Problem von Anonym - 20 Jahre

Bereue ersichtliches Tattoo

Hallo zusammen!
Ich muss mir meine Last einfach mal von der Seele schreiben. Ich bin momentan an einem richtigen tiefpunkt. Ich weine jeden Tag seit fast einer Woche, schlafe kaum noch und habe meinen Appetit verloren...
Der Grund ist nahezu absurd: ich habe mich tätowieren lassen und es ist nicht so geworden wie ich wollte. Nun sind sowohl mein Handrücken, als auch die Hälfte meines armes geziert von einem gehassten tattoo. Ich war mir eigentlich tausend prozentig sicher, es zu wollen und das über ein Jahr hinweg. Nur lief es nicht nach meiner Vorstellung...
Es handelt sich hierbei um eine Schlange. Ihr Kopf liegt unsymetrisch auf meinem Handrücken und ihr verworrener Körper schlängelt sich bis zu meinem Ellenbogen, zu dicht an meinem anderen tattoo vorbei und mit großen, unschönen Lücken.
An sich ist das tattoo gut und professionell gestochen, jedoch trotzdem ein absoluter Albtraum für mich! Vor allem weil ich es nicht mal verstecken kann...

Doch wie kam es dazu? Na, ich war dumm und naiv. Ich machte einen Termin mit meinem Tätowierer aus und erzählte ihm grob was ich wollte. Ich dachte eigenrlich er würde ein grobes Motiv anfertigen um es mir am Termin Tag zu präsentieren. Fehlanzeige. Er dachte ich bringe selbst eins mit. Was macht man in so einer Situation? Natürlich den Termin absagen oder verschieben! Aber nein, ich war dumm und naiv... Ich dachte man könne so etwas simples wie eine Schlange locker entwerfen. Mir gefiel das Motiv sogar zunächst! Erst als es gestochen war sah ich was ich da angerichtet hatte. Mir gefiel absolut gar nichts mehr daran. Ich begann es nach wenigen Minuten zu hassen. Ich zahlte dafür dann 250€, die ich gespart hatte und versuchte mich daran zu gewöhnen.
Ich dachte ich würde es einfach nicht mögen weil es was anderes/neues ist. Aber nein, die Einstellung änderte sich nicht. Im Gegenteil. Ich fing an es zu hassen! Abgrundtief.
Mittlerweile fing ich an mich selbst zu hassen. Wie konnte ich so dumm sein?! Mein erster Gedanke war, es eventuell auszubessern. Irgendwas neues in die Lücken tätowieren um von meinem unliebsamen Motiv abzulenken. Aber den Gedanken verwarf ich schnell, das würde womöglich alles noch viel schlimmer machen. Und ehrlich gesagt ist mir die Lust auf tattoos absolut vergangen. Ich will nie wieder welche. Wirklich nie wieder.

Ich habe nur zwei Optionen, entweder akzeptiere ich, dass mein Arm für mich "entstellt" ist, oder ich lasse es weg Lasern. Da es mich so unfassbar belastet tendiere ich zum Lasern, jedoch bereiten sich auch hier neue Probleme.
Eins davon wären die Kosten. Man braucht 8-15 Laser Sitzungen. Diese Sitzungen kosten jeweils unmengen an Geld. Eine Sitzung kostet zwischen 80€-600€. Das würde darauf ankommen wie mein Tattoo von den Ärzten eingeschätzt wird... Ein Tattoo in meiner Größe würde mit Sicherheit mindestens 300€ pro Sitzung kosten. Und selbst wenn es möglich wäre, bräuchte man 2 Jahre um es zu entfernen.
Dazu kommt, dass ich nächsten Monat meine Ausbildung beginne. Ich verdiene ein mageres Gehalt... Davon könnte ich mir das zwar leisten, meinen Führerschein könnte ich jedoch vergessen. Außerdem mangelt es meiner Familie momentan erheblich an Geld, es wäre so egoistisch unmengen für eine tattoo Entfernung auszugeben...
Und da kommen wir auch zum nächsten punkt: meine Mutter ist absolut nicht einverstanden. Ich bin zwar knapp über 18, jedoch würde ich den Druck ihrerseits psychisch nicht aushalten. Ich würde mir ihre absolute Unterstützung wünschen aber die werde ich nicht bekommen...
Heute morgen habe ich ihr von meinen Plänen berichtet und sie wurde sofort sauer. Sie sagte mir all das was ich eh schon dachte:
Wieso ich es mir dann stechen lassen habe, ob sie mir denn nicht oft genug sagte, dass man sich seines tattoos 2000% sicher sein muss etc.
Und zusätzlich wurde sie sauer und meinte sie möchte nicht, dass ich mir so etwas gefährliches wie Laser Behandlungen antue. Dabei habe ich mich reichlich informiert und nehme die Risiken in Kauf. Aber sie versteht das nicht. Für sie sieht es ganz okay aus und es könne bleiben. Nur mir ruiniert es eben die psyche...

