicht allein. Du hast Familie und gute Freunde, die dich auf alle Fälle unterstützen werden. Doch du musst den Mut, das Vertrauen haben, dich ihnen anzuvertrauen. Ich weiß, du kannst stark sein, du kannst diese schlimme Zeit überstehen. Ich glaube fest an dich, dass du dir Hilfe suchen kannst. Bitte lass dir auch helfen, es wird wieder bessere Zeiten geben.


Ich wünsche dir wirklich ganz viel Liebe, Kraft, Selbstvertrauen und Mut für deinen weiteren Lebensweg. Wenn du noch Fragen hast oder Hilfe brauchst, wende dich gerne wieder an uns.

Ganz liebe Grüße,
Lan