Problem von Juli - 35 Jahre

Ehemann schaut Pornos

Guten Morgen liebes Kummerkastenteam,

diese Thematik ist sicherlich schon 1000 Mal diskutiert worden. Ich komme aus meiner Spirale nur selbst nicht mehr heraus und benötige dringend Rat. Mein Mann und ich sind seit fast 17 Jahren ein Paar, 6 davon verheiratet. Wir haben 2 wundervolle Kinder und bauen gerade ein Haus- es ist zur Zeit sehr stressig. Mein Mann versucht viel von mir abzuhalten.Vor etwa einem Jahr habe ich durch Zufall herausgefunden, dass er wieder Pornos schaut, nachdem das bereits zu Anfang unserer Beziehung ein großes schwieriges Thema war. Ich war sehr verletzt, drohte ihm vor einem Jahr mit Scheidung. Wir haben lange geredet und er hat darum gebeten, dass ich ihm noch eine Chance gebe- er das nie wieder tun würde. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht dafür verurteile, dass er sich selbstbefriedigt, ich mit den Pornos allerdings nicht " kann". Die Ursache dafür liegt allerdings tiefer und das weiß er auch. Ich bin während meiner Schulzeit schlimm gehänselt worden. U.a. wegen meiner nicht vorhandenen Oberweite und weil ich sehr dürr war. Irgendwann hörte es auf weil ich begann alles auszustopfen. Mein Mann war mein erster " richtiger" Freund, dem ich mich so gezeigt habe, wie ich bin. Als ich kurz danach herausfand, dass er sich Pornos anschaut, deren Fokus auf einer überdimensionalen Oberweite lag, brach für mich eine Welt zusammen. Das passierte ein Jahr später wieder. Wir rauften uns dennoch zusammen und ich war offenbar vollkommen naiv zu glauben, dass er das nun lassen würde. In der Zwischenzeit ließ ich mir die Brüste vergrößern- nicht für ihn. Ich litt unabhängig von dieser Situation darunter. Bis zum letzten Jahr glaubte ich es sei alles gut. Da begründete er den Pornokonsum damit, dass wir zu wenig Sex hätten und er sich aber selbst nicht erklären könnte, was ihm das geben würde. Ich hatte mich damals schon gewundert , warum er so anders war. Er meinte, dass er plötzlich mehr Lust hätte und ich ihn ganz "wuschig" machen würde. Ich habe das echt geglaubt- dass es fremden Frauen aus Pornos bedingt war, drängte sich mir nicht auf. Er behauptet auch nach wie vor, dass er geschaut hätte, weil er mehr Lust bekommen hätte und nicht andersherum.Nun musste ich wieder erfahren, dass er sich (nur) Bilder angeschaut hat- diese dann aber geschlossen hätte, als ihm bewusst geworden sei, was er da täte. Er sei da zufällig draufgeraten. Auch unser Sexleben würde ihn mittlerweile erfüllen und sei ausreichend. Wir hatten das danach auch deutlich gesteigert. Ich habe prinzipiell kein Problem mit Pornos und möchte meinen Mann auch nicht verurteilen oder ihm das Gefühl geben, dass er nicht normal sei. Es tut mir ja selbst leid. Aber ich kann nicht aus meiner Haut. Der Gedanke, dass ich ihm nicht reiche, dass ich nicht DIE Frau bin, für die er bereit ist, dass zu unterlassen, obwohl er weiß, wie sehr er mich verletzt, macht mich tieftraurig und verzweifelt. Auch dass ich ihm aus meiner Verletzung heraus mit Scheidung drohte und selbst dass ihn nicht abhielt, erschüttert mich zutiefst. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich will mich nicht von ihm trennen aber ich habe Angst, dass er mich nicht so liebt wie ich ihn. Dass ich ihm wieder eine Chance gebe und in irgendwann vor den Trümmern meiner Ehe stehe, weil er mich Knall auf Fall verlässt. Und dass er jetzt meint, dass er das immer wieder machen kann, weil ich ja doch keine Konsequenzen ziehe. Ich habe wochenlang geweint und nun zieht es mir wieder so den Boden unter den Füßen weg. Er hat mich bekniet, dass ich bei ihm bleibe und nun ist es ihm anscheinend doch egal gewesen. Ich fühle mich so gedemütigt. Am liebsten würde ich ihn in den Arm nehmen und alles vergessen aber zu wissen, dass es bei ihm nicht reicht um diesen " Klick" im Internet zu unterlassen, macht mich wahnsinnig. Ich habe nur noch Angst und überhaupt kein Vertrauen mehr. Ich fühle mich unfassbar schlecht und hässlich, wenn ich darüber nachdenke, dass ich mit einer Pornodarstellerin, die er nicht mal kennt, konkurriere und verliere. Ich weiß nicht, ob ich genauso reagiert hätte, wenn diese Problematik aus der Vergangenheit nicht herrühren würde. Aber das ist für mich auch nicht entscheidend- sondern einzig, dass er wusste, dass er mich, unsere Ehe, unsere Familie buchstäblich kaputt macht und es ihm das trotzdem nicht wert ist. Was soll ich nur tun? Ich hoffe inständig auf Rat.

VG Juli

Nuala Anwort von Nuala

Hallo Juli!

Für die späte Antwort möchte ich mich entschuldigen. Das Teammitglied, das dir ursprünglich antworten wollte, kann dies nun doch nicht übernehmen.