Ich habe also keinen Ausweg. Behalte ich es, bleibe ich vermutlich so unfassbar depressiv und ertrage mein Spiegelbild nicht. Verdecke ich es mit Armstulpen, ist es zwar aus den Augen aber nicht aus dem Sinn. Lasse ich es entfernen, ruinieren ich mich geldmäßig und ruiniere vermutlich die Beziehung zu meiner Mutter. Egal welchen Weg ich wähle, er wird mich zerstören.

Ich wünschte ich könnte einfach die Zeit zurück drehen... Einfach eine Woche in die Vergangenheit reisen und sagen "machs nicht, lass es bleiben". Aber nein, das ist nicht möglich. Es kommt mir alles vor wie ein maßloser Albtraum. Es zermürpt mich, raubt mir den Schlaf, den Verstand und die Lebensfreude. Ich denke an nichts anderes mehr. Ich weiß auch nicht wie ich mich auf meine Ausbildung konzentrieren soll. Ich hab für den ganzen Alltag einfach keinen Kopf mehr obwohl es notwendig ist. Ich habe mir mein Leben ruiniert und alles daran ist absolut meine Schuld!

Ich trau mich nicht mehr raus, trage nur noch lange Ärmel, möchte mich nicht mit Freunden treffen und lehne auch den sex mit meinem freund ab. Er findet mein Tattoo zwar schön und ist auch tatkräftig dabei, mich zu unterstützen, aber mir ist die Lust komplett vergangen. Ich sehe einfach nur das tattoo und schon wars das.
Ich weiß nicht wie das alles weiter gehen soll. Vielleicht wirkt das alles übertrieben aber ich gehe daran kaputt...

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ich möchte mich für meine späte Antwort entschuldigen. Eigentlich wollte ich dir schon längst geschrieben haben, aber das Leben hatte etwas Anderes mit mir vor.

Weil nun schon viel Zeit verstrichen ist, möchte ich ziemlich direkt zum Punkt kommen - wobei ich dennoch hoffe, dass es dir mittlerweile schon deutlich besser geht als damals.

Nun, ich sehe das missratene Tattoo nicht als die Ursache deiner psychischen Schieflage, sondern als Symptom. Ich vermute, dass du dich schon vorher (unbewusst) in keiner allzu guten Gesamtsituation befunden hast und das Tattoo lediglich der Anlass war, das alles einmal aufzudecken. Vielleicht waren diese anderen Dinge bisher recht unscheinbar oder du konntest alles noch recht locker wegstecken. Das weißt du besser als ich. Was ich aber bezweifle: Dass ein Tattoo, das nicht deinen Wünschen entspricht, für sich genommen alles aus den Angeln hebt und du vorher ein komplett anderer Mensch gewesen bist. Solch eine Wucht kann das Tattoo gar nicht haben, wenn du verstehst, was ich meine. Du _reagierst: auf ein Ereignis in bestimmter Weise und DAS ist das eigentlich Interessante. Deine Reaktion!

Es kamen als Folge zu deinem Frust viele Folgeprobleme hinzu. Das alles ist aber nicht für immer und nicht statisch. Alles ist in Bewegung und du hast viel mehr Macht über deine Grundverfassung, als es zunächst wirken mag!

Schauen wir mal nüchtern auf dein Problem: Du hast dich sehr gefreut und warst dir sicher mit deinem Tattoo (daher ist das Argument deiner Mutter auch Quark, das nur mal am Rande). Dass man sich einerseits auf etwas freuen kann und innerlich zu 100% "dabei" ist, bedeutet aber nicht, dass das Ergebnis exakt so ausfällt. Und so war es bei dir - gemäß dem Spruch "Shit happens". Das hat nichts mit einer "Unfähigkeit" oder "Blödheit" zutun! Menschen neigen einfach dazu, die Dinge durchzuziehen, wenn sie sie erst einmal begonnen haben. Viele Menschen hätten so gehandelt wie du, vielleicht mit Abwandlungen, aber darauf kommt es hier auch nicht an. Selbst wenn du der einzige Mensch auf dieser Welt wärst, der sich in diesem Moment so entschieden hat, ändert es nichts daran, dass es okay ist, Fehler zu machen und sie anschließend zu bereuen. Das mindert deinen natürlichen Wert als Mensch ja nicht. Der Unterschied besteht darin, ob man sich dafür selbst verurteilt und sich selbst beschämt - oder ob man sich sagt: Ja blöd gelaufen, jetzt mache ich irgendwie das Beste daraus und suche nach (langfristigen) Lösungen."
--> Und genau das tust du letztlich ja auch: Du hast dich für das Lasern entschieden. Sicherlich ist das kostenaufwendig und anstrengend, ein holperiger Weg dorthin. Doch im Endeffekt zeigt sich darin wieder nur, dass wir im Leben auch mal Kompromisse und Zugeständnisse machen müssen - und daraus auf gute Weise lernen können. Sieh es als Lektion, die du für immer verinnerlicht hast, nicht als Scheitern im großen Stil!

Es ist normal, sich zu ärgern und sich zu wünschen, es anders haben zu wollen. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht verändern. Es bleibt die Zuversicht im Hier und Jetzt, die den Nährboden für eine gute Zukunft bereitet.
Wenn du dich aber dauernd selbst fertigmachst und so verfährst, als hättest du eine schlimme Straftat begangen, ist das ein Alarmzeichen.
Ich könnte mir bei dir vorstellen, dass du Schwierigkeiten mit deinem Selbstwertgefühl hast und eventuell eine Depression im Raum steht. Das sollte selbstverständlich alles mal ärztlich besprochen und diagnostiziert werden; ich habe bei dir einfach den Eindruck, dass deine Reaktion derart überzogen und selbstschädigend ist, dass der Anlass fast schon austauschbar wirkt. Das Tattoo hat nur die Eigenschaft, dich am Verdrängen zu hindern, weil es permanent sichtbar ist. Das wiederum ist ja auch positiv: So kannst du ins Handeln kommen und lernen, für dich einzustehen, dir Ziele zu stecken und diese in kleinen Schritten zu erreichen.

Ich rate dir, dich psychologisch begleiten zu lassen, weil im Hintergrund sicherlich viel zusammengekommen ist. Das kann z.B. über eine Beratungsstelle, eine Coaching - bzw. Therapiepraxis erfolgen oder, wenn es dir zunehmend schlechter geht, bitte auch in einer psychiatrischen Fachklinik.

Ganz grundsätzlich schätze ich die Lage so ein, dass es stets Wege gibt, mit einem begangenen Fehler in Versöhnung zu gehen und sich selbst vor allem zu verzeihen. Wir sind nicht perfekt und werden immer wieder neue Fehler produzieren. Es geht darum, einen gesunden Umgang mit Fehlern und scheinbar falschen Entscheidungen zu finden.
Und ja, selbstverständlich kannst du dir daraus mitnehmen, dir in Zukunft mehr Zeit zu lassen, um nach einer neuen Info erstmal nachdenken und neu entscheiden zu können. Das wäre ein Beispiel dafür, konstruktiv mit einer Herausforderung umzugehen. Doch wenn dir das nicht gelingt, dann ist es in Ordnung. Versuche, dir selbst gegenüber Nachsicht und Liebe zukommen zu lassen, das bist du sowas von wert! Die Urteile deiner Mutter und anderen Personen entscheiden nicht über deinen Wert als Individuum. Du bist einzigartig und ein Geschenk an die Welt. Bitte vergiss niemals, dass du genau das bist, wie ein funkelnder Stern am Himmel, egal ob tattoowiert oder nicht.

Ganz pragmatisch würde ich dir raten: Solltest du beim Lasern bleiben wollen, weil du dich partout nicht mit dem Motiv aussöhnen kannst, würde ich dir einen Sparplan empfehlen. Den solltest du dann strikt befolgen und somit kontinuierlich kleine Summen beiseite legen. Vielleicht würde es dich ja motivieren, schon eine erste Sitzung bezahlen zu können. Da kannst du dir ja überlegen, wie du dir das weitere Vorgehen so angenehm wie möglich gestalten könntest, inklusive Selbstbelohnung und Selbstlob :)


Ich verlinke dir hier noch einige nützliche Links:
- https://www.dajeb.de/beratungsfuehrer-online/beratung-in-ihrer-naehe
- https://de.wikihow.com/Sich-selbst-verzeihen-k%C3%B6nnen
- https://www.palverlag.de/lebenshilfe-abc/akzeptanz.html
- https://www.palverlag.de/lebenshilfe-abc/chancen.html
- https://www.palverlag.de/lebenshilfe-abc/denkfehler.html
- https://www.palverlag.de/lebenshilfe-abc/minderwertigkeitsgefuehle.html
- https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/selbsttest-offline


Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,
Nuala