Ich merke, dass du sehr verzweifelt bist. Es klingt so, als hätte sich das Thema Heimlichkeit und Pornokonsum so sehr verselbstständigt, dass es dich zu bedrohen scheint. Insbesondere scheinst du dich als Person stark bedroht zu fühlen - dein Selbstwert leidet. Zuerst einmal: Du konkurrierst nicht mit Darstellerinnen! Bitte höre auf, dir das einzureden. Das ist Blödsinn. Es ist Filme, mehr nicht. Über das Künstliche, das oftmals Sexistische, das Unausgewogene in Pornos lässt sich reden. Aber du bist als Ehefrau in einer ganz anderen Liga.

Tatsächlich glaube ich nicht, dass es deinem Mann egal gewesen ist. Vielleicht hat er die Pornos als Ventil benutzt, um Stress abzubauen, bei eurer Situation mit Hausbau etc. wäre das ja naheliegend. Hier finde ich es ganz wichtig, dass du nicht in Selbstmitleid verfällst, sondern versuchst, auch ihn mit seinem Blickwinkel zu sehen und dich in ihn hineinzuversetzen. Auch wenn du anders empfindest, s kann sehr bereichernd sein, sich einfach mal anzuhören, was den Partner antörnt und womit er z.B. Stress abbauen kann.
Du liebst ihn und er dich sicherlich auch sehr!
Ich vermute, dass ihr nicht um eine finale Klärung herumkommt - nicht zuletzt deswegen, weil eure Beziehung offenbar schon mit dem Thema Pornokonsum begonnen hatte.
Das "Schwamm-drüber"-Prinzip klappt bei oberflächlichen Dingen des Alltags, aber nicht bei solch grundsätzlichen Aspekten. Deswegen ist es sogar gut, dass du jetzt an dem Punkt stehst.
Ich hatte früher einmal eine sehr ähnliche Zuschrift rund um Pornokonsum in der Beziehung beantwortet, welche ich dir gerne zeigen möchte, insbesondere bezüglich des Sich-Vergleichens und des Sich-mies-Fühlens: https://mein-kummerkasten.de/318960/Mein-Mann-schaut-pornos.html

Du schreibst, dass du mit Pornokonsum kein Problem hast, aber scheinbar darf dieser trotzdem keinen Platz in eurer Beziehung finden.
Weißt du, ich finde es okay, Grenzen und Verletzungen aufzuzeigen und dem Partner, der Partnerin zu signalisieren, was zu weh tut. Das hast du getan. Und theoretisch gehe ich sogar mit bei dem Aspekt, dass dein Mann _eigentlich_ auf Pornos verzichten könnte - sie sind ja nicht überlebensnotwendig. Man kann es natürlich schlimm finden, dass er sein Versprechen gebrochen hat. Ich persönlich verstehe dich da auch, dass du das Hintergehen als schlimm empfindest. Auf der anderen Seite ist es (leider) menschlich, sich nicht immer an gegebene Versprechen halten zu können. Es wäre allemal eine große Aussprache und dauerhafte Kommunikation über Ehrlichkeit, Treue und gegenseitiger Rücksichtnahme wert!

Ich möchte dir allerdings auch eine andere Perspektive aufzeigen. Auf die Gefahr hin, dass du entsetzt sein wirst, schreibe ich dir nun Folgendes:
Du siehst einzig allein deinen Mann als den Schuldigen, der gefälligst etwas zu unterlassen hat, womit du nicht zurecht kommst. Du zeigst mit dem Finger auf ihn und machst ihn für dein Leid verantwortlich. In Wahrheit bist du allein für dein Seelenwohl zuständig, nicht dein Mann. Er hat kein Problem mit Pornos (warum sollte er auch?) - du aber schon. Also ist es deine Aufgabe, deine Themen damit anzugehen und die psychischen Beeinträchtigungen aus der Vergangenheit aufzuarbeiten. Dein Mann ist dir sicherlich dabei behilflich. Doch er ist absolut nicht in der Bringschuld.

Es kann ja auch was Schönes sein, wenn der Partner neue Sexlust bekommt. Da haben die Pornos als "Katalysator" fungiert. Allerdings ist es schon wünschenswert, dass Offenheit besteht anstatt Heimlichkeit. Dein Mann hatte möglicherweise Angst, sich dir dahingehend zu zeigen. Er wusste ja, wie du dazu stehst. Viele wählen dann den Weg der Heimlichkeit, auch wenn es nicht zielführend ist.

Übergeordnet empfehle ich dir, gemeinsam mit deinem Mann über eine Paartherapie nachzudenken. Wenn da noch Liebe ist, wäre es ungemein schade, wenn eure Beziehung komplett zerbrechen würde. Dein Mann hat sicherlich auch so seine Themen, die besprochen werden müssten. Eventuell zu den Stichworten Angst vor der Wahrheit, Bedürfnisse zeigen/ausleben, usw.

Du schreibst, bei dir liegen die Ursachen tiefer wegen deiner schlimmen Schulzeiterfahrungen. Hier wäre es fair, wenn du - wie schon oben geschrieben - deine eigenen Schattenthemen mutig angehen und deinem Mann zugestehen würdest, dass er dich nicht vor Schmerz bewahren kann. Er kann sich um Ehrlichkeit bemühen, das wäre wunderbar und sehr wichtig, damit eure Partnerschaft dauerhaften Bestand haben kann. Aber für die Heilung deiner seelischen Wunden bist allein du verantwortlich. Ein kaputter Selbstwert wird durch Trigger immer wieder hervorgeholt, bei dir durch die Pornos. Aber ursächlich ist etwas Anderes und das gilt es anzugehen. Vielleicht würde dir schon ein psychologisches Coaching helfen, ggf. eine Psychotherapie - je nachdem, wie weitreichend deine psychische Beeinträchtigung ist.

Du kannst dich sehr gerne wieder melden, wenn du das Bedürfnis verspürst.
Ich wünsche dir alles Liebe zum Beginn von 2022!

Viele Grüße,
Nuala